Strategie & Management

Start-ups mit Unternehmen vernetzen

5-HT Digital Hub unterstützt Unternehmen im Chemie- und Gesundheitssektor bei der Zusammenarbeit mit Start-ups

11.12.2019 -

Im Rhein-Neckar-Raum haben zahlreiche etablierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus der Chemie und dem Gesundheitswesen ihren Standort. Daher bietet die Region eine solide Basis für die Kooperation mit Start-ups aus dem In- und Ausland. Der 5-HT Digital Hub Mannheim/Ludwigshafen Chemistry & Health fördert den Wissenstransfer und vernetzt die Akteure in der Region, auf nationaler und internationaler Ebene, um Innovationen und Gründungen in den Bereichen Chemie und Gesundheit voranzutreiben und so die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und marktreifer Lösungen zu beschleunigen. Michael Reubold befragte 5-HT-Geschäftsführer Frank Funke und Strategy & Ecosystem Development Manager Marco R. Majer zum Konzept des Digital Hubs.

CHEManager: Herr Funke, Herr Majer, Ihre Plattform ist Teil der vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten Digital Hub Initiative zur Förderung digitaler Innovation in Deutschland. Seit wann gibt es den Digital Hub?

Frank Funke: Initialzündung war der Digitalgipfel des Bundeswirtschaftsministeriums vor zwei Jahren, nach dem die Digital Hub Initiative ins Leben gerufen wurde. Ein Netzwerk von zwölf Digital Hubs ist nun über ganz Deutschland gespannt, wobei die einzelnen Hubs entweder einen Branchen- oder einen Themenschwerpunkt haben. Wir sind seit Ende 2018 aktiv und agieren vom Standort Mannheim/Ludwigshafen aus, unterstützt von unseren Hauptsponsoren BASF, SAP und Pepperl + Fuchs. Dabei verstehen wir uns explizit nicht als regionale Wirtschaftsförderung, sondern vielmehr als Plattform zur Förderung digitaler Lösungen für die Chemie- und Gesundheitsindustrie.

„Im Vergleich zu anderen Industrien steht die Chemieindustrie bei der

Umsetzung digitaler Lösungen noch am Anfang.“

 

Marco Majer: Besonders im Fokus liegt die direkte Vernetzung zwischen etablierten deutschen Playern mit nationalen sowie internationalen Start-ups. Um eine Win-Win-Situation für beide Welten zu ermöglichen, steht die Vorbereitung beider Parteien auf eine mögliche Zusammenarbeit als essenzieller Faktor im Vordergrund. Für ein lebendiges Ökosystem ist zudem die Einbindung von Investoren und Wissenschaft unerlässlich.


Was hat es mit dem Namensbestandteil 5-HT auf sich?

F. Funke: 5-HT steht für 5-Hydroxytryptamin, der biochemischen Bezeichnung für Serotonin, dem allseits bekannten Neurotransmitter, der genau das tut, was der Digital Hub auch tut, nämlich kommunizieren und vernetzen. Außerdem haben wir mit 5-HT eine schöne kurze Domain und wer die Erklärung hört, vergisst sie auch meist nicht wieder. Was kann es Besseres für den Aufbau einer Marke geben?

Warum gibt es überhaupt einen bundesweit agierenden Digital Hub explizit für Chemie und Gesundheit?

F. Funke: Die beiden Branchen haben thematisch einige Überschneidungen, insbesondere im Bereich der Pharmazie. Daher macht es Sinn, diese zusammen zu betrachten. Warum überhaupt ein Schwerpunkt darauf liegt, ist einfach zu erklären. Die Digitalisierung hat zunächst den Consumer Bereich erfasst, greift aber zunehmend auf B2B über. Im Vergleich zu anderen Industrien steht die Chemieindustrie noch am Anfang, wenn es um die Umsetzung digitaler Lösungen geht. Zudem stellt die chemische Industrie eine der deutschen Schlüsselindustrien dar, weshalb ein entsprechender Digital Hub für diese Industrie nicht fehlen darf.

„Die Öffnung der Innovationsprozesse, um externes Wissen zu internalisieren,
findet in der Chemieindustrie. bisher nur in Ansätzen statt.“

Was sollte die chemische Industrie nach Ihrer Meinung tun, um besser in der Digitalisierung zu werden?

M. Majer: Jedes Unternehmen kann intern einiges tun. Vornehmlich gehören dazu ein positives Mindset für die Chancen und die Umsetzung digitaler Lösungen, zum Beispiel mithilfe einer Struktur, die kreative Ideen fördert, sei es von eigenen Mitarbeitern oder gezielt durch die Einbeziehung von Start-ups. Besonders in der Chemieindustrie ist das „Not-invented-here“-Syndrom noch stark verbreitet. Die Öffnung der Innovationsprozesse, um externes Wissen zu internalisieren, findet bisher nur in Ansätzen statt. Obwohl dies doch eine große Chance ist, um bspw. R&D Budgets zu entlasten. Dabei ist es aber nicht damit getan, punktuell mit wenigen Start-ups zu sprechen, sondern es müssen bei den traditionellen Chemiekonzernen organisatorische Prozesse neu angelegt werden. Das Anlegen eines Start-ups als Lieferant darf nicht drei Monate dauern. Denn in einer digitalen Welt bestimmt besonders die Geschwindigkeit über den Geschäftserfolg.

Wo liegen die Stärken des Digital Hubs? Oder: Wie kann der Digital Hub die Unternehmen unterstützen?

M. Majer: Der Wettlauf um die Vorherrschaft im digitalen Zeitalter wird nicht zwischen Regionen innerhalb Deutschlands entschieden, sondern auf globaler Ebene. Wir sind der festen Überzeugung, dass im globalen Wettbewerb einzelne Player im Markt nur durch strategische Kooperation langfristig erfolgreich bleiben. Die Zusammenarbeit der chemischen Industrie muss weitergehen. Oder hätten Sie vor fünf Jahren gedacht, dass die größten Wettbewerber im Premiumsegment der Automobilindustrie, BMW und Daimler, beim Thema Digitale Services zusammenarbeiten? 

Plattformen und Initiativen sind nur dann erfolgreich, wenn man es schafft, verschiedene und passende Akteure zusammenzubringen. Daher ist es das Ziel des Digital Hubs, die deutsche Chemieindustrie gegenüber der globalen „Start-up-Welt“ zu repräsentieren. Das ist unser Mandat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

F. Funke: Und hier liegt eine unserer Stärken. Wir kennen sowohl die Welt der Industrie als auch die der Start-ups. Das ermöglicht es uns, die Bedarfe beider Seiten zu verstehen und passende Partner zusammenzubringen. Durch unser Industrienetzwerk erhöht sich auch die Attraktivität für Start-ups. Der Digital Hub ist somit der Nährboden für digitale Innovationen in der chemischen Industrie: einerseits durch die Unterstützung der Bundesregierung und andererseits durch die enge Verzahnung mit führenden Chemieunternehmen.

Bei allen unseren Formaten und Tätigkeiten ist es uns wichtig, Kooperationen zwischen Start-ups und etablierten Playern zu initiieren, die inhaltlich zielgerichtet und auf eine längerfristige Zusammenarbeit ausgelegt sind. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir es in relativ kurzer Zeit geschafft haben, eine stetig steigende Zahl an Start-ups in unserem Netzwerk aufzunehmen – aktuell sind dies fast 60 Start-ups – wovon wir schon etliche erfolgreich an Corporates vermittelt haben.

 

„Plattformen und Initiativen sind nur dann erfolgreich, wenn man es schafft,
passende Akteure zusammenzubringen.“

 

 

Wie realisieren Sie den Austausch in Ihrem Netzwerk konkret?

F. Funke: Wir haben bereits erfolgreich einige Formate aufgebaut, die als Nukleus für die Zusammenarbeit der Chemie und Gesundheitsindus­trie dienen. Diese wollen wir weiterführen und ausweiten. Zum einen sind dies multilaterale Co-Development-Projekte, in denen Mitarbeiter unterschiedlicher Unternehmen an definierten digitalen Themen arbeiten und dabei aktiv von uns begleitet werden. Die Teams sitzen auch bei uns in den Co-Working Spaces. 

Aktuell laufen zwei Projekte. Unser Hauptevent für Start-ups ist der 5-HT X-linker, ein einwöchiges Start-up Bootcamp, das wir erstmals im Mai dieses Jahres durchgeführt haben. Der Batch 1 des X-linker war ein großer Erfolg.

M. Majer: Mit dem X-linker war es uns wichtig, ein kurzweiliges Programm anzubieten. Start-ups wollen in erster Linie Kontakt zu potenziellen Kunden sowie zu Investoren. Daher haben wir uns für die Variante eines viertägigen Bootcamps anstatt eines mehrwöchigen Accelerators entschieden. Ganz ohne Mentoring geht es aber auch nicht. Deshalb haben wir verschiedene individuelle Mentoring Sessions, um gut vorbereitete Start-ups beim Corporate Speed Dating am Finaltag auf ihre Zielgruppe, etablierte Player der Chemie- und Pharmaindustrie, „loszulassen“. 

Am Finaltag treffen die Start-ups auf Chemie- und Pharmaunternehmen und können individuell mögliche Kooperationsmöglichkeiten eruieren. Im Anschluss erfolgt ein Pitch Event vor über 150 Gästen, bestehend aus Investoren sowie der 5-HT Community. Nach Batch 1 kam es zu vielen Folgeaktivitäten bis hin zu Projekten, was in dem Ausmaß unsere Erwartungen übertroffen hat.
Durch den X-linker erhalten Start-ups Kontakt zur deutschen Chemie- und Pharmaindustrie, weshalb das Programm Start-ups aus dem In- und Ausland anzieht. Es steht sozusagen für den Ansatz des 5-HT Digital Hubs – den Aufbau eines internationalen Hotspots für Chemistry & Health Start-ups.

 

F. Funke: Zudem ist uns die Einbindung von Universitäten und Hochschulen wichtig, was wir mit unserem 5-HT Digital Qualifier-Programm bereits tun. Studierende bearbeiten hierbei im Rahmen eines Semesters reale Aufgabenstellungen von Corporates oder Start-ups und werden dabei von Mentoren aus dem Netzwerk unterstützt. Durch die Dauer von einem Semester besteht eine hohe Bindung zwischen Studierenden-Teams und Challenge-­Geber aus den Unternehmen sowie ausreichend Zeit, um erste Prototypen zu entwickeln.

Momentan betreuen wir drei Streams: mit der Hochschule Ludwigshafen, mit der Hochschule Fresenius Idstein und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Eine engere Verzahnung zwischen Corporates bzw. Start-ups und Forschung ist für alle Beteiligten wertvoll. Zudem soll das Format erste Gründungsbemühungen unterstützen. Denn perspektivisch können über die Beschäftigung mit realen Herausforderungen von Industrieunternehmen oder Start-ups auch neue Start-ups entstehen.

Nach einem Jahr Digital Hub, welche Schritte planen Sie für 2020?

M. Majer: Wir versuchen ein weiteres Projekt im Hub aufzubauen, wir werden den nächsten X-linker im Februar durchführen und wir werden mit mehr Hochschulen und Universitäten über weitere Ausprägungen des Digital Qualifiers sprechen. Zudem versuchen wir, unser Ökosystem auszuweiten. Um unsere Start-ups verstärkt bei ihrer Expansion zu unterstützen, etablieren wir ein Netzwerk internationaler Partnerhubs. Darüber hinaus sind wir in unterschiedlichen Aktivitäten des Digitalverbands Bitkom und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eingebunden.

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