Anlagenbau & Prozesstechnik

Korrosion vermeiden, bevor sie teuer wird

Einsatz von Simulation gegen Korrosionsprobleme

03.03.2020 - Dieser Beitrag veranschaulicht, wie hochgenaue 1D-, 2D- und 3D-Modelle zur Optimierung von Bauteilen und Prozessen beitragen können, um Korrosion zu minimieren.

Nahezu jede von Menschenhand geschaffene Struktur beinhaltet die Verwendung von Metallen, oft Nichtedelmetallen, die korrosionsanfällig sind. Die geschätzten weltweiten Kosten für korrosionsbedingte Schäden liegen bei etwa 2,5 Billionen Dollar. Ein geeigneter Korrosionsschutz könnte potenziell 15 – 55 % der Kosten dieser Schäden einsparen. Das Verständnis von Korrosion und Korrosionsschutz kann hierzu einen Beitrag leisten.
Mathematische Modellierung und Simulationen sind sehr effiziente Werkzeuge zum Verständnis von Korrosion und Korrosionsschutz. Ein validiertes hochgenaues Modell, das auf der Thermodynamik und den kinetischen Eigenschaften eines Systems basiert, kann darüber hinaus auch für Vorhersagen verwendet werden, um die Intuition zu festigen und Innovationen zu fördern.

Korrosion modellieren
Heterogene chemische Reaktionen bilden die Grundlage für die Modellierung von Korro­sionsprozessen. Oberflächenreaktionen, bei denen Korrosion auftritt, beinhalten eine Reduktions- und eine Oxidationsreaktion, bei der eine metallische Struktur mit einem Elektrolyten in Kontakt steht. Oxidation und Reduktion erfolgen dabei an zwei verschiedenen Stellen an der Oberfläche. Der Transport der Elektronen von der Oxidations- zur Reduktionsstelle erfolgt durch elektronische Leitung in der Metallstruktur. Der Kreislauf wird durch die elektrochemischen Reaktionen und den Stromtransport durch die Ionenleitung im Elektrolyten geschlossen. Die Oxidationsreaktionen finden an den anodischen Stellen statt, also dort, wohin die Anionen im Elektrolyten wandern. Die Reduktionsreaktionen finden an den kathodischen Stellen statt, also dort, wohin die Kationen im Elektrolyten wandern.
Das elektrische Potenzial und das Elektro­lytpotenzial können in Ort und Zeit variieren, ebenso wie die Zusammensetzung des Elektrolyten. Ein hochpräzises Korrosions- bzw. Korrosionsschutzmodell muss die Zusammensetzung des Elektrolyten sowie die Potenzial­verteilung im Metall und im Elektrolyten beschreiben können. Solche Modelle stellen den Fluss der geladenen Ionen im Elektrolyten, die Massenbilanz aller Spezies im Elektrolyten und die Elektroneutralität im Elektrolyten als Modellgleichungen dar. Die entsprechenden Ausdrücke für die elektrochemischen Reaktionen werden dann als Randbedingungen an den Metalloberflächen eingeführt.

Anodischer Schutz
Oxidschichten, die durch eine kontrollierte Oxidation einer Metalloberfläche gebildet werden, können das Metall vor weiterer Korrosion schützen. Anodischer Schutz klingt fast wie ein Widerspruch, da sich eine als Anode arbeitende Metalloberfläche meist auflöst. Beim Anodenschutz wird die Oxidschicht jedoch durch das anodische Potenzial stabilisiert und es wird nur eine sehr geringe Korrosionsstromdichte erreicht. Diese sehr geringe Stromdichte trägt tatsächlich zur Stabilisierung der schützenden Oxidschicht bei. Der Anodenschutz ist nicht sehr verbreitet, wird aber für extrem saure Umgebungen eingesetzt, z. B. für phosphorsäurehaltige Edelstahltanks und schwefelsäurehaltige Titanbehälter.
Die Modellierung des anodischen Schutzes ermöglicht es, die Potenzialverteilung auf der Oberfläche des zu schützenden Metalls zu untersuchen. Die Stromdichte an der Anode kann beim Passivierungsstrom (Randbedingung) konstant gehalten werden. Das Potenzial muss hoch genug sein, um im Passivierungsbereich zu liegen, aber die Variationen sollten klein genug sein, um die Reaktivierung zu vermeiden, die bei Potenzialen über dem Passivierungsfenster auftritt (Abb. 2). Die Modellgleichungen sind denen des kathodischen Schutzes sehr ähnlich, wobei die Passivierung analog zur Sauerstoffreduktion behandelt wird.

Kathodischer Schutz
Die gebräuchlichste Methode zum aktiven Schutz einer Metalloberfläche ist die kathodische Polarisation. Das Potenzial der Oberfläche wird so weit gesenkt, dass die Sauerstoffreduktion die einzige Reaktion (oder zumindest die Hauptreaktion) ist, die auf der kathodischen Oberfläche stattfindet. Die Sauerstoffreduktion bewirkt eine alkalische Umgebung an der geschützten Oberfläche und es kann sich eine Kalkschicht bilden. Diese Schicht schützt die Oberfläche zusätzlich und führt dazu, dass ein noch geringerer Schutzstrom benötigt wird.
Für den kathodischen Schutz gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Verfahren: Kathodischer Schutz mit Opferanoden und aktiver kathodischer Korrosionsschutz mit Fremdstrom (Impressed Cathodic Current Protection, ICCP).
Die Modellierung des kathodischen Schutzes mit Opferanoden erfolgt mit dem Ziel, die Anoden so zu positionieren, dass sich die gesamte zu schützende Metalloberfläche innerhalb des möglichen Fensters zur Sauerstoffreduktion befindet. Die Randbedingung ist eine konstante Stromdichte an der Kathodenoberfläche. Die resultierende Potenzialverteilung sollte innerhalb des Sauerstoffreduktionsfensters liegen. Wenn nicht, dann müssen die Opferanoden neu positioniert werden. Die Risiken großer Schwankungen des elektrochemischen Potenzials sind zweifach: Die Oberfläche kann dadurch mit unerwünschter Wasserstoffentwicklung übermäßig kathodisch polarisiert werden, oder die Oberfläche kann mit beschleunigter Korrosion ungeschützt sein. Die Entwicklung von Wasserstoff kann zur Wasserstoffversprödung von z. B. Stahlkonstruktionen führen.
Auch die Modellierung von ICCP ist der Modellierung von Systemen ohne externe Ströme sehr ähnlich. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Randbedingungen für das elektrische Potenzial unterschiedlich sind. Ein System ohne externe Ströme wird kurzgeschlossen, so dass das Potenzial an der Kontaktstelle zwischen den beiden Metallen identisch ist. Bei ICCP wird eine Potenzialdifferenz durch das externe Netzteil bereitgestellt. Auch in diesem Fall muss die Positionierung der Anoden so erfolgen, dass das kathodische Potenzial innerhalb des Sauerstoffreduktionsfensters liegt. Die Freiheit bei der Positionierung der Anoden ist jedoch größer. Darüber hinaus können andere Effekte wie Stromverbrauch und Überschutz an Bedeutung gewinnen.

Fazit
Modellierung und Simulation mit hochgenauen 1D-, 2D- und 3D-Modellen können zum Verständnis von Korrosion und Korrosionsschutzprozessen beitragen. Darüber hinaus kann dieses Verständnis genutzt werden, um Geräte und Schutzprozesse zur Korrosionsbekämpfung zu entwickeln. Der Vorteil von Modellierung und Simulation besteht darin, dass Verständnisgewinn, Design und Optimierung zu niedrigeren Kosten durchgeführt werden können, was im Vergleich zu rein empirisch basierten Designs sowie zu auf sehr vereinfachten Modellen basierenden Designs auch das Risiko für teure Neukonstruktionen und Reparaturen senkt.

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