Standorte & Services

Beratungsunternehmen empfiehlt mit organisationaler Resilienz dem Unvorhergesehenen zu begegnen

CMC² sieht bei den Chemiestandorten gute Voraussetzungen für hohe Widerstandsfähigkeit

15.06.2020 -

Die Coronakrise ist allgegenwärtig und wird die deutsche und globale Wirtschaft noch lange beschäftigen. Es ist wiedermal etwas Unvorhergesehenes, dem die Chemiestandorte weltweit von jetzt auf gleich begegnen müssen. Vorher waren es bereits handelspolitische Konflikte oder die Finanzkrise.

Bereits vor der Coronakrise wurden Schlagworte wie „Agilität“ oder „Anpassungsfähigkeit“ genutzt, um zu beschreiben, wie Chemiestandort-Organisationen auf sich schnell ändernde Rahmenbedingungen reagieren sollten. Das Konzept der organisationalen Resilienz beschreibt die Fähigkeit einer Organisation, in einem komplexen und dynamischen Umfeld einen Wandel vorauszusehen, zu überleben und daran zu wachsen. Resilienz bedeutet also auch, dazu fähig zu sein, Krisen als Chance für die Weiterentwicklung zu nutzen. Widerstandsfähigkeit bedeutet nicht, starr das Äußere abzuwehren.
In einer idealen Welt ist Resilienz schnell verstanden – das Unternehmen muss fit sein, eine gute Liquidität haben, flexible Mitarbeiter vertrauen notwendigen Arbeitssystemanpassungen wie die Kurzarbeit, Krisenstäbe reagieren umgehend und fahren eher auf Sicht als nach Plan, digitale Prozesse ermöglichen die Fernsteuerung von Anlagen und erlauben die tägliche Arbeit auch außerhalb des Standortes im Homeoffice, die Kunden sind verständlich und nutzen Online-Anfrage- und Bestell-Plattformen, der Betriebsrat unterstützt die Anpassung der Personalkosten an die schwächelnden Umsatzbereiche, die Führungskräfte reagieren entspannt, besonnen, intelligent und mensch-bezogen.

Die Chemiestandorte in Deutschland verarbeiten die Krise besonnen und professionell, gegenseitiges Verständnis erzeugt keinen hektischen Full-Stopp des Anlagen-Fahrens, die Ketten reißen nicht vollständig ab und auf unterausgelastetem Niveau finden die Geschäftsbeziehungen weiterhin statt. Diejenigen Geschäfte, welche auch vor der Krise kriselnde Absatzmärkte wie die Automotive-Industrie hatten, sind umso stärker betroffen. Projekte werden nicht vollständig gestoppt, teilweise sogar in die Krise gelegt, um Leerkapazitäten sinnvoll zu füllen oder Anlagen jetzt instand zu setzen. Diesen positiven Verlauf in dieser Zeit des Unvorhergesehen ist den zahlreichen beherzten Führungskräften in dieser Industrie zu verdanken – ein integriertes bewusstes Modell organisationaler Resilienz, wie in der idealen Welt, ist nicht zu unterstellen.

Zeichen dafür sind, dass Mitarbeiter den Chemiestandort bei der Warnstufe 3 verlassen und von zuhause arbeiten sollen – zuhause die IT- und TK-Umgebung jedoch überhaupt nicht vorbereitet ist. Ein automatisiertes Fahren ist ggf. in Entsorgungs- und Versorgungs-Infrastrukturen möglich, die restlichen Arbeiten in den Bereichen Instandsetzung, Engineering, Logistik, Analytik oder Facility Management sind nicht digitalisiert oder automatisiert. Die Kunden-Lieferanten-Verhältnisse sind nur begrenzt verständlicher, die eigene Liquidität steht im Vordergrund.
Im kurzfristigen Bereich können andere Industrien viel von den Chemiestandorten lernen – der Umgang mit Sicherheitsrisiken, der schnelle Einsatz von Krisenstäben und das flexible Reagieren auf die veränderten Kundenbedürfnisse ist von den Chemiestandort-Betreibern gekonnt. Im Mittelfristigen Bereich kann der Ausbau zur systematischen Organisationalen Resilienz einige Vorteile im Umgang mit Unvorhergesehenem bieten. Die Einordnung der Ansätze zum Aufbau Organisationaler Resilienz erfolgt über den „Unternehmensentwicklungs-Navigator“.
Er macht die Leistungsfähigkeit einer Chemiestandortservice-Organisation in zwölf Leistungsdimensionen sichtbar. Im Folgenden werden die einzelnen Dimensionen genutzt, um eine geeignete Aufstellung zur organisationalen Resilienz zu verdeutlichen.

1. Zukunft erfinden und ermöglichen

  • Strategie
    Zukunftsorientiertes Denken ist ein Element des strategischen Denkens und bedeutet deshalb vor allem, sich regelmäßig mit Trends und Szenarien auseinanderzusetzen. Es ist die Identifikation von (ggf. schwachen) Signalen zu möglichen Entwicklungen in der Zukunft.
    Natürlich können Chemieparks nicht solche schwachen Signale zur Covid-19-Pandemie wie in 2007 erkennen. Ende Dezember 2019, als die Atemwegserkrankung Covid-19 in Wuhan vermehrt auftrat, wäre der Zeitpunkt für eine Risiko­einschätzung möglich gewesen. Im Nachgang ist die Einordnung schwacher Signale immer einfach. Deutlich wird jedoch wie klein und fragil das globale System ist. Dennoch können sich die Chemiestandort-Betreiber und -Manager die Frage stellen, wie gut ihr Frühwarnsystem und unterjährige Strategiearbeit inklusive Risikoeinschätzung ist. Die Resilienz steigt in jedem Fall, wenn sowohl Frühwarn- wie Risiko-Management-Systeme installiert sind.
  • Führung
    Führungskräfte müssen sich in dieser Krise um sehr viele Dinge parallel kümmern und das Spannungsfeld zwischen sinkender Nachfrage, Arbeitsplatzverlusten, Zielerreichung und effektiver und ermutigender Mitarbeiterführung balancieren. Gleichzeitig sind sie auch im privaten Leben vielfach stärker durch das Betreuen von Kindern oder durch die psychische Belastung von erkrankten Angehörigen gefordert. Ein klassischer Command-and-Con­trol-Führungsstil erfasst die komplexe Situation nur schwer vollständig. Die Resilienz wird durch einen kooperativ-agilen Führungsstil ermöglicht. Dieser bringt den Mitarbeitern Offenheit und Vertrauen entgegen, fordert gleichzeitig mehr Selbstorganisation ein. Klare gemeinsam verabschiedete Zielvorgaben sind der Rahmen für die Mitarbeiter, damit die Führungskräfte Zeit und Geduld haben können, die rasanten Veränderungen schnell richtig einzuordnen.
  • Strukturen
    Die Organisationsstrukturen müssen Flexibilität in der Reaktion auf Außeneinflüsse und in der Weiterentwicklung bieten. Silo-Denken und partielle Optimierung haben in der Krise keinen Platz. Resiliente Strukturen ermöglichen Transparenz, aber auch Partizipation. Die sekundäre Organisation der Chemiepark-Unternehmen erhält einen höheren Stellenwert, Communities und Netzwerke müssen aktiv die Geschäfte und das Unvorhergesehene aufnehmen, besprechen, entscheiden. Hierarchische lange Wege sind eigentlich eh keine Lösung, in Krisenzeiten umso weniger.

2. Wert schöpfen & Bedürfnisse befriedigen

  • Finanzen
    Resiliente Chemiepark-Organisationen haben finanzielle Reserven aufgebaut. Eine dauerhafte Wertoptimierung, ausreichend Liquiditätsreserve und ein gutes Kostenbewusstsein zeichnen widerstandsfähige Chemiepark-Organisationen aus. Finanzielle Spielräume reduzieren die Anfälligkeit und ermöglichen kreative Reaktionsmöglichkeiten zum Halten des Erfolgsfaktor Nr. 1 – der Mitarbeiter. Allerdings sind resiliente Organisationen auch konsequent und trennen sich regelmäßig von nicht wertschöpfenden und wertschätzenden Mitarbeitern.
  • Prozess
    Das Funktionieren in der Krise sichert ein integriertes Prozessmodell. Es ist der Garant für Transparenz und der Sicherung von zu liefernden Outputs – intern wie extern. Prozesse, die im „Normalfall“ gut funktionieren, können in einer Ausnahmesituation – in der viele Mitarbeiter im Homeoffice sind und eine hohe Unsicherheit herrscht – die Grundfunktionalität des Chemiestandortbetreibers absichern. Zu erfolgskritischen Prozessen in unvorhergesehenen Situationen zählt Vorbereitung und Ausführung der Leistungserbringung als auch das Vertrauensmanagement zum Kunden.
  • Kunde
    Die Chemiestandortbetreiber erbringen häufig für ihren Kunden Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Dienstleistungen und sind für das Krisenmanagement am Chemiestandort verantwortlich. Aufgrund gesunkener Produktionsmengen kann es der ideale Zeitpunkt sein, einen Anlagenstillstand durchzuführen. Resiliente Chemieparkbetreiber bringen eine Orientierung am Kundenbedürfnis mit dem Schutz der eigenen und fremder Mitarbeiter in Einklang. Konzepte für Krisensituationen zur Sicherung der Lauffähigkeit der Anlagen aus Sicht der Ver- und Entsorgung, insbesondere IT-Infrastruktur und Erbringung von krisenrelevanten Dienstleistungen ist ein Muss für widerstandsfähige Chemiepark-Organisationen.

3. Lernen und Erneuern

  • Innovation
    Unternehmen, die es gewohnt sind „Out-of-the-Box“ zu Denken, werden auch in der Krise kreative Möglichkeiten finden, ihr Geschäft aufrecht zu erhalten. Ein innovativer Chemiestandort-Betreiber wird schneller auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können. Alternative Lieferkonzepte, da Lieferketten unterbrochen sind, oder sofortige Entwicklung von krisensicheren Sicherheits- und Gesundheits-Konzepten, helfen der Chemiestandort-Community bei der Bewältigung des Unvorhergesehenen.
  • Gestaltung
    Resiliente Unternehmen sind aktiv (und nicht nur reaktiv) in der Gestaltung ihrer Organisation. Diese Organisationen prüfen, welche Arbeitsmodelle wie Kurzarbeit in der aktuellen Situation gut funktionieren und die Widerstandsfähigkeit steigern. Manche Unternehmen werden die Krise auch als Chance nutzen, um Personal in zukünftig stärker benötigten Funktionen aufzubauen (z. B. Data Scientist, Digital Manager etc.). Projekte zur Weiterentwicklung der Organisation werden nicht gestoppt, sondern im Rahmen der Möglichkeiten fortgeführt, ggf. sogar dann gestartet, weil Freiräume bei den Mitarbeitern entstehen.
  • Lernen
    Lernen ist der zentrale Faktor resilienter Chemiestandorte, je schneller, desto besser. Chemieparks sind in ihrem Krisenmanagement professionell aufgestellt, die kurzen Reflexionszyklen waren für schnelle Lernprozesse sehr gut geeignet. Fraglich bleibt, ob die Notfallkonzepte alle einwandfrei funktioniert haben. Fehler für die nächste Krise zu identifizieren, um aus ihnen lernen zu können, ist für resiliente Organisationen eine Selbstverständlichkeit.

4. Kommunizieren und individuell entwickeln

  • Zusammenarbeit
    Eine widerstandsfähige Chemiepark-Organisation ist in der Lage, kurzfristig die Art der Zusammenarbeit anzupassen. Die Einschränkungen wie Kontaktverbot und die Notwendigkeit Kinder zu Hause zu betreuen, führten in wenigen Wochen zur flexiblen Homeoffice-Arbeit. Elektronische Medien wie Skype, Zoom, etc. und viele weitere Tools für die Online-Arbeit sind zur Selbstverständlichkeit geworden. Resiliente Chemieparkbetreiber fordern die weitere Flexibilisierung der Arbeitsweise, um auf Unvorhergesehenes reagieren zu können.
  • Individuum
    Resiliente Personen sind besonders widerstandsfähig und in der Lage, Krisen zu bewältigen und sich durch sie weiterzuentwickeln. Allerdings wird jeder in seinem Umfeld unterschiedlich stark durch die Krise beeinflusst und jeder geht unterschiedlich mit der Situation um. Chemiestandort-Betreiber können ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, Resilienzkompetenz zu stärken. Die Führung kann die individuelle Situation von Mitarbeitern berücksichtigen, Mitarbeiter trainieren sich mit Selbstachtsamkeit und Selbstorganisation und gemeinsam werden Maßnahmen zur Bewältigung der unvorhergesehenen Situation entwickelt.
  • Kultur
    Eine wesentliche Voraussetzung für diese dezentrale Zusammenarbeit ist eine offene Vertrauens- und Dialogkultur, die diese Flexibilität im Arbeiten ermöglicht. Eine gelebte Offenheit auf der persönlichen Ebene (um ein gegenseitiges Verständnis für die individuellen Situationen der Mitarbeiter zu erlangen) und Transparenz auf der Organisationsebene sind essentiell.

Fazit
Letztendlich wünscht sich jeder Einzelne und viele der Chemiestandort-Dienstleister eine starke Widerstandsfähigkeit zur Bewältigung des Unvorhergesehenen. Die Notwendigkeit wird immer dann so deutlich, wenn das Unvorhergesehene bereits am Chemiestandorttor steht. In Zeiten der für selbstverständlich empfundenen Planbarkeit kann die Resilienz erhöht werden – Nutzung digitaler Tools, flexible Arbeitszeit-/ort-Modelle, ein kooperativ-agiler Führungsstil, Notfallkonzepte zur Sicherung der Kundenbedürfnisse und stabile Kernprozesse. Der Umgang mit Unvorhergesehenem ist dann immer noch kein Selbstläufer, weil die nächste Krise anders ist, aber der Umgang damit wird professioneller.

Zur Person

Clara Hiemer hat einen Masterabschluss in Wirtschaftschemie und ist seit mehr als vier Jahren als Beraterin für  CMC² in der chemischen Industrie  tätig. Ihre Themenschwerpunkte sind u. a. Strategieentwicklung, Change Management, agiles Arbeiten, Lean Six Sigma und Projektmanagement.

Carsten Suntrop ist geschäftsführender Gesellschafter der CMC² GmbH. Er hat 25 Jahre Beratungserfahrung in der chemischen Indus­trie und hat an der Europäischen Fachhochschule (EUFH) in Brühl eine Professur für Unternehmensentwicklung und Organisationsperformance.