Strategie & Management

Statistik für Manager

Warum kritisches Hinterfragen von Analysen für Entscheider so wichtig ist

16.06.2020 - Unsicherheit ablegen: Statistik muss eine zentrale Fachkompetenz von Managern sein.

Personalführung, Kommunikation, Motivation, Strategie, Wirtschaftlichkeitsrechnung: in verantwortlicher Position muss man zusätzlich zur fachlichen Expertise über Wissen aus vielen anderen Fachgebieten verfügen – und dazu sollte auch Statistik gehören! Und auch hier gilt es, wie generell in Führungspositionen, Verantwortung zu übernehmen. Nur statistische Analyse schafft die Sicherheit einer evidenzbasierten Entscheidung, die Planbarkeit und Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Und das sind doch zentrale Aspekte von Leitungsaufgaben.

Wie bei der Herstellung eines Produktes hängt die Qualität und Zuverlässigkeit von Statistiken auch von Rohmaterial, Verarbeitung und Verpackung ab. All das gilt es zu organisieren, die Beschäftigung mit der Statistik selbst kann dann sogar zum Vergnügen werden.

Statistik, Digitalisierung, Industrie 4.0: eine Einordnung

Im Konzert der aktuellen Schlagworte kommt „Statistik“ etwas altbacken daher. Ich habe diesen Begriff absichtlich gewählt, denn die Statistik als Wissenschaft über den Umgang mit Unsicherheit blickt auf eine über 300-jährige Geschichte zurück. Viele, seit langem bekannte Analysekonzepte finden erst heute eine praktische Anwendung, da der Weg von der Theorie zur Anwendung oft weit ist. Die in neuerer Zeit häufiger verwendeten Begriffe Analytics, Data Mining, Artificial Intelligence, Predictive Modeling verbindet (abgesehen davon, dass alle Anglizismen sind), dass sie sich auf altbekannte statistische Theorien stützen.

Der wesentliche Rohstoff für Statistiken sind Daten. Hier kommt die Digitalisierung ins Spiel. Digitalisierung bedeutet im Kern nichts anderes als die Erstellung eines digitalen Bildes für jedes Produkt und jeden Prozess, sprich: die Daten darüber zu erfassen und zu speichern. Das ist natürlich in manchen Umgebungen einfacher als in anderen, aber praktizierbar ist es überall.

Ohne Digitalisierung und Statistik kann Industrie 4.0 nicht gelingen, allerdings sind noch viele weitere Komponenten erforderlich: das Internet of Things (IoT), Kommunikation, Sicherheit und Robotik sind einige Beispiele. Je nach Ziel sind unterschiedliche Schwerpunkte nötig, und das gilt auch für den Einsatz von Statistik.

Die Schwierigkeiten der Entscheidungsfindung

In einem früheren Artikel (Statistische Datenanalyse ist ein Schlüsselelement der industriellen Entwicklung, CHEManager 21/2017) habe ich die Aussage zitiert: „In God we trust, all others bring data“. Diese Maxime sollten sich Entscheider unbedingt zu eigen machen. Ohne eine solide Datenbasis wird ein Argument lediglich zur Behauptung. Wie oft habe ich in meiner Beratungspraxis gehört: „selbstverständlich ist das ein wichtiger Faktor, das wissen wir schon lange“. Bei genauerer Betrachtung hat sich aber herausgestellt, dass dieser Faktor wichtig ist, weil er das angestrebte Ergebnis zuverlässig verschlechtert. Ohne diesen Bearbeitungsschritt oder diese Zutat wäre das Ergebnis deutlich besser. Oftmals reichte eine einfache Grafik, um diesen Zusammenhang aufzuzeigen.

Viele Personen in leitenden Positionen betrachten den Umgang mit Daten als „Erbsenzählerei“ und möchten sich nicht damit auseinandersetzen. Wie in jedem anderen Herstellungsprozess braucht man auch für eine tragfähige Analyse viele Bearbeitungsschritte, man benötigt (Daten)Lieferanten und eine Qualitätssicherung. Mit all diesen Schritten muss sich ein Entscheider nicht im Einzelnen befassen, das kann delegiert werden; er muss aber in der Lage sein, die Resultate mit analytischer Schärfe beurteilen zu können.

Betrachten wir diese Tabelle:

Häufigkeit eines Todes durch Kreislauferkrankungen (pro 100.000)*

 

Männer

Frauen

Ostdeutschland

0,10

0,20

Westdeutschland

0,17

0,16

gesamt

0,16

0,17

* Bundesrepublik Deutschland 2018, Gesundheitsberichterstattung des Bundes

Wenn Sie eine Frau sind und in Ostdeutschland wohnen, ist die Wahrscheinlichkeit, an einer Kreislauferkrankung zu sterben, doppelt so hoch wie bei einem Mann. Wenn Sie als Frau in Westdeutschland leben, ist die Wahrscheinlichkeit eher gleich der eines Mannes. Gleiches gilt, wenn Sie als Frau irgendwo in Deutschland leben. Betrachtet man nur die Gesamtsituation, so wird man keine Unterschiede feststellen. Allerdings gibt es eine Untergruppe, für die gravierende Unterschiede vorliegen. Man muss also sorgfältig abwägen, mit welcher Granularität eines Problems man sich befassen sollte.

Wenn klare Verhältnisse oder Bedingungen herrschen, fallen Entscheidungen leicht. Schwieriger ist es, wenn die Unwägbarkeiten groß sind und das Feld der Handlungsoptionen weit gesteckt ist. Hier erweist sich Datenanalyse als ein zuverlässiges Hilfsmittel.

Statistik ist im Kern die Wissenschaft von der Streuung, einem mathematischen Begriff für Unsicherheit. Mit Unsicherheit umzugehen ist schwierig, insbesondere wenn mehrere Quellen für Unsicherheit vorliegen und sich gegenseitig beeinflussen. Da sehnt man sich nach Klarheit, nach einem Maßstab, der eine Entscheidung leicht macht. Statistik kann hier tatsächlich helfen.

Sie haben sicher schon den Begriff der „Signifikanz“ gehört. Wenn ein Wert signifikant ist, dann ist er zuverlässig. Aber was bedeutet Signifikanz? Sie bezeichnet eine Fehlerwahrscheinlichkeit: die Wahrscheinlichkeit, einen Unterschied, einen Einfluss, einen Effekt anzunehmen, der in Wirklichkeit gar nicht existiert. Fehler möchte man natürlich gering halten, und deshalb ist bei Signifikanzen auch immer von Werten im niedrigen Prozentbereich die Rede. Oftmals wird das Signifikanzniveau nicht explizit genannt, in den meisten Fällen ist wohl davon auszugehen, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit unter 5 % liegt.

Aber welche Konsequenz erwächst daraus? Wenn versprochen wird, dass 5% aller Teilnehmer an einer Betriebsversammlung einen Euro geschenkt bekommen, wird das keinen dorthin locken. Wenn aber von denen, die kommen, garantiert 5% nicht entlassen werden, dann wird das den Saal füllen.
Was man als signifikant betrachtet, sollte von den Konsequenzen der daraus abgeleiteten Entscheidung abhängen: Verpasse ich eine Gelegenheit? Riskiere ich eine Konventionalstrafe? Verzögert sich die Entwicklung eines neuen Produkts?

Sie wissen genau, was es bedeutet, wenn der Wetterbericht für den nächsten Tag eine Regenwahrscheinlichkeit von 30 % vorhersagt? Schreiben Sie mir eine kurze Email (s. u.), ich sage Ihnen dann, ob Sie richtig liegen.

Es ist nicht notwendig zu wissen, wie eine bestimmte Statistik berechnet wird – dafür kann man sich auf professionelle Software verlassen; über ihre Bedeutung und Interpretierbarkeit sollte man sich aber sehr wohl im Klaren sein.

Versuchsplanung: Effizienz als Methode

Sie kennen diesen Ablauf: Sie fragen den Projektleiter, wie lange er zur Entwicklung einer bestimmten Lösung braucht. Die Antwort: „erfahrungsgemäß x Wochen“. Zu Beginn der x-ten Woche fragen Sie nach, die Antwort diesmal: „Da ist etwas Unvorhergesehenes passiert, aber wir wissen schon, was wir ändern müssen, nur noch zwei Versuche, in 14 Tagen wissen wir Bescheid“. Zwei Wochen später: „Ja, wir haben jetzt alles im Griff, aber wir sehen noch starke Schwankungen, wir müssen noch zusehen, dass wir zuverlässig gute Ergebnisse erzielen.“ Und so geht das weiter. Am Ende kommt ein brauchbares Ergebnis zustande, aber viel später als angesagt, und es bleibt der nagende Zweifel, ob man überhaupt in der Nähe eines optimalen Ergebnisses gelandet ist.

Managementaufgaben

Eine Unternehmenseinheit zu leiten bedeutet im Wesentlichen, deren Abläufe zu orchestrieren, die entsprechenden technischen Voraussetzungen zu schaffen, das Personal zu entwickeln, Möglichkeiten und Ziele in Einklang zu bringen. Fachkenntnis schadet sicher nicht, aber man kann nicht verlangen, dass eine Führungskraft alle technischen Details innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs selbst kennt. Das gilt auch für die Datenanalyse.

Entscheidungsrelevante Kenntnisse sollte man schon besitzen; darüber hinaus gilt es, ein analytisches Vorgehen in seinem Bereich zu verankern. Digitalisierung bedeutet, alle Vorgänge und Ergebnisse elektronisch zu erfassen. Daraus Vorteile zu ziehen ist aber nur möglich, wenn diese Daten den Mitarbeitern auch zur Verfügung stehen. Dies zu organisieren wäre die nächstliegende Aufgabe. Aus den Daten muss man zudem Schlüsse ziehen können, wozu entsprechende Software und Ausbildung erforderlich sind (und Excel ist in diesem Fall nicht die Lösung, sondern Teil des Problems). Außerdem muss man dazu übergehen, Entscheidungen auf Basis der erarbeiteten Analysen zu treffen. Dazu ist Führung durch Vorbild erforderlich.

Hierfür muss man glücklicherweise nicht den gesamten Zuständigkeitsbereich reorganisieren. Ein einheitliches, umfassendes Konzept ist von Vorteil, aber wenn man darauf wartet, erlebt man die Umsetzung möglicherweise nie. Der Charme der skizzierten Techniken besteht nicht zuletzt darin, dass auch ein schrittweises Vorgehen schnell zu Erfolgen führt. Suchen Sie nach „best practices“, beginnen Sie mit einem seit Langem bestehenden Problem oder der gerade drängendsten Aufgabe. Machen Sie große Pläne, aber fangen Sie klein an – und ganz wichtig: Fangen Sie einfach an.

Analytics ist sicherlich auch ein Modethema. In meiner langjährigen Berufserfahrung habe ich aber immer wieder gesehen, wie auch kleine Projekte unmittelbaren Gewinn abgeworfen haben. Entscheidungssicherheit und Planbarkeit sind schließlich zentrale Erfolgskriterien in der Leitung von Unternehmenseinheiten.

Am 30. Juni 2020 um 11:00 Uhr (MEZ) findet ein kostenloses Webinar statt, in dem Bernd Heinen erläutert, warum kritisches Hinterfragen von Analysen für Entscheider so wichtig ist. Unter bit.ly/Statistik-Entscheider finden Sie ausführlichere Informationen und können sich für das Webinar registrieren.

 

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