Strategie & Management

Lösungen für die Wasserstoffspeicherung und -logistik

Interview mit Daniel Teichmann, Gründer und CEO von Hydrogenious LOHC Technologies

12.08.2020 - Hydrogenious LOHC Technologies konnte als einer der Finalisten des Achema-Gründerpreises 2015 in der Sparte Energie die Expertenjury überzeugen und glänzte auch bei weiteren Wettbewerben.

Das 2013 in Erlangen gegründete Unternehmen hat eine Technologie zur sicheren Speicherung von Wasserstoff in einem flüssigen organischen Trägermedium (Liquid Organic Hydrogen Carrier - LOHC) entwickelt. In letzter Zeit ist das Interesse von Politik und Gesellschaft an Wasserstoff als Speichermedium für regenerativ erzeugte Energie gestiegen. Dies zeigt sich u.a. in der erst kürzlich vom Bundeskabinett beschlossenen Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS). Birgit Megges befragte den Gründer und CEO von Hydrogenious, Daniel Teichmann, zum aktuellen Entwicklungsstand, der Wachstumsstrategie und den künftigen Zielen des Unternehmens.

CHEManager: Hydrogenious hat sich durch mehrere Innovationswettbewerbe einer breiten Zielgruppe präsentiert. Welche Rolle spielten diese Teilnahmen für Ihre Startphase?

Daniel Teichmann: Ich denke, ein öffentlichkeitswirksamer Preis, ein technologischer Meilenstein oder die Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern und Investoren - all das sind neben dem unermüdlichen Einsatz unserer Mitarbeiter Bausteine einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung. Auszeichnungen und Nominierungen bestärken uns darin, dass wir als Unternehmen auf dem richtigen Weg sind, eine nachhaltige, auf Wasserstoff basierte Zukunft zu verwirklichen.

Die verschiedenen Auszeichnungen wie beispielsweise der Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft oder unsere Nominierung für den Deutschen Zukunftspreis haben sicherlich dazu beigetragen, dass wir von einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Solche Auszeichnungen sind extrem wichtig. Sie zeigen, dass hinter einer Idee ein konkretes Projekt steht und steigern das Vertrauen von potenziellen Partnern und Investoren. Ich würde das als wichtige Meilensteine in der mittlerweile nicht mehr so ganz kurzen Geschichte von Hydrogenious LOHC Technologies sehen.

Nehmen Sie uns doch einmal mit zurück in die Zeit, als Ihre Idee Formen annahm. Was waren die wichtigsten Stationen von damals bis heute?

D. Teichmann: Alles begann mit meiner Doktorarbeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, angestellt war ich während dieser Zeit bei der BMW- Forschung und Technik. Ich war sofort davon überzeugt, dass die LOHC-Technologie das Potenzial hat, nicht nur den Umgang mit Wasserstoff zu revolutionieren, sondern auch auf dem Markt erfolgreich zu sein. Zusammen mit den Professoren Wasserscheid, Arlt und Schlücker entschloss ich mich im Januar 2013, ein Unternehmen zu gründen, das die LOHC-Technologie vermarkten und weiterentwickeln sollte.

Seit diesem Tag ist viel passiert: Es gab vielfache Auszeichnungen, es gelang uns bereits 2014, mit AP Ventures einen großen Investor zu gewinnen, und im vergangenen Jahr konnten wir eine große Finanzierungsrunde mit über 20 Mio. EUR stemmen. Dabei haben Unternehmen wie Vopak, Covestro, Mitsubishi und Winkelmann investiert. Erst kürzlich haben wir zudem Hyundai als strategischen Partner und Investor gewonnen.

Diese Investments haben die Technologieentwicklung ermöglicht und nicht zuletzt die Auslieferung erster Anlagen, wie 2016 an das Fraunhofer-Institut in Stuttgart und 2017 die ersten voll kommerziellen Anlagen in die USA. In den nächsten Monaten steht die Fertigstellung von Anlagen für zwei Tankstellen an. Wir wollen über LOHC eine Wasserstofftankstelle in Erlangen beliefern. Die zweite Tankstelle wird in Finnland stationiert und ist Teil von HySTOC, eines länderübergreifenden europäischen Projekts.

Wie funktioniert die LOHC-Technologie zur Wasserstoffspeicherung, welche Trägermedien verwenden Sie?

D. Teichmann: Wasserstoff wird in einem chemischen Prozess an ein flüssiges Trägermaterial gebunden. Diese Träger nennt man auch Liquid Organic Hydrogen Carrier, kurz LOHC. Wir verwenden die Wärmeträgeröle Dibenzytoluol und Benzyltoluol.

 

„Das LOHC kann in einem Kreislauf
mehrere hunderte Male be- und entladen werden.“

 

Das LOHC kann in einem Kreislauf mehrere hunderte Male be- und entladen werden. Man kann sich das LOHC wie eine flüssige Wasserstoffpfandflasche oder Wasserstoffbatterie vorstellen. Ist die maximale Zyklenzahl erreicht, kann das Öl wieder aufgearbeitet werden. Somit sind eine nachhaltige Wasserstoffspeicherung und ein nachhaltiger Wasserstofftransport garantiert.

Ihre Entwicklungen befassen sich nicht nur mit der Energiespeicherung, sondern auch mit der Wasserstofflogistik. Wie bewerten Sie hier die Marktbedürfnisse?

D. Teichmann: Bei der Umstellung unserer Gesellschaft und Wirtschaft auf erneuerbare Energien kommt Wasserstoff eine Schlüsselrolle als Energieträger zu. So wie wir für heutige Energieträger ein Verteilernetz aufgebaut haben, wird dies in Zukunft auch für grün erzeugten Wasserstoff auf globaler Ebene nötig werden.

Es ist sinnvoll, den Wasserstoff in Ländern zu produzieren, in denen dieser günstig hergestellt werden kann. Grüner Wasserstoff wird in Zukunft dort erzeugt werden, wo grüne Energie im Überfluss vorhanden ist; im globalen Süden mit Sonnenenergie oder in windreichen Gegenden wie der Nordsee mit Windkraft. Von dort muss der Wasserstoff zum Abnehmer transportiert werden. Bisher wird Wasserstoff in großen Mengen in der chemischen Industrie eingesetzt. Doch die Neuausrichtung auf alternative Energieträger eröffnet zusehends neue Wasserstoffmärkte. In der Stahlindustrie und der Zementindustrie, aber vor allem in der Mobilität wird der Wasserstoffbedarf in den nächsten Jahren um ein Vielfaches ansteigen.

Jüngst wurde auch im Kontext der Nationalen Wasserstoffstrategie der Import von Wasserstoff und damit die Notwendigkeit einer Wasserstofflogistik betont. Unsere Technologie bietet für diese mitunter sehr langen Transportwege die perfekte Lösung, da Wasserstoff durch die LOHC-Technologie effizient transportiert werden kann. Dafür muss nicht einmal ein neues Verteilernetz aufgebaut werden: In der Infrastruktur für herkömmliche Kraftstoffe lässt sich der Wasserstoff im beladenen LOHC in großen Mengen leicht und sicher speichern und transportieren.

Was macht Sie so sicher, dass Wasserstoff im Zuge der Energiewende entscheidend zum Aufbau eines erneuerbaren und emissionsfreien Energiesystems beitragen wird?

D. Teichmann: Windparks und Solaranlagen der hochindustrialisierten Länder werden für die Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien nicht ausreichen. Der Import dieser Energien wird zu einem großen Teil über den Energieträger Wasserstoff stattfinden. Dieser bringt – anders als elektrischer Strom – auch eine Pufferfunktion mit und ermöglicht damit eine Speicherung der fluktuierend anfallenden regenerativen Energie.

Für die Dekarbonisierung unserer Mobilität reicht die Batterie als Energiespeicher nicht aus. Diese wird aus meiner Sicht primär in kleineren Fahrzeugen im städtischen Bereich zum Einsatz kommen. Für lange Strecken und große Fahrzeuge, beispielsweise im Fernverkehr oder im Gütertransport, wären die Batterien einfach zu groß, zu schwer und bei der Beladung zu unflexibel. Ich bin überzeugt davon, dass hier Wasserstoffantriebe die sinnvolle Alternative sind.

Ein drittes Argument, das für Wasserstoff als Energieträger der Zukunft spricht, sind die massiven CO2-Einsparungen, die wir in der Industrie leisten müssen. Ein großer Teil der Emissionen wird beispielsweise in der Stahlindustrie ausgestoßen. Gleichwohl sind diese Industrien nur begrenzt „elektrifizierbar“ und damit fällt eine Dekarbonisierung bisher sehr schwer. Hier kann Wasserstoff als CO2-freier Energieträger Kohle und andere fossile Energieträger ersetzen.

Die nötige Sektorenkopplung für die Energiewende zwischen den grünen Energieerzeugern, der Mobilität und der Industrie können wir am einfachsten über Wasserstoff im globalen Maßstab in den nächsten Jahren sicherstellen.

Sie konnten in den letzten Jahren etliche Investoren und Kooperationspartner gewinnen. Wie investieren Sie das Kapital und woran arbeiten Sie im Rahmen der Kooperationen?

D. Teichmann: Zusammen mit unseren Partnern arbeiten wir in erster Linie an der Etablierung unserer Technologie auf dem globalen Markt. Unser Fokus liegt auf einem großvolumigen und effizienten Wasserstofftransport. Daher betreffen unsere weiteren Schritte die Industrialisierung unserer Technologie. Hier arbeiten wir mit unseren Partnern, beispielsweise Clariant, Frames und MAN SE, zusammen und entwickeln große Anlagen, mit denen mehrere Tonnen Wasserstoff pro Tag gespeichert beziehungsweise freigesetzt werden können.

 

„Unser Fokus liegt
auf einem großvolumigen
und effizienten Wasserstofftransport.“

 

Wir werden weiter daran arbeiten, dass unsere Technologie im Bereich des Wasserstofftransports zu einer unverzichtbaren Größe wird. Vor allem in energieintensiven Sektoren und im Wasserstoffimport liegt für uns die große Chance, mit einer flexiblen und kostengünstigen Lieferkette den Wasserstofftransport zu revolutionieren.  

Wie sehen die nächsten Entwicklungsschritte aus, wann rechnen Sie mit weiteren Durchbrüchen?

D. Teichmann: Wie beschrieben, ist der nächste große Schritt die Skalierung der Technologie für den großvolumigen Einsatz. Umgesetzt wird diese Strategie in den nächsten zwei bis drei Jahren auch auf Basis EU-weiter Vorhaben. Hier sind wir mit unserer Schlüsseltechnologie in gleich mehreren Projekten eingebunden. Im Projekt Green Crane steht etwa der Wasserstofftransport von Spanien nach Zentraleuropa im Mittelpunkt. Im Projekt Blue Danube soll Wasserstoff, der in Bulgarien und Rumänien per Windkraft produziert wurde, im LOHC gespeichert und über die Donau zu Abnehmern in Österreich und Deutschland transportiert werden.

Neben dieser eher strategischen Ausrichtung entwickeln wir natürlich unsere Technologie weiter und erschließen neue Märkte. Wir arbeiten parallel an On-Board-LOHC-Lösungen für Züge und Schiffe. Hier rechnen wir mit Durchbrüchen in den nächsten fünf Jahren.

Wie beurteilen Sie die Nationale Wasserstoffstrategie und was erwarten Sie noch von der Politik, um das Potenzial von Wasserstoff zu fördern?

D. Teichmann: In der Summe halte ich die Wasserstoffstrategie für ein sehr gelungenes Werk. Die Bundesregierung hat richtig erkannt, dass Wasserstoff für die Dekarbonisierung gerade in einem hochindustrialisierten Land wie Deutschland unabdingbar ist.

Die Wasserstoffstrategie erkennt außerdem – wie ich finde völlig berechtigt – an, dass Deutschland auch in einem regenerativen Energiesystem ein Netto-Importeur von Energie bleiben wird und sich nicht sinnvoll selbst versorgen kann. Wir müssen also in Zukunft regenerativen Wasserstoff importieren, genauso wie wir in der Vergangenheit Öl und Gas importiert haben. Allerdings wird der Energieträger der Zukunft nicht mehr nur aus einigen wenigen Ölförderländern kommen, sondern auch einer Vielzahl von Regionen mit besonders gutem Angebot an Sonnen- und Windenergie. Es wird also eine Verbreiterung der Angebotsseite stattfinden. Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer LOHC-Technologie entscheidend dazu beitragen werden, dass eine effiziente und umweltfreundliche Wasserstoffinfrastruktur hierzulande aufgebaut und ein großvolumiger Wasserstoffimport möglich wird.

Was jetzt passieren muss, ist die konsequente Umsetzung der Wasserstoffstrategie in ihrer Gesamtheit. Der proklamierte Führungsanspruch von Deutschland und Europa im Bereich der Wasserstofftechnologien muss mit Leben gefüllt werden, also konkret mit regulatorischen Maßnahmen, Gesetzen, Förderinstrumenten und echter europäischer Zusammenarbeit zum Aufbau der Lieferketten. Die Nationale Wasserstoffstrategie gibt in überzeugender Art und Weise die Richtung vor, nun braucht es Ausdauer und Beharrungsvermögen auf Seiten der Politik, um den Weg zu gehen.

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Hydrogenious LOHC Technologies

Weidenweg 13
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Germany

+49 (0)9131-12640-0