Chemie & Life Sciences

Katalysatoren für eine grünere Chemie

Sind Gold und Ruthenium die kommenden Stars der heterogenen Katalyse?

09.12.2020 - Gold und Ruthenium werden interessanter für großvolumige Anwendungen

Durch die stetige Erweiterung des Rohmaterialportfolios – weg von fossilen Quellen hin zu nachwachsenden Rohstoffen - vergrößert sich die Varianz an Rohstoffquellen erheblich. Aus diesem Trend resultiert ein steigender Druck auf die Entwicklung neuer Katalysatoren zur effektiven Verarbeitung dieser Rohstoffe. Zusätzlich zur größeren Anzahl sind nachwachsende Rohstoffe auch deutlich variantenreicher als Erdöl, Erdgas und Co. Dies wiederum sorgt dafür, dass auch Metalle, die bisher eher in Nischen Anwendung gefunden haben, aufgrund ihrer spezifischen Charakteristika immer interessanter für großvolumige Anwendungen werden. Zwei prominente Beispiele sind Gold und Ruthenium.

Gold wird heutzutage in zwei Prozessen großtechnisch als aktive katalytische Komponente eingesetzt: in der Synthese von Vinylacetat und der Herstellung von Methylmeth­acrylat. Weiterhin ist als Alternative zum HgCl2 ein Goldkatalysator für die Herstellung von Vinylchlorid-Monomer kommerziell verfügbar (bis 2022 muss die Vinylchlorid-Monomer Herstellung weltweit auf einen Quecksilber-freien Katalysator umgestellt sein).

Beim Blick auf die Fundamentaldaten fällt auf, dass Gold deutliche Vorteile gegenüber den klassischen Metallen der Edelmetallkatalyse wie Platin, Palladium und Rhodium zu haben scheint. So ist seine Fördermenge signifikant höher als die von Platin, Palladium und Rhodium zusammen und seine Vorkommen sind deutlich stärker über die gesamte Erde verteilt. Dies sollte zunächst ein Garant für eine größere Preisstabilität und Verfügbarkeit als bei den Platingruppenmetallen, wie z. B. dem sehr volatilen Rhodium, sein

Potenzial von Gold als Katalysator
Der Grund, warum sich Gold als Katalysator dennoch nur für wenige Reaktionen durchgesetzt hat, ist vermutlich in seiner komplexen Chemie zu finden. So muss einiges an Aufwand hinsichtlich der Optimierung betrieben werden, um einen Goldkatalysator mit vorteilhaften Eigenschaften zu erzeugen.

„Gold kann ein breites Spektrum
an Redoxreaktionen abdecken.“


Im Zusammenhang mit Applikationen im Umfeld der Umwandlung von Biomasse ist festzuhalten, dass Gold ein breites Spektrum an Redoxreaktionen abdecken kann. Seine katalytischen Eigenschaften werden maßgeblich durch seine Partikelgröße auf der Oberfläche eines heterogenen Katalysators determiniert. Diese lässt sich am einfachsten durch die geeignete Wahl des Trägermaterials einstellen. Hier ist es bei Gold häufig notwendig, Metalloxide außerhalb der klassischen Aluminiumoxide, Siliziumoxide oder Alumosilikate zu wählen, wie z.B. TiO2 oder MgO. Außerdem kommt, wie auch bei den Platingruppenmetallen, Kohle als Träger in Frage. Eine allgemeingültige Aussage, welcher Träger am geeignetsten ist, lässt sich nicht treffen, sondern dieser muss für jeden Anwendungsfall optimiert werden. Letzteres erfordert eine variable Produktionsstruktur, um den speziellen Anforderungen einer jeden Rezeptur gerecht werden zu können.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass Gold trotz seiner komplexen Chemie ein hohes Potenzial hat, sowohl in bestehenden als auch in neuen Applikationen stärkere Berücksichtigung zu finden. Ein gutes Indiz hierfür sind die verstärkten Aktivitäten auf diesem Gebiet im Bereich Forschung und Entwicklung in den letzten 15 Jahren.

Katalytische Fähigkeiten von Ruthenium
Ein noch höheres Potenzial als Gold hat Ruthenium, das bislang zumeist in Hydrierung von Zuckern Einsatz gefunden hat und für eine mögliche Anwendung in der Fischer-Tropsch-Reaktion gehandelt wurde, sich aber schlussendlich nicht gegen Eisen- und Kobalt-Katalysatoren durchsetzen konnte.
Im Umfeld der Biomasse-Umsetzung findet Ruthenium vor allem bei der Ringöffnungshydrierung sowie Ringöffnung von Heterozyklen Anwendung. Da Biomasse häufig sowohl viele Kohlenstoffringeinheiten als auch viele Heteroatome (vornehmlich Sauerstoff und Stickstoff) enthält, werden Rutheniumkatalysatoren in Biomasse basierten Wertschöpfungsketten eine entscheidende Rolle spielen.

Wertschöpfungsketten, bei denen Ruthenium-basierte Katalysatoren heute schon Verwendung finden, sind die Herstellung PEF (Polyethylen-2,5-furandicarboxylat) und PTF (Polytrimethylen-2,5-furandicarboxylat) aus Fruktose via 5-HMF (Hydroxymethylfurfural), die Herstellung von Kraftstoffen und Chemikalien ebenfalls aus Fruktose, allerdings via Lävulinsäure, die Umsetzung von Lignocellulose zu Ethylenglycol oder die Hydrierung von Bio-Öl zur Herstellung von Kraftstoffen.

Ruthenium könnte eine attraktive,
grüne Alternative darstellen“.


Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass Ruthenium von allen typischen katalytisch aktiven Metallen das „grünste“ ist. Dies kann insbesondere vor dem Hintergrund von stetig wachsenden gesetzlichen Anforderungen wie auch Compliance-Zielen dazu führen, dass auch für etablierte Prozesse eine Neubewertung der Katalysatoroptionen stattfindet, wobei Ruthenium eine attraktive, grüne Alternative darstellen könnte. Da Ruthenium aus Sekundär- im Vergleich zu Primärquellen einen um mehr als 70 % besseren ökologischen Fußabdruck aufweist, ist ein integrierter Recyclingloop entscheidend, um das Potenzial hinsichtlich seiner Nachhaltigkeit vollständig zu heben. Weiterhin wird für den großflächigen Einsatz von Ruthenium-basierten Katalysatoren entscheidend sein, direkte Drop-in-Lösung zu entwickeln, die in existierenden Produktionseinheiten ohne Brown-Field- oder gar Green-Field-Investitionen einen Mehrwert liefern.

Fazit
Aufgrund der stetig wachsenden Anforderung hinsichtlich neuer biobasierter Feedstocks, aber auch der Neubewertung von bestehenden Prozessen hinsichtlich Ihrer Nachhaltigkeit, werden neben Platin, Palladium und Rhodium vermehrt andere Edelmetalle in der heterogenen Katalyse zum Einsatz kommen. Die beiden Metalle, denen aufgrund ihrer vielseitigen Eigenschaften die größten Chancen zukommen, sind Gold und Ruthenium.

Robin Kolvenbach, Head of Innovation Chemicals & Product Chemicals, Heraeus Precious Metals, Hanau

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ZUR PERSON
Robin Kolvenbach, Jahrgang 1985, studierte Chemie an der TU München und promovierte dort 2014. Von 2014 bis 2018 war er bei Alantum in verschiedenen Managementfunktionen tätig. Seit 2018 ist er bei Heraeus, aktuell als Leiter der Innovation und des Produktmanagements für den Bereich Edelmetallchemikalien tätig.

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