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Ist das kalte Membranverfahren der neue Weg zu WFI?

11.01.2021 - Trinkwasser ist die Grundlage allen Lebens – und spielt eine wichtige Rolle in der Herstellung von Wasser für Injektion (WFI), das wiederum für sämtliche injizierten Pharmazeutika ausschlaggebend ist.

Entsprechendes Gewicht hat auch die Revision der WFI Monografie 0169 der Europäischen Pharmakopöe von 2017, die man verfahrenstechnisch durchaus als „kleine Revolution“ bezeichnen kann. Denn seither darf WFI auch in Europa mittels kaltem Membranverfahren hergestellt werden. Ein gutes Signal auch für die Nachhaltigkeit: Das Verfahren ist ökologisch und ökonomisch effizienter als die Destillation.

Ehe Trinkwasser für pharmazeutische Zwecke eingesetzt werden kann, muss es von Inhaltsstoffen befreit werden. Die internationalen Pharmakopöen unterscheiden zwischen zwei Stufen pharmazeutischen Wassers: Purified Water (PW) und Water for Injection (WFI). Während PW meist als Reinigungsmittel oder als Ausgangsstoff für weitere Aufbereitungsschritte von Pharmawasser oder Reinstdampf eingesetzt wird, ist WFI zur Herstellung von Injektions- und Infusionslösungen für die parenterale Anwendung bestimmt. Die Grenzwerte und geeigneten Herstellungsverfahren werden in den unterschiedlichen Pharmakopöen beschrieben.

 

Eine verfahrenstechnische Adaption
Bis 2017 unterschieden sich die europäischen Vorgaben maßgeblich von vergleichbaren Pharmakopöen, bspw. in den USA oder Japan: Für die Herstellung von WFI war in der EU bis dahin die Destillation als einziges Verfahren erlaubt. Seit Inkrafttreten der Revision der WFI Monografie 0169 der Europäischen Pharmakopöe am 1. April 2017 sind auch der Destillation gleichwertige Methoden in Europa zulässig, wie etwa die „kalten“ Membranverfahren Umkehrosmose und Elektrodeionisation in Kombination mit einer zusätzlichen Ultrafiltrationsstufe. Auch die WHO nennt im April 2020 Membranverfahren als geeignete Methode zur Herstellung von WFI (www.who.int/publications/i/item/978-92-4-000182-4).

Die Europäische Pharmakopöe definiert die Grenzen für PW und WFI mit sehr dedizierten Parametern wie Leitfähigkeit, gelöste organische Stoffe (total organic carbon, TOC), Nitrate, Endotoxine und aerobe Bakterien. Die Quelle für alle diese potenziellen Verunreinigungen liegt im Trinkwasser.

Selbstverständlich werden neue Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung dieser Grenzwerte besonders bewertet. Doch obwohl sich Behörden wie bspw. die EMA, die WHO sowie Fachorganisationen wie ISPE ausführlich mit dem Thema beschäftigen und Richtlinien veröffentlichen, existieren bislang noch keine detaillierten, abgestimmten Regularien oder Empfehlungen für einen einheitlichen Produktionsprozess.

Ökologie und Ökonomie vereint
Veränderungen in der Pharmabranche brauchen naturgemäß Zeit – schließlich geht es um die Sicherheit von Patienten. Aktuell testen und qualifizieren Pharmaunternehmen unterschiedliche Membranverfahren. Liefern diese Pilotprojekte stabile und kosteneffiziente Ergebnisse, sollte einer verbreiteten Anwendung nichts mehr im Weg stehen. Denn kalte Membranverfahren sind im Vergleich zur Destillation wirtschaftlich und ökologisch effizienter, da sowohl die benötigten zusätzlichen Anlagen als auch die Energieaufwände zur Erzeugung von Heizdampf und die damit verbundenen Kosten entfallen.

In einem Punkt sind sich auf jeden Fall alle einig: Es braucht einen risikobasierten Ansatz bei Anlagenplanung und Betrieb. Die Entscheidung für einen bestimmten WFI-Herstellungsprozess hängt dabei vor allem von der Bewertung des mikrobiologischen Risikos ab. Eine Verkeimung hätte fatale Folgen. Deshalb steht und fällt die Entscheidung mit der bestmöglichen Betriebssicherheit. Zur Sicherstellung der erforderlichen Qualität des Pharmawassers müssen Risiken bewertet und mit geeigneten Maßnahmen verhindert bzw. minimiert werden.

Das Kaltmembranverfahren im Detail
Zu Beginn der Aufbereitungskette entfernt die Vorbehandlung Inhaltsstoffe aus dem Wasser, die die nachfolgenden Membranverfahren schädigen oder Ablagerungen bilden könnten. Die Vorbehandlungsverfahren variieren je nach vorhandenen Wasserinhaltsstoffen und können in unterschiedlicher Reihenfolge oder Kombination eingesetzt werden. Um gröbere Partikel aus dem Wasser zu entfernen, sind zunächst verschiedene Filtrationsstufen empfehlenswert. Auch oxidative Stoffe, Mikroorganismen und organischer Kohlenstoff (TOC) müssen in der Vorbehandlung aus dem Wasser entfernt werden.

 Die nachgeschaltete Enthärtung des Trinkwassers verhindert, dass sogenannte „Härtebildner“ wie Kalzium oder Magnesium unlösliche Verbindungen im Wasser eingehen. Alternativ lässt sich die Löslichkeitsgrenze der Härtebildner mittels Chemikalien, sogenannter Antiscalants, erhöhen. Betreiber müssen in einigen Fällen gegenüber den Behörden nachweisen, dass sich im Endprodukt keine Antiscalants mehr befinden. Eine Enthärtung des Wassers mittels Kationen-Austauscherharze ist daher insgesamt empfehlenswerter und betriebssicher. Von der Enthärtung des Wassers geht allerdings auch das größte Risiko einer Verkeimung des Pharmawassers aus. Daher ist eine Heißwasser-Sanitisierung des Harzes während des Produktionsbetriebs ein probates Mittel zur Minimierung des Risikos.

Die Sanitisierung spielt über alle Prozessschritte hinweg eine wesentliche Rolle für die Minimierung des Verkeimungsrisikos. Sie kann mittels Chemikalien oder Heißwasser erfolgen. Eine chemische Sanitisierung erfordert dabei eine geringere Investition, ist allerdings nur teilautomatisiert und weniger effektiv als eine Sanitisierung mit Heißwasser.

Die sich der Enthärtung anschließende Umkehrosmose ist ausschließlich für die Abreinigung von Ionen und die Rückhaltung von Partikeln, Mikroorganismen und anderen Inhaltsstoffen vorgesehen.
Die folgende kontinuierliche Elektrodeionisation ist eine Kombination von Membranverfahren und Elektrodialyse, mit der Werte von unter 0,2 µS/ cm für die Leitfähigkeit im Produkt erreicht werden können. Die nachgeschalteten Ultrafiltrationsmodule dienen der Abscheidung von Endotoxinen und Bakterien, damit das WFI die Grenzwerte einhält. Das durch die Ultrafiltration entstandene Konzentrat kann anschließend vor die Umkehrosmose rezirkuliert werden, sodass kein Abwasser entsteht.

Mit kaltem Membranverfahren zur ­besseren Umweltbilanz
Wenn sämtliche Schritte entlang des WFI-Herstellungsprozesses bestmöglich geplant und aufeinander abgestimmt sind, profitieren Pharmaunternehmen beim Einsatz des kalten Membranverfahrens von signifikant reduzierten Energiekosten und einer verbesserten Umweltbilanz. Deshalb kommt die Änderung der WFI Monografie 0169 in Europa genau zum richtigen Zeitpunkt: In keiner anderen Region schießen die Energiekosten so in die Höhe. Gleichzeitig ist keine andere Region so um nachhaltigere Produktionsprozesse bemüht.

Sollte sich das kalte Membranverfahren hier durchsetzen, lässt es sich in Zukunft auch über internationale Unternehmen auf andere Regionen ausweiten. Doch aktuell geht es primär darum, hiesige Standorte umzurüsten – oder überhaupt den Mut zu fassen, eine solch einschneidende Veränderung am verfahrenstechnischen Prozess durchzuführen. Dafür braucht es einen verlässlichen Partner, der nicht nur das geeignete Equipment liefert, sondern auch über langjähriges Prozess-Know-how verfügt und bei Risikobewertung, Planung, Validierung und Dokumentation unterstützen kann. Dann zahlen sich Investitionen in zukunftsweisende Technologien aus und können den Weg für eine verbreitete und standardisierte Nutzung des kalten Membranverfahrens ebnen.

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