Chemie & Life Sciences

Nachhaltigkeit braucht Transparenz

Neue EU-Verordnung für Lebensmittel stellt Unternehmen vor weitere Herausforderungen

23.03.2021 - Wer sicherstellen will, dass seine Endprodukte den Nachhaltigkeitsanforderungen von morgen gerecht werden, muss über ihre Herkunft und Zusammensetzung lückenlos Bescheid wissen. Den Rahmen dafür geben jedoch nicht nur gesetzliche Anforderungen vor. Hoher Druck nach mehr Transparenz kommt auch von ganz anderer Seite.

Nachhaltigkeit ist zu einem fast allgegenwärtigen Schlagwort geworden: Die meisten Chemieunternehmen bekennen sich öffentlich zu diesem Ziel. Viele zitieren auf ihren Websites auch einige der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, unter die auch soziale und wirtschaftliche Aspekte fallen. Indes liegt das öffentliche Interesse vor allem auf den umwelt- und gesundheitsbezogenen Fragen. So will die Europäische Union mit ihrer Green-Deal-Initiative von 2019 Europa zu einem klimaneutralen Kontinent entwickeln. Selbst China strebt nicht mehr ausschließlich nach technologischer Unabhängigkeit, sondern auch nach ökologischem Fortschritt.

Entsprechend umfassend und dynamisch ist das Regelwerk für Unternehmen, das diese bewegen soll, „grüner“ zu wirtschaften oder den Einsatz toxischer Substanzen zu verringern. Das reicht von EU-Vorgaben über nationale Gesetze bis hin zu entsprechenden Durchführungsverordnungen. Sie bestimmen zum Beispiel, welche Art von Informationen Unternehmen den Behörden vorlegen müssen, um bestimmte Stoffe oder Produkte in den Verkehr bringen zu dürfen. Erst mit erfolgreicher Registrierung oder Zulassung erlangt ein Hersteller dann Zugang zum Markt.

Immer wichtiger sind in diesem Zusammenhang Zertifikate und Erklärungen rund um das Thema Nachhaltigkeit – und damit die Kenntnis der global operierenden Lieferkette. Nur wer offenlegen kann, wie und wo Materialien beschafft werden, kann wirklich belegen, dass er alle diesbezüglichen Kriterien erfüllt.

Die Transparenzverordnungen in der EU

Mit der ab dem 27. März 2021 in der EU geltenden, sogenannten Transparenzverordnung (Verordnung (EU) 1381/2019), ziehen die Anforderungen noch weiter an. Denn mit der Neuerung ändern sich das Allgemeine Lebensmittelrecht und acht weitere sektorale Rechtsvorschriften, darunter die Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln oder Materialien mit Lebensmittelkontakt. Ziel ist es, insbesondere die Transparenz und das Vertrauen der Kunden in die Verfahren der EU zur Risikobewertung von Lebensmitteln zu stärken.

Ein besonders kritischer Punkt für die beteiligten Unternehmen ist dabei, dass Studien, die normalerweise als vertraulich gelten, nach der Transparenzverordnung öffentlich zugänglich gemacht werden sollen. Für sämtliche Chemieunternehmen in der Lieferkette bedeutet dies, dass sie künftig im Vorfeld einer Studie klären sollten, was sie erforschen wollen. Ebenso gilt es, mögliche Ergebnisse abzuschätzen und zu überlegen, welche Konsequenzen diese nach sich ziehen könnte. Denn die Veröffentlichung der „falschen Daten“ kann verheerende Auswirkungen haben. Mindestens ebenso fatal wäre es allerdings, wenn der Eindruck entstünde, dass Informationen absichtlich zurückgehalten werden. Denn dieser Umstand würde nahezu unweigerlich aufgedeckt und publik gemacht, beispielsweise durch Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich mit dem entsprechenden Themengebiet befassen.

Öffentlicher Druck verstärkt sich

Die größten Hürden liegen nämlich längst nicht mehr auf rechtlicher Seite. Vielmehr steigt insgesamt der Druck durch die öffentliche Meinung, die stets danach verlangt, nachhaltigere Prozesse einzuführen und bessere Stoffe und Materialien zu produzieren.

Die öffentliche Meinung zu ignorieren ist dabei keine Option. Denn jede Abweichung vom vermeintlich „richtigen Weg“ läuft Gefahr, durch die Medien oder NGOs rigoros ins Rampenlicht gezerrt zu werden. Dabei stehen zwar vor allem Großunternehmen und bekannte Marken im Fokus, indirekt sind jedoch auch alle Lieferanten betroffen. Denn ihre Kunden fordern auch von ihnen entsprechende Nachweise ein.

Verbürgte Nachhaltigkeit ist also zu einem wichtigen Verkaufsargument geworden. Die Konsequenz: Ohne genaue Kenntnisse darüber, welche Art von Materialien eingesetzt oder verarbeitet werden, ist kein Beleg möglich. Denn Unternehmen müssen alle potenziellen Verunreinigungen und Alternativen für bedenkliche Stoffe in Betracht ziehen. Vor diesem Hintergrund bedeutet Transparenz: beweisen und dokumentieren zu können, dass Nachhaltigkeitsaussagen wirklich wahr sind.

Kennzeichnung: Transparenz und durchgängige Konformität

Heute finden sich zwei Arten von Informationen auf einem Produktetikett: Zum einen gibt es Angaben darüber, was im Produkt enthalten ist, und zum anderen, was nicht. Meist dominieren auf der Vorderseite „Frei-von-Angaben“ wie beispielsweise „ohne künstliche Farbstoffe“ oder „ohne Zuckerzusatz“. Die eigentliche Zutatenliste findet sich dann kleingedruckt auf der Rückseite.

Es gibt jedoch einen zunehmenden Trend, positive Bezeichnungen wie „Verpackung recycelbar“ oder „100 % bio“ zu verwenden. Und das ist weit schwieriger mit Belegen zu untermauern als eine Aussage zur bloßen Nicht-Existenz bestimmter Stoffe oder Methoden.

Denn jede Behauptung erfordert irgendeine Art von Begründung und erhöht den Druck auf die Lieferanten, die Einhaltung zahlreicher Normen nachzuweisen. Das zieht eine Menge an Kommunikation, Verwaltung von Zertifikaten und Erklärungen nach sich. Entsprechend ist das Management korrekter Verpackungsangaben zu einer echten Belastung geworden. Wer die durchgängige Compliance vom Lieferanten bis zum Kunden sicherstellen will, sieht sich einer Herkulesaufgabe gegenüber. Eine Erleichterung können hier digitale Lösungen darstellen – vorausgesetzt, sie sind in der Lage, alle beteiligten internen und externen Interessengruppen miteinander zu verbinden.

Der Return on Investment der Transparenz

Das Ideal ist daher vollständige Transparenz entlang der Lieferkette bis zum Kunden. Ist diese nämlich nicht durchgängig nachweisbar, so kann dies zu massiven Störungen der Geschäftsprozesse führen: bspw. dann, wenn Verunreinigungen bekannt werden oder regulatorische Änderungen eine Neubewertung der bestehenden Lieferkette erzwingen.

Auch für Einkauf und Beschaffung hat dies Konsequenzen. Denn das herkömmliche Bestreben, vor allem Kosten zu sparen und auf billige Materialien zu setzen, greift jetzt zu kurz. Compliance und Transparenz sind ebenso wichtig, müssen geprüft und dokumentiert werden. Kunden wie Zulieferer kämpfen daher aktuell mit einer Vielzahl von Fragebögen, Erklärungen und Zertifikaten.

Die Lösung ist eine einheitliche Informationsquelle, eine “Single Source of Truth”. Unternehmen, die auf eine solche einheitliche Informationsbasis setzen, wissen in Echtzeit, wer was, wo und für welchen Verwendungszweck registriert hat und erzielen damit mehrere Wettbewerbsvorteile. Nicht nur, dass sie effizienter arbeiten, sie können Kundenanfragen auch schneller und zuverlässiger beantworten und so das Vertrauen in ihre Marke sichern. Akteure in der Lieferkette, die Wochen brauchen, um benötigte Informationen bereitzustellen, werden dagegen auf Dauer aus dem Rennen geworfen.

Die Gewährleistung von Transparenz entwickelt sich somit von einem „nice to have“ zu einer geschäftlichen Notwendigkeit. Denn fehlende Benachrichtigungen, Registrierungen oder Genehmigungen dürfen Business-Prozesse nicht blockieren. Eine Single Source of Truth und die Vernetzung der – in einem Chemieunternehmen üblicherweise weltweit angesiedelten – Experten bilden die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung.

Die gute Nachricht dabei: Es gibt bereits Technologien, die Unternehmen genau diese Aufgabe erleichtern. Die digitale Transformation entlang der Wertschöpfungskette vom Rohstofflieferanten zum Kunden ist keine Zukunftsmusik mehr. Sie kann schon heute Wirklichkeit werden.

 

Autor: Andrew Douglass, Strategy Lead, Chemical Industry, Veeva Systems

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