Strategie & Management

Chemiekonjunktur – Gute Aussichten für die US-Chemie, trotz holprigen Starts

US-Chemieproduktion lag 2020 nur um 3,1 % unter Vorjahr

03.05.2021 - Der schwungvolle Start der Branche ins Jahr 2021 wurde durch die Winterstürme und deren Folgen abrupt gestoppt.

Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten hat sich vom pandemiebedingten Einbruch schnell und kräftig erholt. Im Gesamtjahr ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwar um 3,5 % zurück. Damit fiel das Minus aber deutlich geringer aus als in vielen anderen Industrieländern. Auch die Industrie erholte sich von den starken Einbrüchen des zweiten Quartals im weiteren Jahresverlauf. Im Gesamtjahr musste das verarbeitende Gewerbe aber immer noch einen Rückgang von 6,5 % verbuchen.

Die Chemie- und Pharmaindustrie
kam in den USA besser durch die Krise
als viele andere Branchen.



Die Chemie- und Pharmaindustrie kam in den USA hingegen besser durch die Krise als viele andere Branchen und lag in 2020 nur um 3,1 % unter Vorjahr (Grafik 1). Der Start in das Jahr 2021 verlief in allen Bereichen zunächst schwungvoll. Einen kräftigen Dämpfer brachten dann allerdings die Winterstürme im Februar 2021. Dies führte zu Problemen in vielen Lieferketten. Die Chemie war hiervon besonders betroffen

Chemieproduktion: kräftige Erholung nach Einbrüchen

Die Coronakrise ließ die Chemie- und Pharmaproduktion der USA im vergangenen Jahr einbrechen. Bereits der Jahresstart 2020 verlief holprig. Die Industrierezession des Vorjahres wirkte noch nach. Im zweiten Quartal führte dann der abrupte Nachfrageausfall im In- und Ausland zu einem Einbruch der Chemieproduktion um gut 6,5 %. Entsprechend niedrig war die Kapazitätsauslastung. Sie erreichte nur noch einen Wert von 75,4 % und lag damit gut 7 Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt.

 

Einen kräftigen Dämpfer
brachten die Winterstürme
im Februar 2021.

 

Im zweiten Halbjahr setzte allerdings ein dynamischer Erholungsprozess ein. So lag die Produktion am Jahresende in nahezu allen Sparten bereits wieder über dem Vorkrisenniveau. Die Polymere profitierten auch während der Krise von der starken Nachfrage nach Verpackungsmaterialien und anschließend von der Erholung in der Automobilindustrie. Die Konsumchemikalien waren von den Einbrüchen am wenigsten betroffen, da Hygieneartikel krisenbedingt stark nachgefragt wurden. Auch die Nachfrage nach Pharmazeutika belebte sich im Jahresverlauf wieder stärker. Nur die Erholung bei den Spezialitäten kam kaum in Fahrt. Dies zog die Branche insgesamt nach unten. Trotz Erholung im Jahresverlauf verfehlten im Gesamtjahr nahezu alle Sparten das Vorjahresniveau (Grafik 2)

Winterstürme und Probleme in den Lieferketten bremsen

Der Start ins Jahr 2021 verlief zunächst schwungvoll. Allerdings wurde die Entwicklung im Februar durch die Winterstürme und deren Folgen abrupt gestoppt. Viele Raffinerien und petrochemische Anlagen liegen in den von den Stürmen besonders betroffenen Regionen am Golf von Mexiko – bspw. kommt 96 % der US-Ethylenproduktion aus Texas. In Folge des Wintereinbruchs fielen diese Anlagen wochenlang komplett aus. Die Chemieproduktion brach stärker ein als in der Pandemie-Hochphase im zweiten Quartal 2020 und auch stärker als bei ähnlichen Wetterkapriolen in den vergangenen Jahren (Grafik 3) Das Wiederanfahren der Anlagen und die Ausweitung der Produktion von Petrochemikalien wird noch Zeit benötigen.

Nach und nach betreffen die Lieferengpässe die ganze Wertschöpfungskette der Chemie und bremsen somit die Produktionsmöglichkeiten. Experten rechnen erst für das Jahresende mit einer vollständigen Erholung der Lagerbestände bei petrochemischen Produkten. Zu den Produktionsproblemen in der Grundstoffchemie kommen enge Transportkapazitäten im weltweiten Handel und Engpässe bei Elektronikbauteilen aufgrund der global stark steigenden Nachfrage hinzu. Damit kämpfen auch wichtige Kundenindustrien, wie die Automobilindustrie, mit Problemen in ihren Lieferketten. Dies wirkt sich wiederum bremsend auf die Nachfrage nach Chemikalien aus

Preise und Umsätze steigen

Im vergangenen Jahr musste die Branche zwar Preisrückgänge verkraften. Diese wurden aber bis zum Jahresende wieder ausgeglichen. Eine steigende Nachfrage von Seiten der Industriekunden, anziehende Rohstoffpreise gepaart mit den Produktions- und Lieferengpässen führten am Jahresanfang 2021 zu stark steigenden Preisen für chemische und pharmazeutische Erzeugnisse (Grafik 4). Insbesondere die Erzeugerpreise für Petrochemikalien und Polymere legten rasant zu. Dank hoher Preise lagen die Umsätze trotz Produktionseinbrüchen im Februar in den ersten Monaten des Jahres über Vorjahr.

Ausblick: Konjunkturpakete und Impffortschritt stützen die Entwicklung

Die Aussichten für die wirtschaftliche Entwicklung in den USA haben sich zuletzt deutlich verbessert. Die verfügbaren Einkommen stiegen zu Jahresbeginn kräftig – unterstützt auch durch das Ende vergangenen Jahres verabschiedete Konjunkturpaket im Umfang von etwa 900 Mrd. USD. Der private Konsum legte dadurch kräftig zu.

Zusätzlichen Auftrieb dürfte die Konjunktur im weiteren Jahresverlauf von dem Mitte März 2021 verabschiedeten „American Rescue Plan“-Act erhalten, der 1.800 Mrd. USD bereitstellt. Neben Mitteln zur Bekämpfung der Pandemie und Transfers an die Bundesstaaten enthält das Paket auch weitere Direktzahlungen an die privaten Haushalte sowie eine erneute Verlängerung und Ausweitung der Arbeitslosenunterstützung. Dies dürfte den Konsum weiter anheizen und die Sparquote sinken lassen. Insgesamt liegen die finanzpolitischen Maßnahmen im laufenden Jahr mit 2.500 Mrd. USD sogar noch höher als im vergangenen Jahr.

Gestützt wird die Erholung der Wirtschaft auch vom rasanten Impftempo. Mit fortschreitender Impfung der Bevölkerung dürften Infektionsschutzmaßnahmen sukzessive gelockert werden und die Konsumlaune der Verbraucher weiter zunehmen. Bereits Ende des zweiten Quartals kann mit einer Impfquote von 70 % gerechnet werden. Damit wäre die Herdenimmunität so gut wie erreicht. Dies sollte einen weiteren Schub für den Konsum nicht nur von Waren, sondern zunehmend auch von Dienstleistungen mit sich bringen. Wirtschaftsexperten haben die Prognosen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zuletzt deutlich nach oben korrigiert.

Vor diesem Hintergrund kann mit einer zunehmenden Nachfrage nach Industriewaren und damit auch nach Chemikalien gerechnet werden. Auf der anderen Seite dürften sich einige Lieferkettenprobleme im Laufe des Jahres auflösen. Die Aussichten für die Chemie- und Pharmaproduktion sind somit gut. Mit einer Wachstumsrate von 2,5 % fällt die Dynamik zwar schwächer aus als in der Gesamtwirtschaft oder der Industrie insgesamt (Grafik 5). Allerdings waren die Einbrüche in der Branche in 2020 auch deutlich geringer. Zudem geht ein Großteil der schwachen Entwicklung in diesem Jahr allein auf das Konto der Wetterkapriolen im ­Februar.

Henrik Meincke, Chefvolkswirt, Verband der Chemischen Industrie e. V., Frankfurt am Main

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