Strategie & Management

Blockchain macht Lieferketten sauber und effizient

Mathematisch abgesicherte Daten bringen Vertrauen in die Lieferkette

17.08.2021 - Saubere Lieferketten, Schonung von Umwelt und Klima, extrem hoher Schutz vor Wirtschaftsspionage und Hackern sowie Kollaboration, ohne Geschäftsgeheimnisse zu verraten.

Das, was so klingt als seien wir in einer paradiesischen Wirtschaftsordnung angekommen, kann die Blockchain tatsächlich leisten. Eine Technologie als Antwort auf drängende Probleme unserer Zeit.

Dabei muss gleich zu Anfang mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufgeräumt werden. Blockchain ist nicht Bitcoin, jene digitale Münze, die immer dann von sich reden macht, wenn Hacker Unternehmen erpressen oder dramatische Kursverläufe die Anleger in Atem halten. Zwar benötigt der Bitcoin die Blockchain-Technologie, doch Bitcoin ist nur eine unter vielen möglichen Kryptowährungen. Eins aber haben alle Kryptowährungen gemeinsam: Sie benötigen die Blockchain, denn ohne die Blockchain gäbe es sie nicht.

Datenregister mit großem Fassungsvermögen

Der Blockchain hingegen ist es völlig egal, ob auf ihr Zertifikate, Rechnungen oder eben digitales Geld eingestellt werden. Doch was ist die Blockchain eigentlich? Kurz gesagt: Bei der Blockchain handelt es sich um eine Art Datenregister mit einem sehr großen Fassungsvermögen. Dabei werden die Daten erst dann an die digitale Kette als Block angedockt, wenn deren Korrektheit von allen beteiligten Geschäftsteilnehmern anerkannt wurde. Diese Daten werden in Kurzform in „Hashs“ verschlüsselt, was sie vor unberechtigter Neugierde schützt und zugleich das Datenregister entlastet. Sie werden nicht mehr wie bisher an einer zentralen Stelle gespeichert, sondern dezentral auf viele Rechenzentren verteilt. Das macht es Hackern enorm schwer. Ein Computer lässt sich vielleicht hacken, aber nie alle. Die korrekten Daten lassen sich immer identifizieren, die falschen ebenso.

Sind die Daten einmal auf einer privaten Blockchain eingestellt, können sie – im Unterschied zu einer öffentlichen Blockchain, die nachträgliche Veränderung nicht akzeptiert – nur geändert oder gelöscht werden, wenn alle Teilnehmer auf der Blockchain einverstanden sind. Aber selbst dieser Akt wird regis­triert. Die Blockchain vergisst nichts. Alles wird protokolliert. Deswegen bezeichnen manche die Blockchain auch als ein riesiges Datenprotokoll.

Warum aber ist eine solche dezentrale digitale Infrastruktur für die Industrie so interessant? Die Gründe sind schnell genannt: Die Blockchain steigert die Effizienz innerhalb der Lieferkette enorm und eröffnet signifikante Automatisierungs- und Effizienzpotenziale. Im Themis-Pilotprojekt, das von Evo­nik, BASF und Commerzbank initiiert worden ist, wurde der Zahlungsprozess über die Blockchain in einem geschlossenen Datenkreislauf mittels programmierbaren Geldes entlang der bereits existenten Prozessketten transparenter, schneller und verlässlicher. Ein Geschäftsvolumen von mehreren Millionen Euro wurde so bereits abgewickelt. Der auf der Blockchain basierende Zahlungsprozess ist ein wichtiger Baustein hin zur Entwicklung vollautonomer Lieferketten.

Alle Teilnehmer bekommen alle Daten in Echtzeit

Doch die Blockchain hat weitere Vorteile, die sie für die industrielle Anwendungen prädestinieren. Einer der wichtigsten Gründe ist, dass alle Geschäftsteilnehmer die Daten in Echtzeit bekommen, und zwar gleichzeitig. Das gab es noch nie. Das schafft eine Transparenz vom Anfang der Lieferkette bis an ihr Ende. Das hat weitreichende Folgen.

Statt Speditionen individuell für einzelne Transporte beauftragen zu müssen, was zur Folge hat, dass der Lkw nach Entladung zunächst leer zum nächsten Einsatzort fahren muss, erhält der Spediteur nun Zugriff auf alle anstehenden Transporte. Das gilt auch für die Transporte des Warenem­pfängers. So kann die Logistik aktiv Folgetransporte, die in der Blockchain aufgeführt werden, gleich mitbuchen. Leerfahrten können so deutlich minimiert werden. So kann die Blockchain dabei helfen, die CO2-Belastungen deutlich zu reduzieren. Doch die digitalen Blöcke können noch mehr. Sie verschaffen der Kreislaufwirtschaft eine nie gekannte Verlässlichkeit und ermöglichen neue Lösungen.

Vom Vertrauen zum Wissen

Mussten Verbraucher bisher Siegeln, wie etwa Fairtrade, vertrauen, können sie in Zukunft wissen. Denn die Wahrheit über die Lieferkette liegt auf der Blockchain. Dort ist sie vor Manipulationen sicher. Im Supermarkt kann mit Hilfe eines QR-Codes diese Wahrheit über Waren, Materialien und Rohstoffe zu jeder Zeit abgerufen werden, prinzipiell von jedem Kunden. Damit sind die Siegel obsolet. Ob der Fisch vegan gefüttert wurde, ob Arbeits- und Menschenrechte eingehalten wurden – die Blockchain verrät es ihnen. Das nennt man eine saubere Lieferkette. Genau danach verlangt der Verbraucher. Diese Chance durch die Blockchain will die Chemie auch nutzen, um die Kunststoffkreislaufwirtschaft lückenlos belegen zu können. So arbeitet Covestro an dem Aufbau einer Kunststoffkreislaufwirtschaft auf Blockchain-Basis. Ähnliches tut BASF in Brasilien und Kanada. Noch geschieht dies im Rahmen von Pilotprojekten. Ziel jedoch ist es, die Kunststoffkreislaufwirtschaft weltweit zu etablieren. Schließlich gilt: Wenn sich die Kunststoffe im Kreise drehen, sie mehrfach genutzt werden, landen sie nicht in der Umwelt und verursachen hier keine Schäden. Wer sich als Verbraucher genau informieren will, kann dies tun. Mit Hilfe der Blockchain erhalten kritische Kunden eine befriedigende Antwort.

Die Gier nach den Daten

Da Daten in der Industrie 4.0 die wichtigsten Werte sind, ohne sie nichts geht, sind Hackerangriffe und digitale Wirtschaftsspionage an der Tagesordnung. Alle wollen an die Daten ran. Kriminelle, die im Darknet mit den Daten einen schwunghaften Handel betreiben, aber auch Staaten wollen Daten, Daten und nochmals Daten. Noch ist der Diebstahl nicht allzu schwer, doch die Europäische Kommission ist entschlossen, dem in Zukunft mit Unterstützung der Blockchain einen Riegel vorzuschieben. Deswegen baut Brüssel an einer Europäischen Blockchain-Infrastruktur (EBSI), um die Daten europäischer Unternehmen sowie die Daten der Bürger in Zukunft besser schützen zu können. Denn die digitale Kette mit ihrer Verschlüsselung via Algorithmus ist schwer zu durchdringen, selbst Quantencomputer sind nach wie vor nicht in der Lage, diesen Schutzwall zu durchbrechen.
Trotzdem ist die Blockchain nicht von der Außenwelt abgeschirmt. Im Gegenteil: Sie ermöglicht Kollaborationen selbst dann, wenn sich Staaten oder Geschäftspartner misstrauisch gegenüberstehen, denn die Daten können durch verschiedene mathematische Bestätigungsverfahren auf ihre Korrektheit geprüft werden, ohne jedoch Geschäftsgeheimnisse preisgeben zu müssen, schließlich sind die Daten in Hashs verschlüsselt.

Die Chemieindustrie will die Chancen der Blockchain nutzen. Da sie am Anfang vieler Lieferketten steht und mit der gesamten produzierenden Industrie weltweit verbunden ist, wird dies der Blockchain zum Durchbruch verhelfen. So wird die Chemie zum wichtigsten Treiber dieser revolutionären Technologie.

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