Anlagenbau & Prozesstechnik

Schutzkonzepte für ­Batteriespeichersysteme

Brand- und Explosionsschutz von Lithiumionen-Batteriespeichersystemen

07.12.2021 - Lithiumionen-Akkumulatoren – auch als Lithium­ionen-Batterien bezeichnet – sind aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken.

Sie bewähren sich seit vielen Jahren aufgrund ihres hohen Wirkungsgrads als wiederaufladbare Speicher in Kleingeräten wie z.B. Handys, Notebooks, Kameras, Werkzeugen und dem Modellbau. Inzwischen haben Lithium­ionen-Batterien ihren Siegeszug auch auf Elektroautos, Fahrräder, Flur­förderfahrzeuge und Batteriespeichersysteme (BESS = Battery Energy Storage Systems) ausgedehnt.

Neben den zahlreichen Leistungsvorteilen der Lithiumionen-Batterien zeigen sicherheits­technische Untersuchungen, dass Risiken von Batteriezellen ausgehen können, wenn Temperaturgrenzen überschritten werden. Ab entsprechenden Temperaturen können stark exotherme, chemische Reaktionen des Materials auf Zell­ebene initiiert werden, welche sich auf das komplette Modul und auch auf das gesamte Batteriesystem ausdehnen können. Dabei entstehen hohe Temperaturen von bis zu 700 °C innerhalb kurzer Zeit. Diese chemischen Kettenreaktionen auf Zellebene können nicht unterbrochen werden, weswegen auch von einem sogenannten Thermal Run­away gesprochen wird. Da die thermische Zersetzung der Batteriezelle mit der Entstehung zündfähiger Gasgemische einhergeht, bestehen hohe Brand- und Explosionsrisiken1.

Ab welcher Temperatur die Gefahr eines Thermal Runaways besteht, hängt z.B. stark vom Zelltyp ab. In der Regel sind Lithium-Ionen-­Zellen nach Literaturangaben nicht für Betriebs- und Lagertemperaturen über 60 °C ausgelegt2. Neben der Temperatur kann es auch andere Ursachen für einen Thermal Runaway geben: Beispielsweise interne oder externe Kurzschlüsse (z. B. durch Qualitätsmängel, Verformung, Brandlast von außen, beschädigte Zellen) oder zu hohe Ströme beim Laden oder Entladen.

Hohe Anforderungen zur Risikosenkung

Um diese Risiken zu reduzieren, werden hohe Anforderungen an die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Batteriezellen gestellt. Hersteller müssen vor einer Markteinführung viele Tests erfolgreich durchlaufen, auch Prüfungen, die weit über einen Normalgebrauch hinausgehen (z.B. Nagelprobe). In Batteriesystemen sind zudem Schutzmaßnahmen implementiert, um das Szenario eines Thermal Runaways während des Betriebs zu vermeiden bzw. frühzeitig zu erkennen. Zu den Maßnahmen zählen z.B.:

  • Zellinterne Sicherheitssysteme wie z.B. Sicherheitsventile oder Berstscheiben
  • Batteriemanagementsysteme, die u. a. Strom, Spannung und Temperaturen
  • überwachen
  • Druckentlastungen der Batterie­modulgehäuse
  • Trennschalter / galvanische Trennung
  • Gassensoren
  • Lüftungstechnik
  • Kühlsysteme

Großtechnische Anwendung von ­Batteriespeichersystemen

Lithiumionen-Batterien werden aufgrund ihrer hohen Speicherdichte vermehrt als Batteriespeichersysteme (BESS) verwendet, um die Energieversorgung zu sichern oder um Leistungsschwankungen aus regenerativen Energiequellen im Stromnetz auszugleichen. Diese Batteriesysteme – auch als Batteriespeicherkraftwerke bezeichnet – spielen eine bedeutende Rolle beim weltweiten Ausbau der regenerativen Energieversorgung. Die Batteriemodule in den Kraftwerken sind meist in mannhohen Racks und großer Stückzahl in 20- oder 40-Fuß-Con­tainern verbaut. Man kann sich die Speichersysteme als eine XXL-Powerbank vorstellen.

Trotz der hohen Anforderungen an Sicherheit und Zuverlässigkeit von Batteriezellen, welche die Hersteller durch intensive Tests und Implementierung umfangreicher Schutzmaßnahmen sicherstellen, haben sich in den letzten Jahren Unfälle in verschiedenen Kraftspeichersystemen ereignet.

Detaillierte Betrachtung des Gefahren­potenzials sowie mögliche Schutzkonzepte

Das Restrisiko des Szenario Thermal Run­aways – z.B. durch beschädigte Zellen – ist mit hohen Brand- und Explosionsrisiken verbunden. Die chemischen Kettenreaktionen, die zu diesen hohen Temperaturen führen, können die Elektroden (Lithiumverbindungen, Grafit) entzünden und zu gefährlichen Metallbränden führen. Die Elektrolytflüssigkeit zwischen den Elektroden besteht aus organischen Lösungsmitteln, die bei Temperaturen ab 80 °C verdampfen3,4. Diese Volumenexpansion um einen Faktor x1.000, die bei einem Phasenübergang von einem flüssigen in einen gasförmigen Ag­­gregatzustand entstehen, führt zu hohen Drücken innerhalb der Zellen. Um ein Bersten der Batteriezellen, während eines Thermal Run­aways zu vermeiden, sind Berstscheiben oder ggf. Sicherheitsventile vorhanden, die das Gas in die Umgebung „entlasten“ und die Zellen vor einem Bersten schützen.

Die Abbildung veranschaulicht einen Thermal Runaway am Beispiel eines Batteriemoduls mit 24 handelsüblichen 18650er Batteriezellen (3,7 Volt, 3000 mAh). Bei einem derartigen Szenario wird die Brandlast auf benachbarte Zellen innerhalb von Sekunden übertragen. Es kommt zu einer Kettenreaktion, die von zyklischen Stichflammen aus den Zellen begleitet ist. Die Stichflammen entstehen durch das Abblasen der verdampfenden, brennbaren Elektrolyten. Außerdem besteht die Gefahr, dass glühende Metallteile und andere brennende Teile der Batterie ausgestoßen werden5.

Insbesondere Batterien mit hohen Leistungsdichten, wie sie z.B. in Fahrzeugen oder Batteriespeichersystemen verwendet werden, können Gasmengen von mehreren 1.000 L Gas – je nach z.B. Zelltyp, Speicherkapazität und Ladezustand – innerhalb von Sekunden in die Umgebung freisetzen7. Diese Gasgemische enthalten leicht entzündliche Bestandteile wie z.B. Wasserstoff, Kohlenwasserstoff und Kohlenmon­oxid8 und auch giftige Rauchgase.

Wasserstoff und Kohlenmonoxid sind Gase, die explosionsfähige Gemische mit Luftsauerstoff über breite Konzentrationsbereiche bilden können. Beide Gase haben niedrige Mindestzündenergien, sodass selbst kleine, elektrostatische Aufladungen oder heiße Oberflächen ausreichen, um dieses Gemisch zu zünden. Es besteht das Risiko von Gasexplosionen, wenn sich unverbranntes Gas in der Umgebung akkumuliert.

Eine bewährte Möglichkeit zur Erkennung von Thermal Runaway ist der Einsatz von GSME-Gassensoren. Die gleichzeitige Überwachung von mehreren Pyrolysegas-Konzentrationen, wie bspw. Kohlenmonoxid, Wasserstoff und Kohlenwasserstoffen, im Parts-per-Million-Bereich ermöglicht einen detaillierten Einblick in den Prozesszustand. Werden vorab eingestellte Grenzwerte der Pyrolysegas-Konzentrationen überschritten, liefert der GSME-Gassensor ein elektrisches Alarmsignal, zur Warnung und Einleitung weiterer Maßnahmen verwendet werden kann.

Vorteile von Rembe GSME-Brandgas­detektoren für BESS auf einen Blick:

Überwachung von Gas-Konzentrationen (z.B. Wasserstoff und Kohlenmonoxid) im Falle eines Thermal Runaways

  • Mehrkomponenten-Detektion mit einer Empfindlichkeit im ppm-Bereich
  • Frühzeitige Alarmierung für die Einleitung von Gegenmaßnahmen
  • Kompakte Bauweise, robustes Design und einfache Montage


Klassische Brandschutzmaßnahmen reichen nicht

Eine große Herausforderung in der Praxis ist, dass Thermal Runaways durch klassische Brandschutzmaßnahmen nicht gestoppt oder gelöscht werden können. Es muss damit gerechnet werden, dass die explosionsfähigen Gase sich außerhalb der Batteriezelle/-gehäuse entzünden und zu einer Explosion führen können.

Wenn Wasserstoff-Luftgemische sich in geschlossenen Systemen entzünden, können Explosionsdrücke von bis zu 8 bar entstehen. Diese Drücke übersteigen die Festigkeiten der Container und Batterieräume, in denen sich die Batteriespeichersysteme befinden. Insbesondere Türen besitzen niedrige Druckstoßfestigkeiten und können gefährliche Schwachstellen darstellen.

Brandschutz

Explosionsdruck bei einer Verbrennung im 20-Liter-Behälter im Rahmen eines ­Thermal Runaways einer 8.7-Wh-Zelle mit einem Ladezustand SOC von 100% (State of Charge)11

Berstscheiben sparen Kosten

Um ein Bersten oder Trümmerflug mit Stichflammen zu vermeiden, haben sich Berstscheiben als Sollbruchstelle bewährt, die den Explosionsdruck kontrolliert an die Umgebung entlasten. Es wurden großflächige, serienreife Berstscheiben entwickelt, die auch bei niedrigen Ansprechdrücken sicher und vollständig öffnen. Diese Lösung bietet den Vorteil, dass die Festigkeiten der Gehäuse und Türen deutlich niedriger ausfallen können, was enorme Kosteneinsparungen mit sich bringt. Berstscheiben sind als Schutzmaßnahme in vielen Regelwerken empfohlen und teilweise explizit in Regionen gesetzlich vorgeschrieben.

Die Vorteile von Rembe Berstscheiben für Batteriespeichersysteme auf einen Blick:

  • Passive, mechanische und autonome Schutzsysteme aus Edelstahl
  • Fail Safe Sicherheit
  • Minimaler Wartungsaufwand (wiederkehrende optische Sichtprüfung)
  • Öffnungsdrücke ab 25 mbar realisierbar – auch bei großflächigen Berstscheiben
  • Dauerhafte Dichtigkeit über den gesamten Lebenszyklus der Batteriesysteme (IP66)
  • Optional sind Isolierkassetten verfügbar, um Taupunktunterschreitungen zu vermeiden
  • Die Kombination beider Produkte stellt die Basis für ein optimal ausgelegtes Schutzsystem dar, bestehend aus vorbeugendem und konstruktivem Brand- und Explosionsschutz.

 

Literatur
1 Lithium-Batterien – Brandgefahren und Sicherheits­risiken, Risk Experts, Dr. Buser
2 Brandschutz-Forschung, IMK Bericht 175, KIT,
Herr Kunkelmann – 2017
3 DGUV – Hinweise zum betrieblichen Brandschutz
bei der Lagerung und Verwendung von Lithium-­Ionen-Akkus – 2020
4 Brandschutz-Forschung, KIT, Forschungsbericht 175, Jürgen Kunkelmann -–2016
5 DGUV – Hinweise zur Brandbekämpfung von Lithium-­Ionen-Akkus bei Fahrzeugbränden – 2020
6 ISHPMIE – Explosibility Properties of Gases from Lithium-­Ion Energy Storage Battery Thermal Run­aways, Adam Barowy - Braunschweig 2020
7 Exponent Inc. – Thermal Runaway and Safety of Large Lithium-Ion Battery Systems – 2015
8 ISHPMIE - Explosibility Properties of Gases from ­Lithium-Ion Energy Storage Battery Thermal
Run­aways, Adam Barowy – Braunschweig 2020
9 BG RCI Magazin – Ex-Zonen für Wasserstoff-
Elek­trolyseanlagen – 2014
10 GESTIS Stoffdatenbank – Kohlenmonoxid
11 Exponent Inc. – Thermal Runaway and Safety of Large Lithium-Ion Battery Systems – 2015

 

Rembes Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit

Rembe Safety + Control ist der Marktführer in den Gebieten Explosionsschutz und Druck­entlastung und kann auf fast 50 Jahre Erfahrung zurückgreifen. Die Expertise erstreckt sich über folgendes Leistungsspektrum:
Consulting

  • Unterstützung bei der Entwicklung ­adäquater, projektspezifischer Schutzkonzepte für Batteriesysteme
  • Explosionstechnische Berechnungen (z.B. von Druckentlastungsflächen) nach nationalen und internationalen Normen
  • Engineering
  • Prüfung und Validierung von Schutzmaßnahmen im akkreditierten Prüflabor Rembe Research + Technology Center, z.B.:
  • Brand- und Explosionsversuche mit Prototypen unter praxisnahen Bedingungen
  • Prüfung von Druckstoßfestigkeiten oder Flammendurchschlagsprüfungen von Batteriegehäusen
  • Entwicklung von flammenlosen Druckentlastungseinrichtungen zur Vermeidung von Stichflammen und Trümmerflug Products
  • Akkreditierte Produkte nach nationalen und internationalen Normen
  • Sonderlösungen und -abmessungen als Serienprodukte verfügbar Service
  • Wartung und wiederkehrende Prüfung

 

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