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Finanzieren durch die Krise

Die Mittelstandsbank bewertet bei der Kreditvergabe die Zukunftsfähigkeit ihrer Kunden

17.11.2010 -

Während vielfach vom Aufschwung die Rede ist, spürt der Mittelstand noch die Nachwehen der Krise - vor allem in finanzieller Hinsicht. Ein Großteil der Unternehmen hat in der ersten Jahreshälfte 2010 noch nicht das Ertragsniveau von vor der Krise erreicht, aber aufgrund der Konjunkturerholung einen erhöhten Finanzierungsbedarf. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Commerzbank-Initiative Unternehmensperspektive, welche die Geschäftsbeziehung des deutschen Mittelstands zu seinen Banken untersucht. Dr. Andrea Gruß sprach darüber mit Detlef Hermann, Bereichsvorstand der Mittelstandsbank bei der Commerzbank.

CHEManager: Herr Hermann, wer zählt zu den Kunden der Mittelstandsbank? Wie unterscheiden sich deren Bedürfnisse von denen eines Großkonzerns?

D. Hermann: Wir verstehen uns als Finanzdienstleister für Unternehmen ab 2,5 Mio. € bis bis zu einer Größenordnung von 250 bis 500 Mio. € Außenumsatz und richten unsere Betreuungsmodelle nach deren Strukturen aus. Viele unserer Kunden sind familiengeführte Unternehmen, die nicht am Kapitalmarkt tätig sind. Bei den kleineren Unternehmen treffen wir meist auf einen Entscheider, den Unternehmer selbst. Hier gilt es, dessen Belange oder die Belange der Familie in die Überlegungen und Lösungsansätze für das Unternehmen mit einzubeziehen.
Ab einer gewissen Größe - wir beobachten dies etwa ab einem Umsatz von 12,5 Mio. € - verändern sich die Strukturen in den Unternehmen. Dann gibt es z. B. einen Finanzprokuristen oder einen Exportfachmann, dem wir von unserer Seite einen entsprechenden Spezialisten als Ansprechpartner zur Verfügung stellen.
In einem internationalen Großkonzern hingegen gibt es für viele Finanzthemen einen Experten, der über ein vergleichbares Know-how wie der Bankberater verfügt. Es handelt sich daher eher um eine Lieferbeziehung als um eine Beratungsleistung. Ausnahmen sind Bereiche mit einer starken Affinität zum Investment Banking, z. B. Kapitalmaßnahmen oder M&A-Geschäfte.

Die Commerzbank-Initiative Unternehmerperspektiven greift in ihren Studien regelmäßig Themen auf, die den Mittelstand in seiner alltäglichen Arbeit betreffen, wie etwa Klimaschutz, Wertewandel, Bildung oder demografischer Wandel. Die aktuelle Studie untersucht das Verhältnis des Mittelstandes zu seinen Banken. Was war der Anlass, dieses Thema zu wählen?

D. Hermann: Durch die Krise hatte sich in der öffentlichen Diskussion wahrnehmbar etwas verändert. Die Selbstverständlichkeit, mit der Banken als verlässliche und solide Partner des Mittelstands in Finanzangelegenheiten stets zur Stelle waren, ist verloren gegangen. Das Vertrauen der Unternehmen in die Bankenlandschaft wurde stark beschädigt. Aber genau dies ist essenziell, wenn es darum geht, insbesondere die Liquidität von Unternehmen zu sichern. Die Studie untersucht daher den Status quo der Bankenbeziehungen im Mittelstand und identifiziert Erfolgsfaktoren für diese Geschäftsbeziehung. Insgesamt wurden 4.000 mittelständische Unternehmen im Zeitraum Mai bis Juli 2010 befragt, darunter 162 aus der Chemie- und Pharmabranche.

Zu welchem Ergebnis kommt die Studie in Bezug auf den Finanzierungsbedarf deutscher Unternehmen?

D. Hermann: Die Studie zeigt ganz klar: Eine Kreditklemme in der Breite, wie sie vielfach beklagt wurde, hat es nicht gegeben. Lediglich 13 % aller befragten Unternehmen und nur 7 % aller Chemie- und Pharmaunternehmen mussten in den vergangenen zwei Jahren die Kürzung oder Einstellung einer wichtigen Kreditlinie hinnehmen. Ohne Finanzkrise wären diese Prozentsätze wahrscheinlich nur geringfügig anders ausgefallen.
Die Studie zeigt aber auch, dass rund 60 % der Chemie- und Pharmaunternehmen eine schlechtere Ertragslage als vor der Finanzkrise verbuchen und 38 % einen erschwerten Zugang zu Krediten spüren.

Erschwerter Zugang heißt, die Kosten für die Kredite steigen?

D. Hermann: Durch die schlechtere Ertragslage sinken auch die Eigenkapitalquoten und damit das Rating der Unternehmen. Das führt zu höheren Refinanzierungskosten bei den Banken und damit zu schlechteren Konditionen.

Auch bei solide aufgestellten Unternehmen mit guten Zukunftsaussichten verschlechtert sich das Rating nach einem ertragsschwachen Krisenjahr. Birgt das nicht die Gefahr, dass in der Zeit des Aufschwungs wichtige Kredite verwehrt werden?

D. Hermann: Zum Zeitpunkt der Umfrage hatten bereits viele Jahresabschlüsse 2009 vorgelegen, sodass dieser Effekt schon eingearbeitet wurde. Zudem hat der Mittelstand gerade in den vergangenen Jahren sehr gut gearbeitet, und die Eigenkapitalquoten der Unternehmen sind gestiegen. Aus diesem Grund sollten daher keine Kredite in der Breite infrage gestellt werden müssen. Aber Sie haben insofern recht: Bei Basel II stehen ganz klar die Geschäftszahlen der Unternehmen und die Ermittlung der sogenannten Einjahresausfallwahrscheinlichkeit im Vordergrund. Umso wichtiger ist es deshalb heute, einen weiteren Baustein in der Kreditentscheidung zu schaffen, der das Geschäftsmodell des Unternehmens hinsichtlich seiner Nachhaltigkeit bewertet und auch in schwierigen Zeiten positive Kredit­entscheidungen ermöglicht. Denn unser Geschäftsmodell als größter Mittelstandsfinanzierer in Deutschland ist es, Unternehmen zu finanzieren.

Wie bewerten Sie die Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells?

D. Hermann: Die Commerzbank hat mit der „Analyse Zukunftsfähigkeit" ein Modell entwickelt, welches sich nicht auf die im Rating berücksichtigten Finanzkennzahlen bzw. einen Forecast stützt, sondern - nach Branchen differenziert - einerseits die Marktsituation analysiert, in der sich der Kunde bewegt, und auf der anderen Seite die Unternehmenssituation und die Zukunftsaussichten berücksichtigt. Damit können wir auch Unternehmen „durch die Krise finanzieren".

Das Modell setzt eine gute Branchen-Kenntnis der Bank voraus ...

D. Hermann: Ja, wir bieten bisher Analysemodelle für die Branchen Automotive, Chemie, Einzelhandel, Maschinenbau, Informations- und Telekommunikation sowie Medien an. Die erfolgreiche „Analyse Zukunftsfähigkeit" setzt jedoch eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kunden voraus. Die Unternehmen selbst sind gefordert, sich zu öffnen. Wir beobachten, und das belegen auch die Ergebnisse der Studie, dass diese Öffnung im Laufe der letzten Jahre mehr und mehr erfolgt. Alle, die es getan haben, haben am Ende sehr gute Erfahrungen damit gemacht, weil es uns als Bank ermöglicht, ein Unternehmen besser einzuschätzen und es aufgrund besserer Einschätzungen auch in Krisenzeiten zu finanzieren.
Mehr Transparenz ist übrigens nicht nur eine Forderung der Bank an die Unternehmer, sondern wird auch vonseiten der Unternehmen gefordert, dies zeigen auch die Ergebnisse der Studie. Wir kommen dieser Forderung nach, indem wir nach der Analyse klar begründen, warum wir einen Kredit zur Verfügung stellen oder warum nicht.

Der deutsche Chemie- und Pharmamittelstand ist internationaler aufgestellt als andere Branchen. Wie wirkt sich dies auf den Beratungs- und
Finanzierungsbedarf aus?

D. Hermann: Bei der Chemieindustrie beobachten wir zum einen einen höheren Beratungsbedarf bei der Exportfinanzierung, z. B. durch Hermes-Bürgschaften. Die Unternehmen nutzen hier häufiger Beratungsleistungen, gehen im Verhältnis allerdings etwas seltener zum Bankpartner als der Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. Zum anderen ist der Anteil der Chemie- und Pharmaunternehmen, die öffentliche Zuschüsse oder Förderungsfinanzierungen in Anspruch nehmen, signifikant höher als in anderen Branchen. Auch moderne Finanzierungsformen wie Mezzanine, Fac­toring oder Leasing werden stärker gefragt. Zu diesen Punkten lässt sich die Branche häufiger von ihren Banken beraten als der gesamtwirtschaftliche Durchschnitt.

Welche Rolle sollte der Staat bei Unternehmensfinanzierung übernehmen?

D. Hermann: Ein wesentlicher Punkt aus meiner Sicht ist die Förderung des Eigenkapitals. Diese lässt sich - solange die Unternehmen Gewinne machen - durch Steuerpolitik erheblich beeinflussen. Das heißt, wenn die Unternehmen unter rückläufigem Eigenkapital leiden, sollte der Staat bei der Unternehmensfinanzierung vor allem durch eine mittelstandsfreundliche Wirtschaftspolitik helfen. Kreditprogramme staatlicher Förderbanken sowie staatliche Wirtschaftsförderung sind weitere wichtige Finanzierungshilfen.

Die Studie der Unternehmerperspektive fragt die Wünsche mittelständischer Bankkunden ab. Was wünschen Sie sich von Ihren Kunden?

D. Hermann: Transparenz und Fairness bei den Diskussionen auf beiden Seiten. Und, dass sie den Kontakt zu ihrer Hausbank intensiver nutzen, um das Vertrauensverhältnis weiter auszubauen. 

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