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Höhere Produktivität durch gutes Management

Für das Wachstum von Industriestaaten bedarf es mehr als Investitionen

17.06.2010 -

In den hoch entwickelten Staaten Europas sind die Wachstumschancen durch Investitionen begrenzt. Neue Technologien und eine hohe Produktivität sind gefragt, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Dr. Andrea Gruß befragte dazu Prof. Dr. Rolf J. Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und Referent der Handelsblatt-Jahrestagung Chemie 2010.

CHEManager: Welche Hebel zur Steigerung des Wirtschaftswachstum gibt es in Deutschland?

Prof. Dr. R. J. Langhammer: Ein traditioneller Weg Wirtschaftswachstum zu generieren ist die Steigerung von Investitionen. Dies ist besonders effektiv in ärmeren Ländern. In hoch entwickelten Staaten ist der Hebel dieses Faktors nicht mehr so groß. Hier sind die Investitionsquoten im Wesentlichen konstant und es kommt eher darauf an, den bestehenden Kapitalstock besser auszulasten oder durch neue Technologien Wachstumssprünge zu generieren - soweit dies in einer reifen Volkswirtschaft noch möglich ist.
Wesentliche Faktoren für eine höhere Produktivität in Industrieländern sind ein besseres Management, bessere Managementkulturen und bessere Managementtechnologien. Diese werden z.B. getrieben durch Innovationen der Telekommunikationsindustrie, die dezentrale Informationssysteme möglich macht und damit auch das Management verändert. Wir beobachten, dass Technologiesprünge zusammen mit nachfolgenden Veränderungen in den Managementkulturen wesentlich zum Wachstum in hoch entwickelten Ländern beitragen können.

Was bewirken unterschiedliche Managementkulturen?

Prof. Dr. R. J. Langhammer: Die Art wie Managemententscheidungen getroffen werden, ist zentral für das wirtschaftliche Wachstum auf der Mikroebene, und damit später auch auf der Makroebene. In asiatischen Ländern haben Unternehmen meist stark hierarchische Strukturen. Abstimmungen erfolgen hier zunächst innerhalb einer Ebene, bevor die Entscheidung an die nächst höhere Ebene weitergegeben wird. Das dauert zwar manchmal etwas länger, hat aber den Vorteil, dass die Akzeptanz einer solchen Entscheidung gewährleistet ist.
Diese hierarchische Managementkultur ist im derzeitigen Entwicklungsstadium durchaus sinnvoll, weil das Wirtschaftswachstum Asiens durch ständig steigende Investitionen getrieben wird. Hierarchische Strukturen laufen jedoch Gefahr zu versäulen. Sie fördern ein sehr konvergentes Denken in Bezug auf die Zustimmung durch einen Vorgesetzen. Das ist sicherlich nicht immer förderlich.

Welches Managementmodell präferieren Sie für reife Volkswirtschaften?

Prof. Dr. R. J. Langhammer: Hier können eine Dezentralisierung von Entscheidungen und die Beteiligung von Mitarbeitern an Entscheidungen zu mehr Produktivität führen. In einer Matrixstruktur beispielsweise managt der Mitarbeiter quasi seinen Chef, weil er verschiedenen Arbeitsgruppen angehört und verschiedenen Chefs unterstellt ist. Er muss die Kompatibilität der Entscheidung auf verschiedene Anforderungen hin überprüfen. Das schafft Anreize, schafft Zufriedenheit, schafft Produktivität.

Es schafft aber auch Komplexität.

Prof. Dr. R. J. Langhammer: Ja, deshalb dürfen Sie nicht alles der Dynamik des dezentralen Entscheidungsprozesses überlassen, sondern das Management muss eine Richtung vorgeben und diese auch vorleben. Es gilt, eine Balance zwischen Bottom-up und Top-down bzw. zwischen einer Matrixstruktur und einer hierarchischen Linienstruktur zu finden.
Unabhängig davon ist es wichtig, dass sich das Arbeitsfeld eines Mitarbeiters vom Job bzw. Arbeitsplatz hin zur Aufgabe verändert.

Was unterscheidet den Job von einer Aufgabe?

Prof. Dr. R. J. Langhammer: Viele Mitarbeiter - insbesondere in großen Konzernen - haben keinen Jobs mehr im Sinne eines fest definierten Arbeitsplatzes , sondern zeitlich befristete Aufgaben, sogenannte Tasks.
Dies fördert die Leistungsfähigkeit. Denn nichts motiviert mehr, als Personen mit neuen Aufgaben und neuen Herausforderungen zu konfrontieren.
Zudem arbeiten die Mitarbeiter in variablen Arbeitsgruppen, in denen Personen mit verschiedenen Hintergründen ein gemeinsames Ziel anstreben. Das setzt neue Ideen frei. So können notwendige Innovationen, auch und gerade für das Wachstum der deutschen Wirtschaft entstehen.