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Mehr als Duft und Aroma

20.04.2013 -

Mehr als Duft und Aroma – Symrise setzt auf Produkte mit Zusatznutzen und das Geschäft mit großen Kunden.

Durch Akquisitionen und Fusionen lassen sich auch in bereits weitgehend konsolidierten Segmenten der Chemieindustrie Unternehmenswerte steigern.

Der Riech- und Aromenhersteller Symrise und der Druckfarbenhersteller Flint Group sind zwei Beispiele für die erfolgreiche Umsetzung der „buy and build"-Strategie eines Private Equity-Investors. Symrise – 2003 durch die Fusion von Dragoco und Haarmann & Reimer vom schwedischen Finanzinvestor EQT gegründet – ist seit Dezember 2006 an der Frankfurter Börse notiert.

Mit einem Marktanteil von 12 % ist das Unternehmen heute weltweit die Nummer 4 am Markt für Aromen und Riechstoffe und auf dem besten Weg, in punkto Profitabilität zu seinen großen Wettbewerbern aufzuschließen.

Wie das gelang, dazu befragte Dr. Andrea Gruß den ehemaligen Hoechst-Manager und heutigen Vorstandsvorsitzenden der Symrise, Dr. Gerold Linzbach.

 


CHEManager: Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die junge Historie Ihres Unternehmens werfen. Wie war die Ausgangssituation im Jahr 2002 vor der Gründung von Symrise?

Dr. G. Linzbach: Dragoco war ein Familienunternehmen. Salopp gesagt war es der bauchgesteuerte Teil der neuen Symrise - sehr flink darin, Konsumententrends aufzugreifen und sehr gewieft darin, die Bedürfnisse des Kunden zu verstehen, aber mangels Ressourcen und Schwerpunkt begrenzt in Reichweite und Technologien.

Die Bayer-Tochter Haarmann & Reimer verfügte dagegen über eine riesige Werkzeugkiste, gefüttert durch das Healthcare-Geschäft des Konzerns, war jedoch relativ weit weg vom Kunden - ein klassisches Problem der chemischen Industrie.

Im Grunde genommen war es logisch, aus den zwei Regionalligateams einen Bundesligaverein mit kombinierten Fähigkeiten zu machen.

 


Warum brauchte es dazu einen Investor aus dem Ausland?

Dr. G. Linzbach: Das Meisterstück von EQT war, die Verhandlungen parallel zu führen und das innerhalb einer extrem konzentrierten Industrie! Eine normale Verhandlungsstrategie hätte bei diesen Besitzerstrukturen nicht funktioniert.

Hätte Bayer offiziell Dragoco angesprochen, wäre die Industrie wenige Minuten später informiert gewesen. EQT hat zwei Unternehmen zusammengeführt, die für sich alleine zu klein waren, um große Firmen wie Coca-Cola oder Procter & Gamble weltweit zu bedienen.

Die Kunst war es, die beiden Firmen so zusammenzubauen, dass dabei ein homogenes Unternehmen mit der erforderlichen Mindestgröße entstand.

 


Neben Logik und Verhandlungsgeschick bedurfte dies sicher auch erheblicher Investitionen

Dr. G. Linzbach: Ja, doch im Gegensatz zu vielen Banken, bereit, eben auf Basis dieser Logik und von Brancheninformationen große Investition zu tätigen. Eine Bankenfinanzierung setzt vor allem auf Sicherheit, Private-Equity-Finanzierung dagegen auf Return-Chancen.

Deswegen war Private Equity der Schlüssel für diesen Deal.

 


Wie wirkte sich die Übernahme auf die Unternehmensführung aus?

Dr. G. Linzbach: Ein Private Equity-Haus hat nur einen beschränkten Zeitraum, um ein Unternehmen zum Erfolg zu führen, typischerweise fünf Jahre. Sie können also nicht zwei Jahre lang analysieren und dann zögerlich mit der Umsetzung beginnen, sondern müssen sofort loslegen.

Wenn ein eingeschlagener Weg dann nicht funktioniert, muss er modifiziert werden, aber dazu müssen Sie sich eben erst einmal auf den Weg begeben. Dies erfordert Manager mit geistiger Flexibilität und Umsetzungsstärke.

 


Welche Unternehmensstrategie haben Sie gemeinsam mit dem Investor für Symrise umgesetzt?

Dr. G. Linzbach: Wir sind bei der Formulierung unserer Philosophie beim Konsumenten gestartet. Dieser ist heutzutage sehr anspruchsvoll. Er will nicht nur einen Vanillejoghurt, er will einen Vanillejoghurt, der seine Verdauung regelt.

Er will nicht nur ein Shampoo, er will ein Shampoo, das seine Haare in Form hält, auch wenn es windig ist. Der Konsument verlangt mehr und mehr nach intelligenten Produkten mit Zusatznutzen.

Wir nennen sie „And"-Produkte. Und genau auf diese konzentrieren wir uns. Sie sind für uns sehr interessant, weil wir hier unsere Kernkompetenzen einbringen können und weil sie margenstark sind und auch in reifen Märkten in Segmente gehen, die schnell wachsen.

Hinzu kommen die immer kürzeren Produktlebenszyklen in unserer Industrie. Sie liegen derzeit bei zwei bis drei Jahren.

Dabei bleibt weniger als ein Jahr für die Produktentwicklung und damit kaum Zeit für die Entwicklung völlig neuer Technologien, weshalb unsere breite existierende „Werkzeugkiste" so hilfreich ist.

 


Welche Konsequenzen hat dies für das Geschäft eines Aromen und Riechstoffherstellers im Vergleich zu anderen Segmenten der Spezialchemie?

Dr. G. Linzbach: Es gibt zwei wesentliche Unterschiede: Zum einen entwickeln wir ein Produkt meist nur für einen Kunden.

Wir sind im gewissen Sinn also mehr ein Engineering- als ein Chemieunternehmen. Der andere Punkt, der uns von vielen Geschäften in der chemischen Industrie unterscheidet:

Unsere Produkte leisten nur einen kleinen Kostenbeitrag sind aber entscheidend für den Erfolg des Kundenprodukts. Denn Geruch- und Geschmacksinn sind mit die Hauptentscheidungskriterien beim Kauf. Das können Sie täglich vor ein Shampoo-Regal beobachten:

Viele Kunden flippen die Verpackung auf und riechen daran. Weil sie instinktiv davon ausgehen, dass Shampoos alle das Gleiche können, kaufen sie oft das mit dem besten Geruch.

 


Unterscheiden sich die Wünsche der Konsumenten nicht von Region zu Region sehr stark?

Dr. G. Linzbach: Ja, eine Spaghettisoße wird zum Beispiel in Süditalien anders gewürzt als in Mittel- oder Norditalien. Der überwiegende Teil unseres Geschäftes ist daher auch lokal.

Auch wenn man eine internationale Firma wie Procter & Gamble bedient, erfolgt die Produktentwicklung lokal. Es gibt lediglich einige Zusatzfunktionalitäten oder Technologien, die fast überall auf der Welt interessant sind. Zum Beispiel Stoffe, die es ermöglichen, den Zucker- oder Salzgehalt eines Rezeptes zu verringern.

Oder die Kapseltechnik: Wir können Geschmacks- oder Riechstoffe in kleine Kapseln packen und auf diese Weise ihre Wirkung zeitlich steuern, zum Beispiel im neuen Rexona.

Hier wurde der Duft in kleine Kapseln eingeschlossen, diese bleiben intakt bis Sie transpirieren und die Kapseln feucht werden. Dann brechen sie auf und setzen den Duft frei.

 


Wie beherrschen Sie diese Vielfalt an Produkten?

Dr. G. Linzbach: Wir leben mit dieser Komplexität schon seit langer Zeit. Das ist unser Business. Wir kaufen 10.000 Rohstoffe ein und machen daraus 30.000 Produkte.

Unsere Produkte sind meist Mischungen aus 10 bis 200 Inhaltsstoffen. Soweit wir mit dieser Komplexität Wert für den Kunden schaffen, ist er bereit, dafür zu zahlen. Wir müssen diese Komplexität aber auch managen, zum Beispiel durch Automatisierung der Produktion oder Entwicklung.

Unsere Mitarbeiter können Ihnen eine Rezeptur auf Basis „katalogisierter" Wirkstoffe entwickeln, was wenige Tage erfordert. Wir bieten Ihnen aber auch auf Wunsch ein Entwicklungsprojekt mit einem unserer Spitzenparfümeure.

Wenn er mit seinem Team ein halbes Jahr aktiv wird, kostet Sie das etwa 1,5 Mio. €. Auch hier ist das Produkt eine kleine Flasche mit einer Probe. Diese Bandbreite abzudecken ist unsere Kunst.

 


30.000 Produkte, das klingt nach einem immensen Aufwand für die Umsetzung der Reach-Verordnung?

Dr. G. Linzbach: Nein, hier befinden wir uns bei Symrise in einer sehr privilegierten Situation. Aufgrund der Tatsache, dass der überwiegende Anteil unserer Produkte in den direkten Kontakt mit dem Menschen kommt, sind wir schon lange im „Genehmigungs- und Registrierungsgeschäft" aktiv.

Wir können damit sehr gut umgehen. Hierzu trägt auch unsere Bayer-Historie bei. Außerdem liegt das politische Augenmerk sehr viel stärker auf synthetischen Wirkstoffen. Was synthetisch ist, muss geprüft werden.

Hiervon profitieren wir insbesondere bei unseren Aromen, denn der überwiegende Teil unserer Produkte - etwa 80 % - werden aus natürlichen Rohstoffen extrahiert, der synthetische Anteil ist gering.

 


Mit dem Börsengang im Dezember 2006 haben Sie und Ihr Investor einen wichtigen Meilenstein erreicht. Wird EQT demnächst völlig aussteigen?

Dr. G. Linzbach: EQT hat eine lock-out period bis Mitte dieses Jahres. Danach können sie aussteigen, sie müssen aber nicht. (vgl. aktuelle Meldung auf dieser Seite)

 


Worauf konzentrieren Sie derzeit Ihre Energie bei Symrise?

Dr. G. Linzbach: Wir konzentrieren uns auf den Bereich der And-Produkte. Ihren Anteil am Umsatz wollen wir mittelfristig von derzeit rund 30% auf etwa 40-50% steigern, ebenso den Anteil unseres Umsatzes mit wachstumsstarken Großkunden.

Bereits im vergangenen Jahr haben unsere beiden Divisionen zusammen im Schnitt rund 15% beim Umsatz mit unseren zehn größten Kunden zugelegt.

Auf diese Weise wollen wir in den Jahren 2007 und 2008 ungefähr doppelt so schnell wachsen wie der Markt. Wir erwarten ein Umsatzplus von 5 bis 6 % pro Jahr und eine EBITDA-Marge von über 20 % für das laufende Geschäftsjahr.

 


Welche Rolle spielen Akquisitionen in Ihrer Wachstumsstrategie?

Dr. G. Linzbach: Kleinere Akquisitionen gehören dazu. Es ist in vielen Fällen schneller und wesentlich risikoärmer, eine fertige Technologie zu kaufen, statt sie im Haus zu entwickeln.

Auch das kommerzielle Risiko ist gering, denn rund um die Technologie gibt es bereits eine Firma. Sie ist meist nur zu klein, um Position bei den ganz großen Kunden zu bekommen. Hier können wir helfen.

Und sollten wir uns wirklich mal getäuscht haben, dann verkaufen wir eine Akquisition wieder. Hier habe ich viel gelernt von unseren Private Equity-Freunden.

 

 

www.symrise.com

 

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