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Wir brauchen einen Kulturwandel

05.03.2013 -

Wir brauchen einen Kulturwandel  – Wie die BASF Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördert. Die Geburtenzahlen sinken, die Lebenserwartung steigt.

Angesichts dieses demografischen Wandels gewinnt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht nur gesellschaftspolitisch an Bedeutung, auch in den Unternehmen steigt der Stellenwert einer familienbewussten Personalpolitik.

Dr. Andrea Gruß befragte Hans-Carsten Hansen, Personalchef der BASF, wie der Chemiekonzern seine Mitarbeiter dabei unterstützt, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen.

 


CHEManager: Herr Hansen, welche Rolle kommt Ihrer Meinung nach den Unternehmen zu, wenn es darum geht, unser Land familienfreundlicher zu machen?

H.-C. Hansen: Wir können zwar dem Staat nicht die Verantwortung für eine nachhaltig wirksame Familienpolitik abnehmen, aber einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen, Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bringen.

Zum Beispiel durch Maßnahmen wie flexible, familiengerechte Arbeitszeiten, die Erleichterung des Wiedereinstiegs nach einer Elternzeit oder die Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen. Oftmals sind solche Maßnahmen ohne großen personellen und finanziellen Aufwand möglich.

Dennoch bleiben die staatlichen Rahmenbedingungen ein entscheidendes Kriterium für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wünschenswert ist ein Dreiklang aus Elternzeit, Elterngeld und einem flächendeckenden Betreuungsangebot für Kinder, wie ihn die Sozialpartner der chemischen Industrie in ihrer Vereinbarung vom Januar 2007 fordern.

 

 

Die BASF erhielt im Juli 2005 als eines der ersten Unternehmen der chemischen Industrie das Grundzertifikat des Audits Beruf und familie. Welche Ziele verfolgten Sie mit der Zertifizierung?

H.-C. Hansen: Als sozial verantwortlich handelndes Unternehmen möchten wir es unseren Mitarbeitern leichter machen, die richtige Work-Life-Balance zu finden.

Durch die Teilnahme am Audit wollten wir zum einen die unternehmensinterne Diskussion zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ankurbeln, zum anderen unsere bestehenden Angebote kontinuierlich überprüfen, verbessern und ergänzen.

Natürlich möchten wir durch das Zertifikat auch das Engagement der BASF für Familien in der Öffentlichkeit sichtbar machen und uns als attraktiver Arbeitgeber positionieren.

Mit unserem Engagement tragen wir der demografischen Entwicklung und dem künftig noch weiter zunehmenden Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere um qualifizierte Frauen, Rechnung.

 


Welche konkreten Ziele haben Sie sich damals gesetzt und wie weit ist deren Umsetzung fortgeschritten?

H.-C. Hansen: Auf unserer Agenda stand unter anderem der Ausbau der Kinderkrippenplätze für Mitarbeiterkinder, die schnellere Wiedereingliederung nach der Elternzeit, eine Teilzeitoffensive, die Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen sowie eine verbesserte Kommunikation über das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie - innerhalb und außerhalb des Unternehmens.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung unserer Ziele ist die Kinderbetreuung. Im Januar 2007 haben wir unsere zweite BASF-Kindertagesstätte „Lukids Krippe Süd" eröffnet und damit die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder von sechs Monaten bis zu drei Jahren von 30 auf 60 verdoppelt.

Insgesamt haben wir rund 1,9 Mio. € in den Krippen-Neubau investiert. Die Kinder werden dort in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz der Eltern von 7 bis 18 Uhr betreut.

 

Welche Instrumente bieten Sie Ihren Mitarbeitern über die Kinderbetreuung hinaus, um Berufs- und Privatleben besser in Einklang zu bringen?

H.-C. Hansen: Das Spektrum umfasst viele flexible Arbeitszeitmodelle - von der flexiblen Monats- und Jahresarbeitszeit bis zur Vertrauensarbeitszeit - Teilzeitregelungen und Modelle für ortsunabhängiges Arbeiten.

Diese Maßnahmen kommen nicht nur jungen Eltern zu Gute, sondern zum Beispiel auch Mitarbeitern, die ihre Angehörigen pflegen möchten.

 


Greifen diese Maßnahmen?

H.-C. Hansen: Es ist schwer, ihre direkte Wirkung zu messen. Viele Entwicklungen lassen sich auch nicht auf nur eine Ursache zurückführen. So sind beispielsweise die Fehlzeiten gesunken.

Das kann man auf eine höhere Mitarbeitermotivation, aber auch auf die allgemeine Beschäftigungssituation zurückführen. Doch ein Trend ist unverkennbar:

Bereits seit den 80er Jahren können unsere Mitarbeiter in der Elternzeit wählen, ob sie mit einer Wiedereinstellungszusage für die Kinderbetreuung einige Jahre zu Hause bleiben wollen oder zurückkehren und in Teilzeit, mindestens 50 %, arbeiten.

Hier beobachten wir, dass durch unsere Instrumente die Rückkehrerquote in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist, ebenso die Quote derer, die während Elternzeit in Teilzeit arbeiten. Allein am Standort Ludwigshafen gingen im Jahr 2006 über 30 % von knapp 500 Mitarbeitern in der Elternzeit einer Teilzeitbeschäftigung nach.

 


Inwieweit lassen sich die Teilzeitmodelle auch auf Führungsebene umsetzen?

H.-C. Hansen: Wir bieten auch im Führungskräftebereich Teilzeitmodelle an.

Dank des überschaubaren Personenkreises können hier auch immer individuelle Lösungen gefunden werden.

 


Sie nannten einen höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen als weiteres Ziel des Audits. Welche Maßnahmen ergreifen Sie hier und wie kommen Sie voran?

H.-C. Hansen: Heute sind rund 20 % unserer Beschäftigten Frauen. Etwa 6 % unserer Führungspositionen werden von Frauen besetzt.

Nach kontinuierlichen Steigerungen mussten wir im letzten Jahr bei gleich bleibender Gesamtzahl einen leichten Rückgang des relativen Anteils der Frauen in Führungspositionen verzeichnen, weil sich durch Akquisitionen die Gesamtzahl der Führungskräfte erhöhte.

Wir wollen weiterhin den Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöhen, jedoch besetzen wir unsere Stellen nicht nach Quoten, sondern nach Qualifikation.

Daher fördern wir Frauen, bevorzugen sie bei der Stellenvergabe jedoch nicht in besonderer Weise.

 


Im kommenden Jahr will die BASF das weiterführende Zertifikat des Audits Berufundfamilie erwerben. Wie lassen sich Ihre bisherigen familienfördernden Maßnahmen noch verbessern?

H.-C. Hansen: Erst im April diesen Jahres haben wir drei weitere Maßnahmen beschlossen: Zum einen werden wir unsere bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen durch eine „Ad-hoc" Betreuung ergänzen. Diese ermöglicht es Eltern, einen spontanen, unvorhersehbaren Betreuungsbedarf für Kinder zwischen sechs Monaten und zehn Jahren abzudecken.

Hierfür werden wir das reguläre Angebot unserer „Lukids Krippen" am Standort Ludwigshafen, auch was die Gebäude betrifft, entsprechend erweitern. Zudem werden wir Wiedereinstiegsseminare für Eltern anbieten, die ihnen die Rückkehr in den Job erleichtern.

Der dritte Baustein betrifft die Altersvorsorge: Um die finanziellen Einbußen von Müttern und Vätern, die zur Kinderbetreuung zu Hause bleiben, zu minimieren, engagieren wir uns im Bereich der betrieblichen Altersversorgung.

Für das erste Jahr der Elternzeit bieten wir die Möglichkeit, weiter in die betriebliche Altersversorgung einzuzahlen und erhöhen dabei auch die Arbeitgeberleistung.

 


In Ihren Antworten klang es bereits an, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erfordert nicht nur Maßnahmen, sondern auch ein Umdenken. Was können Sie als Unternehmen dazu beitragen?

H.-C. Hansen: Durch die Gesamtbetrachtung der Auswirkungen des demografischen Wandels haben wir die wirtschaftliche Relevanz des Themas Vereinbarkeit von Beruf und Familie betont und es aus der in der Politik mal so bezeichneten „Gedönsecke" herausbekommen.

Das ist insbesondere wichtig mit Blick auf die Führungskräfte. Diese sensibilisieren wir ganz gezielt für Fragen zum Thema: Was verstehen wir unter familienfreundlicher Personalpolitik?

Und wie wollen wir, dass diese gelebt und angenommen wird? Unsere Führungskräfte tragen ganz wesentlich dazu bei, dass unsere personalpolitische Philosophie auch umgesetzt wird. Natürlich kommen dennoch immer wieder Fragen auf wie: Schadet Teilzeit der Karriere?

Oder: Welche Karrierechancen hat ein junger Mann, der vorübergehend zuhause bleibt und sich um die Kinder kümmert? Ein Baustein unseres Programms „Generations@ Work", in dem wir uns mit den verschiedensten Facetten des demografischen Wandels und seinen Auswirkungen befassen, ist daher der Kulturwandel.

Wir beschäftigen uns mit bestehenden Bildern in der europäischen Gesellschaft und machen uns Gedanken, wie wir als Unternehmen am „Change" in den Köpfen mitwirken können.

 


Was wünschen Sie sich für die öffentliche Diskussion des Themas Vereinbarkeit Beruf und Familie?

H.-C. Hansen: Hier in Deutschland reden wir immer noch viel zu oft vom „Heimchen am Herd" oder von „Rabenmüttern" und „Karrierefrauen". Diese ideologische Diskussion sollten wir vermeiden.

Dafür ist das Thema viel zu bedeutend. Wir brauchen einen Kulturwandel, aber der ist nicht so einfach zu erreichen. In den Köpfen der Menschen legt keiner einen Hebel um, keine Familienministerin, kein BASF-Vorstand.

Die Menschen entscheiden frei, was für sie am besten ist. Bei der BASF setzen wir uns daher unter Berücksichtigung von Demografieaspekten für diese Freiheit ein: Das sehen Sie an den bereits beschriebenen Maßnahmen.

Sie fördern nicht allein das Leitbild der Karrierefrau, sondern unterstützen auch andere Lebensmodelle. Wir schaffen Optionen für Freiheiten. Und das motiviert ungeheuer.