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Commerzbank-Studie: Die Internationalisierung des Mittelstands

Neue Märkte, neue Chancen

04.06.2013 -

Wie sieht der Mittelstand seine Chancen im Ausland? Welche Märkte sind derzeit besonders attraktiv? Diese und andere Fragen hat die Commerzbank-Mittelstandsinitiative Unternehmerperspektiven 4.000 Mittelständlern, Wirtschaftswissenschaftlern an deutschen Universitäten sowie Verantwortlichen an Auslandsstandorten deutscher Unternehmen gestellt.

Dr. Andrea Gruß befragte Markus Beumer, Mitglied des Vorstands der Commerzbank, zu den Ergebnissen der aktuellen Studie.

CHEManager: Herr Beumer, wie ist die Stimmung im deutschen Mittelstand?

Markus Beumer: Rund 90 % der deutschen Unternehmer, so das Ergebnis unserer Studie, meinen, man müsse sich auf Grenzen des Wachstums einstellen. Gut zwei Drittel fürchten, es könne Finanzierungsengpässe geben. Fast ebenso viele erwarten starke Schwankungen in der Nachfrage und jedes zweite Unternehmen rechnet mit Zahlungsausfällen.

Der Anteil der Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, ist - im Vergleich zum Jahr 2007 - nahezu gleich geblieben. Und lediglich 9 % der bisher auf den deutschen Markt fokussierten Unternehmen ziehen den Gang ins Ausland in Erwägung. Vor fünf Jahren war das noch knapp ein Viertel.

Das klingt nach ungünstigen Rahmenbedingungen für eine weitere Internationalisierung?

Markus Beumer: Die Zahlen der Wirtschaftswissenschaftler sprechen eine andere Sprache. Der deutsche Mittelstand nutzt die Skaleneffekte in Europa am besten und er ist am stärksten internationalisiert - auch über Europas Grenzen hinaus.

Über 32.000 deutsche Unternehmen sind mittlerweile im Ausland aktiv. 50 % der deutschen Unternehmen setzen im Ausland ab, 50 % beziehen Produkte aus dem Ausland. Der Umsatz jenseits des Binnenmarkts steigt wieder stetig an und hat sich damit gut von der Krise 2009 erholt. International tätige Unternehmen bauen ihre Geschäfte tendenziell aus und wachsen.

Wie erklären Sie sich diese unterschiedlichen Sichtweisen?

Markus Beumer: Internationalisierungswillige Unternehmen starten in europäischen Nachbarländern und bauen mit ihren Erfahrungen ihr internationales Portfolio schrittweise aus. Unternehmen mit Potential zur Internationalisierung sind aber momentan zurückhaltend, da sie die Situation in Europa, besonders in Mittel- und Südeuropa, als zu wenig erfolgversprechend erachten und sich den Schritt gleich nach Asien nicht zutrauen. Was wir sehen, ist also ein gewisser Internationalisierungsstau im ersten Schritt.

In unserer Befragung 2007 hat sich das anders dargestellt. Da waren diejenigen, die den ersten Schritt noch nicht getan hatten, eher gewillt zu internationalisieren, weil die Rahmenbedingungen in Europa deutlich besser waren. Diese Unternehmen profitieren jetzt auch von ihren Erfahrungen und sind deutlich weniger abhängig von den europäischen Märkten. Sie können auch in Asien, Russland und Amerika wachsen.

Autobauer in Deutschland und Frankreich sind dafür gute Beispiele - wer über eine starke Europa-Präsenz verfügt, aber nicht auf die Wachstumsmärkte gesetzt hat, bekommt ein Problem mit der Wachstumsdynamik. Und umgekehrt haben Wachstumsmärkte wie Russland und China deutsche Autobauer die Krise in Europa gut verkraften lassen.

Wie lässt sich der Internationalisierungsstau auflösen?

Markus Beumer: Wir müssen den Unternehmen, die noch zögern, mehr Mut machen, in die Internationalisierung einzusteigen. Sie brauchen mehr Unterstützung, damit sie den Lernprozess nicht zwangsläufig bei den Nachbarn in Mittel- und Südeuropa machen müssen, sondern so viel Wissen haben, dass sie gleich einen Schritt weiter gehen können.

Wer kann diese Unterstützung leisten?

Markus Beumer: Mittelständler - das sehen wir in der Befragung - wenden sich zunächst einmal an andere Unternehmer, die sie gut kennen. Unternehmen müssen darüber reden, was ihnen geholfen hat und wie sie ihren Weg gemacht haben. Der Erfahrungsaustausch untereinander ist unersetzbar. Er muss organisiert und intensiviert werden.

Auch Kammern, Außenhandelsgesellschaften und nicht zuletzt wir Banken müssen die Unternehmen mit unserem Wissen und unseren Ressourcen unterstützen. Für den Unternehmer ist es dabei wichtig, dass er seine Ratgeber und Partner kennt, dass sie aus der eigenen Region kommen und es möglich ist, mit den handelnden Personen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Vertrauen ist am wichtigsten, wenn wir Momentum für Wachstum durch Internationalisierung nicht verlieren wollen.

Wie ist es um das Vertrauen der Mittelständler in den Standort Europa bestellt?

Markus Beumer: Der deutsche Mittelstand blickt nach wie vor sorgenvoll und ängstlich auf Europa. Wird die Euro-Krise zu Finanzierungsproblemen führen? Müssen wir uns auf Dauer an stark schwankende Nachfrage gewöhnen? Werden die Unsicherheit und das ‚Fahren auf Sicht' zum Dauerzustand? Die Fixierung auf diese Fragen ist keine gute Voraussetzung, um mit Mut und Schwung innerhalb und außerhalb von Europa Wachstum auf fremden Märkten zu suchen. Was wir brauchen, sind mehr Multiplikatoren für den Erfolg von Auslandsstrategien. Mehr Mut zum Mutmachen. Denn die Rahmenbedingungen sind gar nicht mal schlecht:

Geld ist so günstig wie noch nie, der Zugang zu stark wachsenden Märkten wird immer leichter und der deutsche Mittelstand ist vergleichsweise gut durch die Euro-Krise gekommen. Aber: Die Auflagen der Banken im Kreditgeschäft steigen weiter, die Euro-Krise ist noch nicht durchgestanden und der Dauerzustand unsicherer Rahmenbedingungen trübt die Stimmung.

Zu Recht? Wie bewerten die Wirtschaftswissenschaftler die Situation?

Markus Beumer: Sie bestätigen zwar, dass die Rahmenbedingungen alles andere als optimal sind. Aber sie sehen bei längerfristiger Betrachtung des wirtschaftlichen Geschehens auch die kommenden Chancen. Der Mittelstand, so scheint es, hat diese derzeit etwas aus den Augen verloren. Dabei zeigen viele Beispiele, wie Unternehmen die aktuellen Herausforderungen beim Gang ins Ausland positiv und erfolgreich meistern können.

Joint Ventures und Kooperationen mit Unternehmen aus Deutschland bieten Möglichkeiten, gemeinsam Märkte zu erobern und dabei Risiken oder finanzielle Lasten abzufedern. Denn häufig sind deutsche Unternehmen allein zu klein, um die großen Herausforderungen anzunehmen. Viele Spezialisten, die in ihrem Segment Weltklasse sind, können die Nachfrage nicht bedienen, wenn Kunden in wachsenden Märkten integrierte Komplettlösungen suchen. Da sind neue Ideen gefragt, wie man diese Einzelangebote bündeln und solche Entwicklungs- und Verkaufsprozesse steuern kann. Die von den Außenhandelsgesellschaften gebildeten Cluster sind sicherlich ein möglicher Weg, den Gang ins Ausland abzufedern. Aber auch hierzulande sollten sich mehr Unternehmen Gedanken machen, wer ihre Partner sein könnten.

Grundsätzlich müssen wir in Deutschland lernen, stärker aufeinander zu vertrauen, neue Wege zu denken und zu gehen. Nur so können wir auf Dauer im internationalen Konzert mitspielen und unsere Chancen auf Wachstum weiterhin nutzen.

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Mehr zur Internationalisierung der mittelständischen Chemie- und Pharmaindustrie lesen Sie in der ausführlichen Branchenauswertung der 13. Unternehmerperspektiven-Studie „Neue Märkte, neue Chancen - Wachstumsmotor Internationalisierung":

 

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