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Großanlagenbau mit Zukunftssorgen

Talsohle im Auftragseingang durchschritten - Inlandsnachfrage schwach - Trend zu Mega-Projekten

23.03.2010 -

Die Mitgliedsfirmen der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau (AGAB) erzielten 2009 Bestellungen in Höhe von 22,1 Mrd. €. Das ist ein Drittel weniger als im Rekordjahr 2008 (32,8 Mrd. €).

„Dennoch ist es den deutschen Anbietern gelungen, ihre relative Stärke im Vergleich zum Wettbewerb zu behaupten. Marktanteile haben die Unternehmen 2009 nicht eingebüßt", kommentierte AGAB-Sprecher Dieter Rosenthal, SMS Siemag AG, die aktuellen Zahlen.

„Das bedeutet", so Rosenthal weiter, „die Krise ist keine Krise des deutschen Großanlagenbaus, sondern des internationalen Industriegütergeschäfts!" Dennoch stellte er fest, dass sich das Marktumfeld des Großanlagenbaus im Vergleich zu der Zeit vor dem Boom strukturell verändert habe. Einem auf mittlere Sicht deutlich geringeren Bedarf stehen mehr Anbieter gegenüber. Während die Zahl der etablierten Markteilnehmer aus Europa, den USA und Japan nahezu unverändert geblieben ist, haben neue Konkurrenten aus Ostasien an Gewicht gewonnen: Chinesische Wettbewerber drängen infolge ihrer nachlassenden Binnennachfrage verstärkt auf den Weltmarkt. Der südkoreanische Anlagenbau verbucht Erfolge, teilweise sogar gegen den allgemeinen Markttrend. Um die Position als Nr. 2 auf dem Weltmarkt hinter dem US-Großanlagenbau zu halten, müssten deutsche Anbieter ihre Anstrengungen hinsichtlich wettbewerbsfähiger Kostenstrukturen und Leistungsangebote daher weiter verstärken.

Der Großanlagenbau erlebt einen Trend zu immer größeren Projektvolumina, der sich auch 2009 fortgesetzt hat. Rosenthal: „Eine funktionsfähige staatliche Exportkreditversicherung (Hermesdeckung) ist deshalb mehr denn je von zentraler Bedeutung, denn nur mit soliden Finanzierungen kann der deutsche Großanlagenbau international wettbewerbsfähig bleiben."

In Deutschland ist die Nachfrage 2009 um 41 % auf 3,9 Mrd. € (2008: 6,5 Mrd. €) gefallen. Nahezu alle Sparten verzeichneten erhebliche Rückgänge, so auch der Kraftwerksbau. „Vor allem die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz von Kohlekraftwerken macht den Anbietern zu schaffen. Durch die Entwicklung von Verfahren zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid wirkt der Anlagenbau diesem Trend jedoch aktiv entgegen", erläuterte Rosenthal.

Die Auslands-Auftragseingänge sanken im Berichtszeitraum um ein Drittel auf 18,3 Mrd. € (2008: 26,3 Mrd. €). Die Industrieländer (Westeuropa, Nordamerika, Japan und Australien) waren mit Bestellungen von 4,7 Mrd. € (2008: 8,7 Mrd. €) die bedeutendste Kundengruppe. Die Nachfrage aus China, Indien und Russland lag um gut die Hälfte unter dem jeweiligen Vorjahresniveau. Ein Wachstumsmarkt des Großanlagenbaus war hingegen der Nahe und Mittlere Osten: Die Auftragseingänge stiegen hier von 2,4 Mrd. € auf 4,6 Mrd. €. Umfangreiche Industrieprojekte wie der Aufbau eines multinationalen Stromnetzes in den Staaten des Golfkooperationsrats oder die Errichtung großer Chemiekomplexe in Abu Dhabi oder Katar zogen die Anlagennachfrage nach oben.

Mit einem Weltmarktanteil von 20 % und 80 % Exportquote bewirken die Anlagenbau-Unternehmen einen erheblichen Mitnahmeeffekt für die inländische Zulieferindustrie.

Hermesdeckung als Instrument der Exportförderung stärken

Der Großanlagenbau steht zu den für die deutsche Politik maßgeblichen umweltpolitischen Zielen der OECD-Wettbewerbsregeln für staatlich geförderte Exportkredite. Aber anstatt diese einseitig zu verschärfen, müssen politische Anstrengungen unternommen werden, die staatlichen Exportkreditgarantien aus Nicht-OECD-Ländern, insbesondere Chinas, in die bewährte Disziplin des OECD-Konsensus einzubinden. Rosenthal: „Andernfalls besteht Gefahr, dass vermehrt Projekte mit niedrigeren Umweltstandards durch Wettbewerber aus Nicht-OECD-Ländern den Zuschlag bekommen und die umweltpolitischen Ziele des Konsensus unterhöhlen."

Mit Sorge sieht der Großanlagenbau, dass immer neue politische Forderungen in der OECD das ursprüngliche Ziel einer Exportförderung mit Hilfe von finanziell selbst tragenden Instrumenten gefährden. Die deutsche Politik muss sich nachdrücklich für OECD Wettbewerbsregeln einsetzen, die den veränderten globalen Wirtschaftstrukturen entsprechen.

Steuerpolitik: Doppelbesteuerungsabkommen stringent einhalten

Der Großanlagenbau begrüßt, dass sich die Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm dem Thema Doppelbesteuerungsabkommen gewidmet hat. „In diesem Zusammenhang hoffen wir, dass sich die Politik für eine stringente Einhaltung von Doppelbesteuerungsabkommen im Ausland einsetzt und die im globalen Wettbewerb stehenden Anlagenbauer durch ein Festhalten an der Freistellungsmethode stärkt", so der AGAB-Sprecher.

Beschäftigungszuwachs gegen den Markttrend

Trotz der schwierigen Auftragslage haben die Unternehmen der AGAB ihre Stammbelegschaften in Deutschland 2009 auf 59.600 Personen (2008: 58.400) ausgebaut. Mehr als sechs % davon waren im Bereich Forschung und Entwicklung beschäftigt. Rosenthal: „Dies zeigt, dass der Großanlagenbau eine baldige Rückkehr zu normaleren Marktverhältnissen erwartet und seine Marktstrategie der Technologieführerschaft beibehält."

Ausblick 2010: Talsohle im Großanlagenbau durchschritten

Der Großanlagenbau schließt eine rasche Rückkehr auf das Niveau der Boomjahre 2007 und 2008 aus. „Vielleicht waren es goldene Jahre, die so schnell nicht zurückkommen." Dennoch ist die Branche nicht pessimistisch. „Die Mitglieder der AGAB rechnen für 2010 mit auf aktuellem Niveau oder leicht darüber liegenden Bestellungen. Die Talsohle im Auftragseingang ist durchschritten, und die über 2010 hinausreichenden Zukunftsperspektiven des Großanlagenbaus sind günstig", lautet das Fazit Rosenthals.

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