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Klimaschutz und Energieeffizienz: „Es ist immer noch was drin"

08.08.2013 -

„Es ist immer noch was drin" – Klimaschutz und Energieeffizienz sind bei BASF schon seit langem wichtige Themen.

Rund 400 Mio. € pro Jahr gibt BASF für klimaschutzbezogene Forschung aus. Das entspricht mehr als einem Drittel des gesamten Forschungsbudgets.

Beispiele sind Materialien für die nächste Generation von Solarzellen oder Pflanzen, die als nachwachsende Rohstoffe dienen. Auch bei der Entwicklung von Dämmmaterialien für energieeffizientere Gebäude ist BASF Vorreiter.

Im Februar legte das Unternehmen die weltweit erste CO2-Bilanz vor, im Mai benannte sie Dr. Ulrich von Deessen als Klimaschutzbeauftragten. Im Interview mit CHEManager erläutert von Deessen seine Aufgaben und die Unternehmensstrategie, die dahinter steckt. Das Interview führte Maria Knissel.

 


CHEManager: Herr Dr. von Deessen, Sie sind seit Mai der erste Klimaschutzbeauftragte der BASF? Was sind Ihre Aufgaben?

Dr. Ulrich von Deessen: Bei BASF laufen sehr viele Aktivitäten zum Klimaschutz. Das beginnt in der Forschung mit Projekten zu Energieeffizienz, Klimaschutz und Ressourceneinsatz, die rund ein Drittel unseres gesamten Forschungsbudgets ausmachen.

Weiter geht es bei dem Einkauf unserer Rohstoffe, wo wir Transportwege optimieren und die emissionsärmsten Transportmittel wählen können.

Und natürlich spielt das Thema in jedem Geschäftsprozess eine Rolle - denken Sie etwa an die Dämmmaterialien, die wir für den Hausbau herstellen. Meine Aufgabe besteht darin, in unserem Unternehmen diese vielfältigen Aktivitäten zu koordinieren und für den Informationsfluss zu sorgen.

Und natürlich werde ich auch aktiv in die Gruppe hineinwirken, um für weitere Optimierungen in Richtung Klimaschutz zu sorgen.

 


Als erstes deutsches Unternehmen hat die BASF eine CO2-Bilanz aufgestellt. Können Sie uns diese kurz erklären?

U. von Deessen: Wir haben sämtliche Treibhausgas-Emissionen, die auf unser Chemiegeschäft zurückzuführen sind, unter die Lupe genommen und über den gesamten Lebenszyklus bilanziert.

Im Prinzip haben wir beim Bohrloch oder im Bergwerk angefangen und betrachtet, welche CO2-Emissionen durch den Einkauf dieser Rohstoffe entstehen.

Dabei haben wir auch die Transporte und die dabei entstehenden Emissionen mit bewertet. Im nächsten Schritt werden diese Stoffe dann in unseren Produktionsanlagen weiter veredelt. Bei den Produkten haben wir dann gezielt diejenigen betrachtet, die bei ihrer Verwendung eine substanzielle CO2-Ersparnis bringen.

Das sind z. B. Dämmmaterialien, aber auch Additive im Benzin, die die Verbrennung verbessern, oder Kunststoffe, die das Gewicht von Fahrzeugen reduzieren. Und letztlich müssen ja alle Produkte irgendwann entsorgt werden. Auch das haben wir natürlich einberechnet.

 


Wie ist die Bilanz ausgefallen?

U. von Deessen: Wir emittieren zusammen mit unseren Vorproduzenten rund 90 Mio. t CO2 und unsere Produkte sparen 250 Mio. t ein. Das ist ein 3:1 für das Klima!

 


BASF hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Der Ausstoß an Treibhausgasen soll bis 2020 um 25 % gesenkt werden ...

U. von Deessen: Es ist uns gelungen, die Produktionsmengen von den Emissionen weitgehend zu entkoppeln. Wir haben seit 1990 Produktionsmengensteigerungen von etwa 75 %.

Und im selben Zeitraum sind die Treibhausgase absolut gesehen um 31 % zurückgegangen. Wenn Sie das auf die Tonne umrechnen, ergibt sich sogar eine Reduktion um 61 %.

Das ist also für uns kein neues Thema. Neu sind die politischen Entwicklungen. Die dritte Handelsperiode im Emissionshandel wird ja von 2013 bis 2020 dauern.

Daher haben wir das Jahr 2020 als Zielmarke genommen und wollen bis dahin unseren spezifischen Ausstoß an Treibhausgasen nochmals um 25 % senken. Der Schlüssel dazu sind Verbesserungen der Energieeffizienz.

Daher wollen wir unsere Prozesse um 25 % energieeffizienter machen.

 


Wie wollen Sie diese Energieeffizienzsteigerungen erreichen?

U. von Deessen: Bereits in den 70er Jahren hat die BASF alle Produktionsstandorte weltweit angeschaut und untersucht, wie beispielsweise ein chemischer Prozess, der Wärme liefert, mit einem anderen Prozess gekoppelt werden kann, der Wärme braucht.

In unserem Werk in Antwerpen z. B. sind die einzelnen Verfahren so austariert, dass wir eigentlich nur noch zum Anfahren der Anlagen und im Winter zusätzlich Dampf herstellen müssen. In der ganzen BASF-Gruppe sparen wir auf diese Art und Weise - wir nennen das Energie-Verbund - fast 1,6 Mio. t Rohöläquivalente. Das entspricht 5 großen Megatankern.

Allerdings: Die niedrig hängenden Früchte sind bereits geerntet. Daher gehen wir jetzt mit einem Experten-Team Stück für Stück durch die Betriebe und führen eine ganz klassische Energieberatung durch. Es ist immer noch was drin. Gibt es Prozesse, bei denen Sie noch ein besonders großes Potential für die Reduktion von Treibhausgasen sehen?

U. von Deessen: Derzeit konzentrieren wir uns stark auf ein Treibhausgas, das in der Öffentlichkeit kaum diskutiert wird: das Lachgas. Es entsteht beispielsweise bei der Herstellung von Adipinsäure oder Salpetersäure und hat einen wesentlich stärkeren Klimaeffekt als CO2.

Die BASF stellt spezielle Katalysatoren her, die das Lachgas in die lufteigenen Bestandteile Stickstoff und Sauerstoff umwandeln. In Ludwigshafen haben wir außerdem ein innovatives Projekt gestartet: Wir wollen künftig Teile des Lachgases, das bei der Produktion als Abgas entsteht, als Oxidationsmittel in einem Herstellungsprozess einsetzen - also ein Treibhausgas zu einem Einsatzstoff umfunktionieren.

 


Welche Rolle spielt für BASF in diesem Zusammenhang der Emissionshandel?

U. von Deessen: Zurzeit haben wir die Möglichkeit, in Entwicklungsländern Projekte zur Reduktion von Treibhausgasen zu realisieren und uns die dort eingesparten CO2-Mengen auf unsere Zertifikate anrechnen zu lassen.

Das ist ein ganz wesentliches Instrument, um Klimaschutz- Technologien in die Schwellen- und Entwicklungsländer zu transferieren. Wir haben beispielsweise in China eine Adipinsäureanlage mit unseren Katalysatoren ausgerüstet und damit eine Reduktion von jährlich fast 10 Mio. t CO2 bewirkt.

Das ist natürlich wesentlich wirkungsvoller und kostengünstiger, als hierzulande bei einer Anlage den letzten Prozentpunkt hinter dem Komma herauszuholen. Daher muss uns dieses Instrument in den nächsten Handelsperioden erhalten bleiben. Es spielt im Emissionshandel eine große Rolle für die europäische Industrie.

 


Wie beurteilen Sie denn die Vorreiterrolle Europas dabei?

U. von Deessen: Grundsätzlich ist es in Ordnung, wenn Europa sich beim Klimaschutz als Vorbild positioniert. Die deutsche Industrie hat ja bereits unter Beweis gestellt, dass sie die Reduktionsverpflichtungen von 21 % bis 2012 einhalten wird.

Doch Klimaschutz ist eine globale Aufgabe. Deshalb müssen wir alle mit ins Boot holen und zeigen, dass auch mit Klimaschutz wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand möglich sind.

In Europa wird allerdings von unseren Politikern zu einseitig an der Schraube ‚Industrie' gedreht. Wohnen und Verkehr verursachen deutlich mehr klimarelevante Gase. Stellen Sie sich einmal vor, unsere Altbauten würden wirklich flächendeckend auf den 7-Liter-Standard gedämmt.

Dann könnte Deutschland pro Jahr über 80 Mio. t CO2 einsparen - das entspricht der Hälfte des jährlichen CO2-Ausstoßes des deutschen Kraftverkehrs.

Das hätte natürlich auch sehr positive Effekte für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Und wäre damit ein gutes Beispiel für die Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und Klimaschutz auch für Länder außerhalb Europas. Wir können in Europa also Vorbild sein - vor allem mit unseren neuen Technologien zum Klimaschutz.

Die einseitige Belastung einer energieintensiven Branche wie der chemischen Industrie durch die Auktionierung von Emissionszertifikaten wird zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit führen. Wesentliche Wertschöpfungsketten sind dann in Europa nicht mehr wirtschaftlich.

Wir riskieren eine schleichende Aushöhlung der europäischen Produktionsstandorte mit den bekannten Folgen - und das will niemand.