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Nycomed stellt sich neu auf: Interview mit Dr. Barthold Piening, Nycomed

Der Schweizer Pharmakonzern will seine Pipeline gemeinsam mit Partnern füllen

05.11.2009 -

In den Jahren 2007 und 2008 übernahm der dänische Nycomed-Konzern die Pharmasparte von Altana und das US-Unternehmen Bradley Pharmaceuticals. Wesentliche Restrukturierungen in Forschung und Produktion folgten. Der Hauptsitz des Unternehmens wurde in die Schweiz verlegt. Heute erzielte Nycomed einen Jahresumsatz von rund 3,4 Mrd. € und beschäftigt 12.000 Mitarbeiter in 100 Ländern. Dr. Andrea Gruß fragt Dr. Barthold Piening, Executive Vice President Operations bei Nycomed, zu laufenden Restrukturierungen und der künftigen Unternehmensentwicklung.

CHEManager: Nycomed ist in den vergangenen Jahren vor allem durch Akquisitionen gewachsen. Wie weit ist der Integrationsprozess fortgeschritten?

Dr. B. Piening: Die Integration von Altana Pharma ist operativ abgeschlossen, und auch Bradley ist sehr gut in unsere bestehende Organisation in den Vereinigten Staaten eingegliedert worden. Einzig in der Produktion wird der Integrationsprozess noch bis 2010 andauern - im Speziellen die Neuausrichtung einzelner Produktionsstandorte und die dadurch ausgelösten Produktverlagerungen werden noch bis nächstes Jahr dauern.

Welche Restrukturierungen sind im Bereich der Produktion geplant?

Dr. B. Piening: Wir verfolgen das Ziel, unsere vorhandene Infrastruktur bestmöglich zu nutzen, beispielsweise durch Steigerung der Auslastung, durch Verbesserung der Lieferkette, durch eine hohe Servicequalität sowie durch Senkung der Fertigungskosten. Letztes Jahr kündigten wir ja die Optimierung unseres europäischen Produktionsnetzwerkes an. Im Zuge dieser neuen Strategie wird Nycomed in Europa seine Technologien und Leistungen in fünf Kompetenzzentren und an fünf Standorten für die regio­nale Versorgung konzentrieren. Um die Auslastung zu optimieren, wird die Produktion von drei Werken - zwei dänischen und einem finnischen - an andere Standorte in Deutschland und Polen verlagert. Insgesamt werden zehn europäische Werke die Versorgung übernehmen.
Für die firmeneigene Wirkstoffproduktion, die derzeit noch in Linz und Singen angesiedelt ist, werden wir Lieferquellen aus Asien erschließen - vor allem durch unser indisches Joint Venture Zydus Nycomed.

Welche Aktivitäten der Nycomed werden künftig in Deutschland angesiedelt sein?

Dr. B. Piening: In Deutschland haben wir zwei große Produktionswerke in Singen und Oranienburg, die Vertriebsorganisation mit Sitz in Konstanz sowie große Teile der Forschung und Entwicklung in Konstanz und Hamburg.

Viele Pharmaunternehmen - auch die frühere Altana Pharma - setzen auf die Onkologie als ein Indikationsfeld mit hohem Wachstumspotential. Nycomed hat alle Onkologie-Projekte im vergangenen Jahr veräußert. Auf welche Wachstumsfelder konzentriert sich Ihr Unternehmen?

Dr. B. Piening: Als mittelgroßes Pharmaunternehmen war es eine strategische Entscheidung unsere Ressourcen zukünftig auf die Bereiche Gastroenterologie, Atemwegs- und Entzündungserkrankungen, Schmerzbehandlungen, Osteoporose und Gewebemanagement zu konzentrieren. Wir haben in diesen Bereichen ein weitreichendes Know-how von der Forschung bis hin zur Vermarktung. Ein Beispiel hierfür ist Daxas, unser Medikament zur Behandlung von COPD, auch als Raucherlunge bekannt. Wir bereiten gerade den Zulassungsantrag vor und sind optimistisch, dass Daxas hervorragende Marktchancen bietet. Darüber hinaus bieten wir ein breites Angebot an frei verkäuflichen Arzneimitteln, sogenannten OTC-Produkten, an.

Welche Rolle spielen diese im Portfolio der Nycomed?

Dr. B. Piening: OTC-Produkte spielen eine wichtige Rolle im Portfolio von Nycomed, und in vielen Märkten sind wir im OTC-Bereich sehr stark vertreten. Weltweit rangiert unser Unternehmen auf Platz 15 in diesem Marktsegment. Wir setzen vor allem auf gut eingeführte Marken wie Calcichew, Multi Sanostol, Buerlecithin und Riopan. Wir wollen unsere Position im OTC-Markt weiter ausbauen und haben daher unsere Aktivitäten weltweit gebündelt.

Eine gut gefüllte Pipeline für neue Medikamente ist eine wesentliche Voraussetzung für zukünftiges Wachstum. Nycomed hat seit 2006 vor allem in der Forschung massiv Stellen abgebaut. Wie stellen Sie den Nachschub für Ihre Pipeline sicher?

Dr. B. Piening: Unser neues Modell für Forschung und Entwicklung zielt darauf, die Herausforderungen zu bewältigen, denen wir als Industrie gegenüberstehen. Zulassungsbehörden stellen erhöhte Anforderungen an das Kosten-Nutzen-Verhältnis neuer Produkte. Gleichzeitig tragen kleine Firmen, wie zum Beispiel Biotechs, immer mehr dazu bei, neue Ideen zu entwickeln.
Nycomed hat daher ein innovatives Modell für die Forschung und Entwicklung aufgebaut. Wir öffnen uns für Partnerschaften, um gemeinsam Projekte zur Marktreife zu entwickeln. Ein Großteil unserer Pipeline wird zukünftig von diesen Partnerschaften kommen.
Gleichzeitig betreiben wir jedoch auch weiterhin Grundlagenforschung in erheblichem Umfang. Bei der Auswahl unserer Forschungsprojekte konzentrieren wir uns auf den medizinischen Nutzen für Ärzte, Patienten oder Krankenkassen. Unsere eigene Forschung und Entwicklung ist ein wichtiger Bestandteil von Nycomed, und der Standort Konstanz ist weltweit unser größtes Forschungszentrum.

Nycomed erzielt einen Großteil seines Umsatzes in Europa, einer Region mir sehr vielen unterschiedlichen und unabhängigen Gesundheitssystemen. Wie wirkt sich dies auf die Vertriebsstrategie Ihres Unternehmens aus?

Dr. B. Piening: In Anbetracht der über dreißig verschiedenen Gesundheitssysteme, ist der europäische Markt eine der größten pharmaökonomischen Herausforderungen weltweit. Wir sind fast vollständig flächendeckend in Europa mit Vertriebsorganisationen vertreten und seit vielen Jahren mit der Systemvielfalt gut vertraut. Durch seine starke Dezentralisierung, die typisch ist für ein Unternehmen mit europäischen Wurzeln, unterscheidet sich Nycomed von vielen anderen Pharmaunternehmen. Unsere Kernkompetenz ist es, Produkte in allen Märkten Europas zu vermarkten, und wir haben daher unsere Vertriebstrategien den Bedürfnissen der einzelnen Regionen und Märkte angepasst.

In welchen Regionen will Nycomed weltweit wachsen?

Dr. B. Piening: Die globale Pharmaindustrie befindet sich in einem Wandel - sowohl in ihrer Struktur als auch in ihrer Dynamik. Während sich das Wachstum in den Industrieländern verlangsamt, befinden sich die Schwellenländer im Aufwind. So weisen die Schwellenmärkte China, Brasilien, Mexiko, Südkorea, Indien, Türkei und Russland ein jährliches Wachstum im zweistelligen Bereich aus. Daher ist es für uns als mittelgroßes Pharmaunternehmen strategisch wichtig, in diesen Märkten zu wachsen. Nycomed hat eine flexible Organisationsstruktur aufgebaut und ist mit eigenen Tochtergesellschaften in Russland und den GUS, Osteuropa und Lateinamerika vertreten. Wir werden unsere Aktivitäten in diesen Regionen, aber auch in anderen Schwellenländern - gerade in Asien - weiter ausbauen.

Welche mittelfristigen Ziele hat sich Nycomed gesetzt?

Dr. B. Piening: Im Jahr 2009 stellt der Ablauf des Wirkstoffpatents für Pantoprazol in Europa eine besondere Herausforderung für uns dar. Allerdings werden 40% der Verkäufe von Pantoprazol in Ländern generiert, in denen das Patent bereits abgelaufen ist oder wir nie einen Patentschutz hatten. Nycomed hat somit Erfahrungen mit dieser Situation und ist gut darauf vorbereitet. Wir gehen auch davon aus, dass es unser umsatzstärkstes Einzelprodukt bleiben wird. Gleichzeitig werden wir dank der Einführung neuer Produkte wie Daxas auch zukünftig ein gutes Resultat verzeichnen. Auch wird das Wachstum in den Regionen Russland/GUS und Lateinamerika anhalten, und wir werden unsere Position in Asien in den kommenden Jahren weiter festigen.

www.nycomed.com