Anlagenbau & Prozesstechnik

290 Mio. Euro-Investition gegen Brustkrebs

30.03.2013 -

290 Mio. Euro-Investition gegen Brustkrebs – Eröffnung der Antikörper-Produktionsanlage Biologics IV von Roche in Penzberg. Der medizinische Erfolg des Medikaments Herceptin zur Behandlung von Brustkrebs bewegte die Roche zur Investition von 290 Mio. € in eine neue Produktionsanlage für den Wirkstoff des Medikaments Herceptin - den Antikörper Trastuzumab.

Diese biotechnologische Produktionsanlage, Biologics IV genannt, wurde Anfang Juli im bayrischen Penzberg von Dr. Franz B. Humer, Verwaltungsratspräsident und CEO von Roche, gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und Bayerns Innenminister Dr. Günther Beckstein eröffnet.

Dabei gab Humer auch bekannt, dass Mitte Juli mit dem Bau einer weiteren Biotech-Anlage für rund 200 Mio. € in Penzberg begonnen werde.

Nach nur dreijähriger Bauzeit hat Roche die neue biotechnologische Produktionsanlage Biologics IV für den humanisierten Antikörper Trastuzumab in Penzberg in Betrieb genommen.

Rund 150 neue Arbeitsplätze werden durch diese jüngste Investition in die Biotechnologie geschaffen. Nach den Zulassungsverfahren durch die Behörden soll in der Anlage ab Anfang 2009 der Wirkstoff Trastuzumab hergestellt werden.

Erst im Mai dieses Jahres hatte Roche ein neues Biotechnologie-Produktionsgebäude zur Herstellung des Anti-Krebsmedikaments Avastin von gleicher Größe in Basel in Betrieb genommen.

Insgesamt verfügt die Roche-Gruppe damit über die weltweit größten Produktionskapazitäten zur Herstellung von Biotech-Produkten. 14 Biopharmazeutika der Roche-Gruppe befinden sich derzeit auf dem Markt und Roche verfügt zudem über eine der „vielversprechendsten Biotechnologie-Pipelines der Branche", wie das Unternehmen selbst verlautbarte.

 


Eröffnungsreden

„Frühzeitige und kontinuierliche Investitionen in die Biotechnologie, wie hier in Penzberg, tragen nicht nur zum wirtschaftlichen Wachstum des Unternehmens und der Region bei. In erster Linie profitieren davon die Patientinnen und Patienten. Gerade in der Krebsbehandlung sind dank der Biopharmazeutika völlig neue zielgerichtete Behandlungsansätze möglich geworden, welche Leben verlängern und Krebs zunehmend zu einer beherrschbaren Krankheit werden lassen", sagte Franz B. Humer, Verwaltungsratspräsident und CEO von Roche.

Die Gründe für den Bau der Anlage in Penzberg beschrieb Humer so: Nur hier habe man die Mitarbeiter finden können, die man für den Betrieb einer solchen Produktionsstätte brauche. Und setzte dann mit einem dicken Lob nach: Wenn wir Schwierigkeiten mit unserer Produktion in den USA haben, dann schicken wir unsere Leute von hier dorthin; die Penzberger können das besser als die Amerikaner, sagte Humer sinngemäß. Humer teilte in seiner Ansprache auch einige Freundlichkeiten hinsichtlich der „ausgezeichneten Zusammenarbeit" mit den örtlichen Verwaltungs- und Zulassungsbehörden aus, setzte sich dann aber kritisch mit der deutschen Gesundheitspolitik auseinander: Was die Biotech-Produktion anbetreffe sei Deutschland weltweit gesehen ganz weit vorn, aber beim Einsatz innovativer Arzneimittel belege Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern nur einen Platz im Mittelfeld - und zwar nur aus Kostengründen.

Diese politisch herbeigeführte Entwicklung, so Humer, könne die Gesundheit bzw. die Lebensqualität der Bevölkerung nicht verbessern. Diese Diskrepanz sei außerdem eine „gefährliche Entwicklung", sagte Humer, „die den Standort gefährden könnte".

Auch Dr. Hagen Pfundner, Vorstand der deutschen Roche Pharma in Grenzach-Whylen, gab sich in seiner Ansprache kritisch: Man wünsche sich, dass „die Politik mit Regulierungen wie Festbeträgen, Zwangsrabatten, Bonus Malus Regelungen, voller Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel, Preismoratorien usw. einfach sparsamer umgeht, dass auf freien Wettbewerb gesetzt wird, viel mehr Transparenz ins System kommt – gerade auch für Patienten - und auf das Notwendige reduzierte staatliche Maßnahmen immer auch auf Innovationsverträglichkeit geprüft werden".

Der Bundeswirtschaftsminister Glos zeigte sich nach den Anmerkungen von Humer und Pfundner sichtlich erleichtert, dass er kein Gesundheitsminister ist.

Glos nannte die frühere Bergarbeiterstadt Penzberg ein gelungenes Beispiel für den Strukturwandel. Heute erstrecke sich in Penzberg das größte Areal für biotechnologische Produktionen in Eu ropa. Und natürlich sagte Glos auch, dass die Biotechnologie zu den wichtigsten Zukunftsbranchen in Deutschland gehöre.

Und diese Investition von Roche zeige das Vertrauen, das man in diesen Standort setze. Der bayerische Innenminister Beckstein zeigte sich hellauf begeistert über die Investitionen von Roche in Penzberg, und versprach: „Wir wollen die schnellsten Genehmigungsbehörden in Deutschland haben".

Darüber hinaus will er den Pharma-Standort Bayern stärken und verwies dabei die Investitionen Bayerns in die Hochschulen und vor allem auf die Biotech-Aktivitäten der Technischen Universität München. Beckstein ging sogar noch weiter, als er sagte, „wir wollen Anwalt der Pharmafirmen in Bayern sein".

 


Biologics IV - Gebäude und Technik

Das neue, 33 m hohe Produktionsgebäude besitzt zwei unabhängige Produktionsstraßen, Labors, Büros und sonstige Nebenräume sowie Infrastruktur wie Energieanbindungen, Heizung, Lüftung, Klima (HLK) und andere Prozessnebeneinrichtungen.

Es gliedert sich in einen Produktionsfinger und einen Kopfbau. Es verfügt über eine Nutzfläche von 27.500 m2, davon 1.400 m2 Laborflächen, auf insgesamt 2 Kelleretagen, 4 weiteren Stockwerke und einer Techniketage. Die beiden Produktionsstraßen bestehen jeweils aus:

 

  • einem Ansatztechnikum Fermentation
  • einer Fermentationslinie (mit je 3 Fermentern mit 13.000 l Nutzvolumen) 
  • einer Zellernte-Linie
  • einem Ansatztechnikum Downstream Processing
  • einer Downstream-Processing-Linie

 


Produktionsablauf in Biologics IV

Die Produktion von therapeutischen Proteinen, wie z. B. Antikörpern für die Krebstherapie, erfolgt mit Hilfe von lange etablierten tierischen Zelllinien. Hier mit den so genannten CHO oder Chinese Hamster Ovary Cells.

Die bei Temperaturen des Flüssigstickstoffs gelagerten Ampullen mit den Zellen werden aus der so genannten working cell bank (Arbeits-Zellbank) entnommen, aufgetaut, und in einer nährstoffreichen Kulturlösung zur Vermehrung angesetzt.

Die anschließende Kultivierung der Zellen bis zu einem Volumen von 3 l findet in speziell entwickelten Nährlösungen statt. Aufgrund der langsamen Vermehrung der tierischen Zellen dauert die Kultivierung etwa zwei Wochen, da die Teilungsrate tierischer Zellen durchschnittlich 20 Stunden beträgt. Die Nährmedien werden in einem zentralen Technikum angesetzt und über Transferleitungen in die Bioreaktoren gefüllt.

Aufgrund der enthaltenen Vitamine und Wachstumsstoffe können die Medien nicht mit Hitze sterilisiert werden, sondern werden vorher dem Transfer sterilfiltriert. Die weiteren Vorkulturschritte finden in Fermentern von 20 bis 2.500 l statt, wobei jeder Schritt etwa drei Tage dauert. Anschließend wird die Vorkultur in einen der 13.000 Liter fassenden Produktionsfermenter überführt. Alle Prozesse laufen in geschlossenen Systemen.

In dem Produktionsfermenter ermöglicht ein optimales Nährmedium einen etwa 14 Tage dauernden Zellzüchtungsprozess.

Um die strengen Reinheits- und Sterilitätsvorschriften einzuhalten, wird die gesamte Produktionsanlage mit Hilfe von automatischen Systemen gereinigt und sterilisiert (Cleaning and Sterilisation in Place, CIP und SIP).

Sämtliche Prozessabschnitte, einschließlich der Fermentation, werden per Computer gesteuert und folgen einem Rezeptur gesteuerten Prozess. Zellwachstum und Produktbildung werden mit Hilfe von Probenziehungen aus den entsprechenden Bioreaktoren überwacht und dokumentiert.

Die genetisch veränderten tierischen Zellen geben das gewünschte therapeutische Protein in das Nährmedium ab, sie werden dann nach dem abgeschlossenen Fermentationsprozess durch Zentrifugation vom Medium abgetrennt. Die verbrauchten Zellen werden entsorgt.

Der Überstand, der das gewünschte Protein enthält, wird in einem Erntebehälter gesammelt.

Das Ziel der weiteren Prozessschritte ist es, das Produkt von allen Begleitstoffen zu trennen. Hierzu wird in vier spezifischen Chromatographieschritten mit nach geschalteten Ultra-/Diafiltrationseinheiten das Produkt gereinigt. Das Produkt liegt nun als wässrige Lösung mit einer Reinheit von 99,9 % vor und wird zur Lagerung und zum Transport in Tiefkühlbehälter abgefüllt und eingefroren.

 


Über Brustkrebs und Trastuzumab

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Acht bis neun Prozent aller Frauen sind im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Weltweit wird jährlich bei über einer Million Frauen Brustkrebs diagnostiziert, und nahezu 400.000 Frauen sterben jedes Jahr an dieser Krankheit.

Beim HER2-positiven Brustkrebs sind auf der Oberfläche der Krebszellen erhöhte Mengen des Wachstumsfaktors HER2 vorhanden. Man spricht deshalb von einer „HER2-Überexpression"und einer besonders aggressiven Form von Brustkrebs, die schlecht auf Chemotherapie anspricht. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei rund 20 - 30 % aller Fälle ein HER2-positiver Tumor vorliegt.

Trastuzumab (Herceptin) ist ein humanisierter Antikörper, der auf HER2 ausgerichtet ist und dessen Funktion hemmt.

Neben seiner Wirksamkeit bei Brustkrebs im Frühstadium hat Trastuzumab auch eine Verbesserung der Überlebensdauer bei fortgeschrittenem (metastasierendem) Brustkrebs und ebenso in Kombination mit Hormontherapien gezeigt.

In der Europäischen Union wurde das Medikament im Jahr 2000 zur Behandlung von fortgeschrittenem HER2-positivem Brustkrebs und 2006 zur Behandlung von HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium zugelassen.

Im Mai 2007 kam die Zulassung in Kombination mit einer Hormontherapie bei fortgeschrittenem Brustkrebs. Bislang haben rund 400.000 Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs eine Therapie mit Herceptin erhalten.

 


Neue Investition von 200 Mio. € in Penzberg

Roche investiert rund 200 Mio. € in eine Erweiterung der Biologics IV-Anlage in Penzberg. Die Bauarbeiten für den zweiten Produktionsfinger direkt neben der Biologics IV-Anlage, haben bereits Mitte Juli begonnen.

In dieser Anlage soll das Anti-Anämie-Medikament CERA (Continuous Erythropoietin Receptor Activator, ein modifiziertes rekombinantes Protein) hergestellt und außerdem Erythropoietin (EPO) gereinigt werden. Durch diese Anlage werden ungefähr 70 neue, hochqualifizierte Arbeitsplätze entstehen.

Die Zulassung der Anlage (sie verfügt u. a. über einen Fermenter mit 7,5 m3) soll Ende 2008 erfolgen - wobei die Basic- und die Detail-Engineering-Phase bis März 2008 laufen.

www.roche.com