Anlagenbau & Prozesstechnik

Anomalie-Erkennung und Prozess-Optimierung

AI Anomaly Assistant legt den Fokus auf geschäftliche Relevanz

08.06.2021 - Mit Methoden der künstlichen Intelligenz ist es möglich, Anomalien zu bewerten und neue Möglichkeiten bei der wirtschaftlichen Optimierung der Prozesse zu eröffnen.

Bei Prozessoptimierungen galt bislang oft „viel hilft viel“ – Unternehmen investierten einen teilweise erheblichen Aufwand, um alle Prozesse im optimalen Bereich zu halten und jede Störung zu unterdrücken. Doch nicht alle Anomalien in Prozessen sind gleich relevant für die Wirtschaftlichkeit einer Anlage. Mit Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) ist es jetzt möglich, unmittelbar Ereignisse auf ihre Geschäftsrelevanz zu bewerten und damit Unternehmen neue Möglichkeiten bei der wirtschaftlichen Optimierung der Prozesse zu eröffnen.

Ziel der KI-gestützten Methodik ist es, dem Anlagenbetreiber klare Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Anomalien zu geben und schnell die Prozessereignisse erkennen zu können, die einen großen Einfluss auf wirtschaftliche Parameter wie Produktivität, Verfügbarkeit und Qualität haben. Diese Art der Bewertung ist bislang auf Basis der Daten aus der Prozessautomatisierung nicht möglich: Zwar lassen sich Anomalien anhand der Prozessdaten detektieren – inwieweit eine Anomalie jedoch geschäftliche Risiken birgt und wie hoch diese Risiken sind, hängt sowohl von den spezifischen Produktions- als auch den Marktbedingungen ab.

Gleich und doch nicht dasselbe: Informationen im Kontext bewerten

Wie unterschiedlich diese Bewertung ausfallen kann, lässt sich an einem einfachen Beispiel zeigen. Bei der Rohölförderung kann es immer wieder zu sogenannten Sanddurchgängen kommen, die die Lebensdauer der Pumpen beeinträchtigen. In diesem Fall kann sich der Betreiber der Förderstation entscheiden, die Fördermenge zu verringern oder auf andere Pumpen zu verteilen, bis sich der Sand an der Förderstelle gesetzt hat, um die Pumpe zu schonen. Dies ist dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn die Fördermenge oder der Wert des geförderten Öls im Vergleich zu den Kosten für die Reparatur oder den Ersatz der Pumpe gering ist. Wenn umgekehrt die Fördermengen hoch und der Wert des geförderten Öls im Vergleich groß ist, kann es wirtschaftlich sinnvoller sein, die Pumpe trotz Sanddurchgang weiter zu betreiben, da die Kosten durch den schnelleren Verschleiß vom höheren Förder­ertrag ausgeglichen werden. Diese Bewertung war bislang eine Domäne des Betreibers, der hier anhand von Erfahrungswerten die Folgen von Anomalien für die Wirtschaftlichkeit des Prozesses abgeschätzt hat.

Anomalien bewerten: Modellierung zur Folgenabschätzung

Was jedoch, wenn sich das Marktumfeld ändert oder Prozesse unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen operieren – etwa sowohl besonders kostengünstige als auch besonders hochwertige Produkte herstellen? In diesem Fall gestaltet sich die Bewertung von Störungen und Ereignissen deutlich komplexer. Das gleiche gilt für vernetzte Kausalitäten, wenn sich etwa Energieverbrauch, Produktivität und Qualität innerhalb eines Prozesses gegenseitig beeinflussen. Hier lässt sich der wirtschaftlich optimale Betriebspunkt einer Anlage nicht mehr einfach anhand einzelner Aufwände berechnen, sondern muss anhand von Prozessmodellierungen ermittelt werden.

Die dabei eingesetzten physikalischen Modelle haben jedoch einen Schwachpunkt: Sie basieren auf einem gegebenen Anlagenzustand. Änderungen im Anlagenverhalten – etwa durch Alterung – müssen kontinuierlich nachgepflegt werden. Wird dann die Änderung, z. B. durch eine Reparatur, rückgängig gemacht, muss auch das Modell wieder auf den Ursprungszustand zurückgeführt werden. Diese Modellpflege ist mit einem erheblichen Aufwand verbunden.

Demgegenüber stehen Modelle, die Anomalien mit Methoden der künstlichen Intelligenz erkennen und bewerten. Die zugrundeliegenden Algorithmen werden im Anlagenbetrieb kontinuierlich trainiert und lernen so, neue Anomalien zu erkennen – können aber auch vorherige Zustände reproduzieren. Dieses kumulative Lernen stellt einen der wesentlichen Unterschiede zwischen KI-basierten und klassischen Prozessmodellen dar und bietet den Vorteil, dass das Modell wesentlich flexibler unterschiedliche Anlagenzustände berücksichtigen kann. Zudem kann ein KI-basiertes Modell auch Vorhersagen zu den Folgen komplexer Abläufe machen, indem es unterschiedliche Zusammenhänge korreliert und so z.B. rechtzeitig erkennt, wenn Anomalien einen Anlagenausfall ankündigen.

Anomalie-Detektion mit KI: Von der Methode zur Praxis

Mittlerweile gibt es mehrere Lösungen und Anbieter für die KI-gestützte Anomalieerkennung in Prozessanlagen. Damit die KI aber wirklich in der Lage ist, die geschäftsrelevanten Anomalien zu detektieren und zu bewerten, müssen die Algorithmen anhand von Prozessdaten nicht nur trainiert, sondern auch fokussiert werden – also lernen, welche Anomalien eine Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage haben und welche nicht.

Siemens hält für sichere cloud­basierte KI-Lösung für die Anomalie-­Detektion den AI Anomaly Assistant bereit, der als Cloud-Anwendung oder alternativ innerhalb der anwendereigenen Infrastruktur installiert wird. Die cloudbasierte Lösung ist insbesondere während der Trainings- und Evaluierungsphase vorteilhaft, da sie die effiziente Zusammenarbeit zwischen Datenanalysten und Anlagenbetreiber unterstützt. Zusätzlich ermöglicht sie es auch, die Ergebnisse der Anomalie-Erkennung mit weiteren Services zu verbinden, etwa einem vorausschauenden Asset Management. Umfangreiche  Sicherheitsmaßnahmen schützen vertrauliche Informationen und bieten ein sicheres Umfeld für die Zusammenarbeit zwischen Data-Analyst und Anlagenbetreiber.

Wie läuft nun ein Trainings- und Fokussierungsprozess mit der AI Anomaly Assistant App ab? Zunächst müssen die Prozessdaten erfasst und gesammelt werden, anhand derer die App trainiert werden soll. Dazu werden die Daten über ein definiertes Interface aus dem Prozessleitsystem für die Auswertung an die kundenspezifische Instanz der App übertragen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Daten unabhängig von der Art der Erfassung immer im gleichen Format für die Auswertung genutzt werden können.

Anschließend beginnt der erste Trainingsschritt der KI, in der die Data-Analysten bei Siemens aus den Prozessdaten Anomalien generieren und diese Anomalien anhand grober Prozessinformationen clustern. Die Ergebnisse werden dann gemeinsam mit dem Anlagenbetreiber diskutiert und eine Vorauswahl an relevanten Anomalien getroffen. Dieser Schritt ist besonders wichtig, da nicht alle erkannten Anomalien auch wirklich prozess- und geschäftsrelevant sind.
Anhand des Feedbacks wird die Applikation weiter fokussiert und die künstliche Intelligenz so ertüchtigt, dass lediglich relevante Anomalien erkannt werden. Zusätzlich nutzen die Experten bei Siemens das Anwenderfeedback auch, um aus diesen Anomalien diejenigen zu identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit geschäftsrelevant sind – also Indikatoren wie Verfügbarkeit, Ausbeute oder Qualität beeinflussen.

Diese Vorauswahl dient als Hilfe­stellung für die weitere Fokussierung der KI, die dann durch den Anlagenbetreiber selbst geschieht. Dabei unterstützt ihn die Applikation mit einem Dashboard, indem Anomalien kommentiert, bewertet und selektiert werden können. Diese Evaluierungsphase wird von mehreren Feedbackschleifen begleitet, sodass der Anlagenbetreiber am Ende eine gut trainierte und fokussierte KI erhält, die in der Lage ist, anhand der Prozessdaten Anomalien auf ihre geschäftliche Relevanz zu bewerten.

Prozessexperten und Data-Analysten: KI ist das Produkt von Prozess- und Produkt-Know-how

Die Auswahl und die Qualität der Prozessdaten sind für die KI genauso relevant wie die richtigen Parameter zur Bewertung der Anomalien. Daher stellt Siemens durch die strukturierte Herangehensweise bei Implementierung und Training sicher, dass das Know-how von Prozessexperten und Data-Analysten optimal ineinandergreift und die Anwendung die an sie gestellten Erwartungen auch erfüllt – denn nur der Anlagenbetreiber weiß, wo in seiner Produktion Schwachstellen sind, die mit konventionellen Methoden nicht beherrschbar sind, und welche Kennzahlen seiner Prozesse für seinen geschäftlichen Erfolg entscheidend sind.

Gerade bei sensiblen Prozessen ist jedoch wichtig, dass vertrauliche Produkt- und Prozessdaten geschützt werden. Und auch hier bietet die KI-gestützte Modellierung einen weiteren Vorteil gegenüber der klassischen Prozessmodellierung. Sie erlaubt es, die Prozessdaten in einem stärkeren Maße zu generalisieren und zu anonymisieren, da der Zusammenhang zwischen den Daten durch das Modell selbst erzeugt wird. Um die Anomalien zu bewerten und die KI zu fokussieren, müssen die Data-Analysten zwar grundsätzliche Informationen über die Art des Prozesses besitzen, aber keine Prozessdetails. Auch die Bezeichnung von Parametern kann weitgehend anonymisiert werden. So gewährleistet die App einen sehr weitgehenden Schutz des Know-how der Anlagenbetreiber.

Wertvolle Hilfestellung: KI im geschäftlichen Umfeld

Der AI Anomaly Assistant kann Unternehmen dabei helfen, die Wirtschaftlichkeit ihrer Prozesse zu verbessern und ihre Wettbewerbsposition zu stärken. Gleichzeitig erhalten sie damit ein Werkzeug, das mit ihren Prozessen und Produkten mitlernt und auch in der Lage ist, Anomalien für die Prävention von Risiken zu nutzen. Die Kombination aus Cloud-Technologien, künstlicher Intelligenz sowie Applikations- und Prozess-Know-how sorgt dafür, dass KI-gestützte Methoden schnell und zielgerichtet auf die jeweiligen Anforderungen und Rahmenbedingungen abgestimmt werden können und dabei das firmeneigene Know-how jederzeit geschützt ist.

 

„Auswahl und Qualität der Prozessdaten sind für die KI genauso relevant wie die richtigen Parameter zur Bewertung der Anomalien.“

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Siemens AG

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+49 911 895 0

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