Personal & Karriere

Arbeitsrecht – Was Arbeitnehmer bei Umstrukturierungen beachten müssen

17.06.2014 -

Umstrukturierungen sind in Pharma- und Chemieunternehmen an der Tagesordnung. Aktuelles Beispiel: die Übernahme der Sparte für rezeptfreie Medikamente von Merck & Co. durch Bayer. Am häufigsten kommt es zu Betriebsänderungen und Betriebsübergängen. Was Arbeitnehmer hier beachten sollen, wie sie sich klug verhalten und dabei das Beste für sich herausholen.

Es ist eine Situation, die kein Arbeitnehmer gerne erleben möchte, aber in Zeiten des wirtschaftlichen Wandels viele mindestens einmal im Berufsleben trifft: Umstrukturierungen im eigenen Betrieb. Sie können dabei viele Gesichter tragen. Mal werden Bereiche zusammengelegt, mal Aufgaben umverteilt oder auch ganze Abteilungen geschlossen. Ebenso sind Inhaberwechsel des Betriebs oder eines Betriebsteils eine häufige Folge von Umstrukturierungen. Doch nichts davon muss Arbeitnehmer vor allzu große Sorgen stellen - für den Fall, dass sie ihre Rechte gut genug kennen.

Grundsätzlich sind Arbeitgeber wegen ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zu all diesen Maßnahmen nahezu uneingeschränkt befugt. Ein Mittelständler, der bspw. jahrelang in der Provinz produziert hat, darf seinen Betrieb ohne weiteres in die Nähe einer Metropolregion verlagern. Die gute Nachricht dabei für Arbeitnehmer: Werden Jobs verlagert, heißt das nicht gleich automatisch, dass das Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen aussprechen darf. Denn unabhängig von der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers muss es vor Ausspruch einer Kündigung prüfen, ob der Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen ist. Denn häufig ist eine Weiterbeschäftigung auf einer anderen Stelle im Betrieb möglich. Wichtig: Ein Arbeitnehmer muss dabei nicht jeden beliebigen Job übernehmen. Vielmehr ist er dagegen so weiter zu beschäftigen, wie die Aufgabe im Arbeitsvertrag beschrieben ist. Meistens sind Stellenbeschreibungen nur sehr allgemeinverbindlich im Arbeitsvertrag niedergelegt. Außerdem befindet sich häufig eine Klausel im Vertrag, wonach Arbeitnehmer auch vergleichbare Aufgaben übernehmen müssen. Dabei gilt die Faustregel: Umso unbestimmter eine Stellenbeschreibung im Arbeitsvertrag ist, desto mehr Möglichkeiten haben Arbeitgeber ihre Angestellten flexibel einzusetzen (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 28.04.08, Az.: 5 Sa 716/07).

Grundsätzlich ist es so, dass Arbeitnehmer nachweisen müssen, dass ihre neue Aufgabe von der alten abweicht. Entscheidend ist, ob ihnen die neue Tätigkeit unzumutbar ist. Lehnt ein Arbeitnehmer eine nicht adäquate Stelle ab, muss er sehr vorsichtig vorgehen. Denn nach dem Ultima-Ratio-Grundsatz hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine freie und geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Wege der Änderungskündigung anzubieten. Ausnahme: Er hat diese zuvor eindeutig, endgültig und vorbehaltslos abgelehnt (BAG, Urteil vom 3. April 2008 - 2 AZR 500/06). Schlägt der Arbeitnehmer also eine Stelle von vornherein aus, ist für den Arbeitgeber der Weg frei zur Kündigung - natürlich nur bei Vorliegen der übrigen Kündigungsvoraussetzungen.

Kommt es zu einem Betriebsübergang können Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats widersprechen. Nach dem Widerspruch bleibt das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber bestehen, der neue tritt nicht in die Pflichten ein. Auch dieser Schritt sollte wohl überlegt sein, denn meist ist in dem Altbetrieb der Arbeitsplatz durch den Betriebsübergang nicht mehr vorhanden. So kann der bisherige Arbeitgeber die betriebsbedingte Kündigung aussprechen. Mit dem Widerspruch wird meist keine Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber erreicht, sondern eine Kündigung provoziert, um eine Abfindung zu erreichen. Da eine solche aber vorab nie sicher ist, sollte dieser Schritt gut abgewogen werden.

Widerspricht der Arbeitnehmer hingegen dem Betriebsübergang nicht, gewährt ihm das Gesetz ein Jahr lang Kündigungs- und Bestandsschutz (§ 612a BGB). Der neue Inhaber wechselt in die Position des alten Arbeitgebers und tritt damit auch in seine Verpflichtungen ein, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen. Eine betriebsbedingte (Änderungs-) Kündigung durch den Arbeitgeber ist im darauffolgenden Jahr ausgeschlossen. 

Sofern im Unternehmen ein Betriebsrat besteht, gibt es weitere Handlungsoptionen. Der Betriebsrat kann im Vorfeld von Umstrukturierungsmaßnahmen Informations- und Beratungsrechte geltend machen. So werden die Folgen einer Umstrukturierung beeinflusst. Das Betriebsverfassungsgesetz beinhaltet ein Vorschlagsrecht des Betriebsrats, welches der Sicherung und Förderung der Beschäftigung dient. Mit dieser Regelung steht Betriebsräten ein Mitwirkungsrecht zu, das sich unmittelbar auch auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit bezieht. Auf dieser Grundlage können Betriebsräte zwar nicht ihre eigenen Vorstellungen gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzen. Das Unternehmen muss die Vorschläge aber beraten und hierzu Stellung nehmen, wenn er sie für ungeeignet hält.

Sollen die geplanten Umstrukturierungen dann tatsächlich umgesetzt werden, können Betriebsräte in Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbaren. Damit lassen sich allerdings die Maßnahmen selbst nicht mehr vermeiden, sondern nur deren Auswirkungen auf die Arbeitnehmer regeln. Beispiele sind Abfindungs- und Vorruhestandsregelungen.

Wichtig: Arbeitnehmer haben mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gegen den alten Betriebsinhaber. Im Falle eines leitenden Angestellten hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2007 entschieden, dass bei der Erteilung eines Endzeugnisses der Betriebserwerber an den Inhalt eines zuvor vom Betriebsveräußerer erteilten Zwischenzeugnisses gebunden ist, soweit die zu beurteilenden Zeiträume identisch sind (BAG, 16.10.07, Az.: 9 AZR 248/07). Schließt sich nach der Erteilung des Zwischenzeugnisses ein weiterer im Endzeugnis zu beurteilender Zeitraum an, darf der Arbeitgeber vom Inhalt des Zwischenzeugnisses nur abweichen, wenn die späteren Leistungen und das spätere Verhalten des Arbeitnehmers dies rechtfertigen. Fehlen dem Betriebserwerber selbst die nötigen Informationen, um die Tätigkeit, die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers vor dem Betriebsübergang zu beurteilen, steht ihm in der Regel ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Betriebsveräußerer zu. Der neue Arbeitgeber kann sich deshalb im Verhältnis zu seinem Arbeitnehmer nicht auf die Unkenntnis der zeugnisrelevanten Tatsachen vor dem Betriebsübergang berufen.

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