Strategie & Management

Blockchain-Technologie in der Chemiewirtschaft

Automatisierung von Prozessen zwischen Parteien wird durch Blockchain vertrauenswürdiger

19.03.2020 - Blockchaintechnologie ist in den letzten Jahren als eine der Schlüsseltechnologien der datengetriebenen Zukunft in den Fokus gerückt. Die Technologie birgt die einzigartige Fähigkeit zwischen Parteien mit unterschiedlichen Beweggründen und Prioritäten, auf Basis gemeinsamer Vereinbarungen, einen Konsens für eine unveränderbare Historie zu schaffen. Dies ermöglicht es, Betriebsprozesse zwischen Parteien zu automatisieren, mit der beidseitigen Sicherheit, dass die Historie und Vereinbarungsbedingungen unmanipulierbar bleiben.

Das Wort Blockchain ist ein Wortkonstrukt aus den Wörtern Block (im Sinne eines Datenblocks) und Chain (engl. für Kette). Datenblöcke können hier verschiedenste Daten wie z. B. Transaktionen, Frachtinformationen, Analyseergebnisse oder Produktinformation beinhalten. Diese Datenblöcke werden linear über kryptografische Algorithmen miteinander verkettet. Hierbei nimmt jeder Block in der Kette auf die einzigartige, kryptografische Identität seines vorhergehenden Blocks bezug. Dies bedeutet letztlich nichts anderes als die Aneinanderreihung der Blöcke auf einer Zeitachse. Es folgen daraus zwei Sachverhalte: Zum Ersten ist damit sichergestellt, dass eine klare zeitliche Abfolge der Blöcke erkennbar ist und somit klar ist, welche Daten vor anderen kamen.

Zum Zweiten wird durch die kryptografische Verkettung gewährleistet, dass jegliche Veränderung eines Blocks zu einem Bruch der Kette führt. Somit wird eine Manipulation der Altdaten unmöglich gemacht. Um sich das bildlich besser vorzustellen, bietet sich der Vergleich mit einem Buch an. Die Seiten entsprechen dabei den Blöcken und die Verleimung entspricht dabei dem kryptografischen Prozess. Man kann nur neue Seiten hinzufügen, das Herausreißen bereits verleimter Seiten würde hingegen sofort auffallen. Da die Parallele zu einem Hauptbuch (engl. Ledger) in der Buchhaltung sehr nahe liegt, wird daher auch häufig der Begriff „Distributed Ledger Technologie“ als Sammelbegriff für Blockchain und artverwandte Technologien verwendet.

Ein dezentrales System

Blockchain ist als einfache Datenbank gesehen nicht besonders interessant. Der wahre Geniestreich der Technologie liegt in der Ausnutzung der zugrundeliegenden kryptografischen Methoden. Diese ermöglichen es, ein verteiltes System zu implementieren, bei dem jede Partei eine lokale Eigenkopie der Daten verwaltet und laufend mit den anderen Parteien synchronisiert. Hierbei übernehmen die kryptografischen Algorithmen die Funktion einer unabhängigen Prüfinstanz, welche sicherstellt, dass jede Partei dieselben Datensätze hat und ein Hinzufügen neuer Daten von allen Parteien abgesegnet ist und aktualisiert wird.

Dieser Prozess findet anhand von vordefinierten Regeln statt, welchen die Parteien durch Teilnahme am Netzwerk zustimmen. Anschaulich können Parteien direkt „Peer-to-Peer“ Daten miteinander austauschen, gleichzeitig im Konsens mit allen anderen Parteien. Vertrauen im System wird primär technologisch geschaffen und durch Blockchain können zwischengeschaltete traditionelle Intermediäre potenziell abgelöst werden.

Praktisch können viele zwischenbetriebliche Prozesse, welche durch ständiges Gegenprüfen mit sehr viel Personalaufwand verbunden sind, sehr leicht automatisiert werden. Häufige Beispiele sind u. a. Abrechnungsprozesse oder das Nachverfolgen von Lieferumständen. Vor allem aber auch in Streit- oder Sicherheitsfällen, in denen meist aufwändig geprüft werden muss, welcher Sachverhalt vorlag, ist eine Blockchain ein echter Game Changer.

Automatisierung mittels Smart Contracts

Eine Weiterentwicklung der Blockchain stellt das Konzept der „Smart Contracts“ dar. Diese „Verträge“ sind in Computercode geschriebene „Wenn-Dann-Bedingungen“, welche innerhalb der Datenblöcke einer Blockchain abgespeichert werden. Sie bauen somit auf den Grundeigenschaften der Blockchain auf und stellen Computerprogramme dar, welche redundant vorhanden sind und unmanipulierbar bleiben. Faktoren bei „Wenn-Dann-Bedingungen“ sind exemplarisch etwaige Eventualitäten, eingetretene Verzögerungen, Preise, Richtlinien oder Haftungen. Basierend darauf kann ein Smart Contract automatisiert Entscheidungen treffen und entsprechende Folgeschritte auslösen. Somit ist es möglich, Geschäftsprozesse zwischen Parteien mittels Applikationen auf der Blockchain vollautomatisch ablaufen zu lassen – mit der Sicherheit, dass sich die Vertragsparameter nicht ändern können und die Applikation immer verfügbar ist.

„Der wahre Geniestreich der Technologie
liegt in der Ausnutzung der
zugrundeliegenden kryptografischen Methoden.“

 

Auswirkungen auf die chemische Industrie

In der Chemiewirtschaft finden sich diverse Anwendungsfälle für die Blockchaintechnologie. Zum einen ist es möglich, Patentrechte und damit verbundene Auszahlungen wesentlich effizienter und konfliktfreier zu regeln und zu automatisieren. In diesem Fall regelt ein Smart Contract auf der Blockchain die Urheberechtsverteilung an einem Produkt und schüttet entsprechende Lizenzzahlungen an Urheber aus. Weiterhin können sich die Beteiligten in kollaborativen Forschungsprojekten auf eine gemeinsame, nicht manipulierbare Datengrundlage verlassen, welche nicht nur einer externen Prüfung dient, sondern auch der internen Mitwirkungsnachweise. Im Falle von pharmazeutischen Produkten wird Blockchain zunehmend eingesetzt, um Medikamentenfälschung vorzubeugen und Echtheitszertifikate zu liefern. Auch in der Logistik chemischer Produkte ist die Technologie hochinteressant.

Hierbei ist die Dokumentation der Frachtgüter und Einhaltung von Richtlinien vor allem von Bedeutung. Sicherheitsnachweise oder Prüfergebnisse lassen sich somit sehr einfach übermitteln und sollte ein Vorfall auftreten, gelingt die Rückverfolgung bis zur Ursache erheblich schneller als mit konventionellen Methoden. Letztlich ist ein nicht unbedeutender Aspekt die einfache Dokumentation von Prozessen, welche einer regelmäßigen Auditierung unterliegen. Gerade in der Chemie können hier für die Vielzahl an betriebsübergreifenden Prozessen, welche geprüft und nachgewiesen werden müssen, erhebliche Kosten gespart werden.

Hürden und Grenzen

Blockchain darf allerdings nicht als Allheilmittel gesehen werden. Die Technologie ist von ihrer Natur her schwer mit neuen Datenschutzrichtlinien zu vereinbaren, weshalb personenbezogene Daten nur über Umwege in einer Blockchain abgespeichert werden können. Weiterhin ist es meist nicht gewünscht, alle Daten eines Prozesses mit anderen Parteien auszutauschen und man muss sich zusätzlicher Verschlüsselung bedienen, um Geheimhaltung sicherzustellen. Im Vergleich zu traditionellen Datenbanken sind dezentrale Ansätze in der Regel auch weniger performant und verbrauchen zunehmend mehr Speicherplatz mit Wachstum der Kette.

Auch für diese technischen Umstände gibt es Lösungen, allerdings bedarf es einer genauen Analyse, ob und wie sie im gegebenen Kontext zum Problem werden könnten. Es ist daher notwendig, im Kontext des jeweiligen Anwendungsfalles genau zu evaluieren, wie sich Blockchainlösungen in einem gegebenen Prozess eingliedern lassen, um Mehrwerte zu schaffen.

Zur Person

Felix Green ist Gründer und seit Anfang 2018 Geschäftsführer von InnoBlock, einer Beratungsgesellschaft für Blockchaintechnologie und Prozessdigitalisierung. Über seinen Studienhintergrund in biomedizinischer Chemie verbindet er Kenntnisse in Naturwissenschaften mit neuen Technologien. Weiterhin leitet er die Fokusgruppe Blockchain in Mainz und unterstützt mit verschiedensten Vorträgen und Bildungsveranstaltungen den Wissensaufbau im Bereich Blockchain und dezentraler Systeme.

Webinar - Die Blockchain-Technologie in der Chemieindustrie: Einführung und Anwendungsfälle

 

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