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Chemiekonjunktur

Es läuft rund in der ostdeutschen Chemie

24.08.2011 -

Die ostdeutsche Chemieindustrie ist kraftvoll ins Jahr 2011 gestartet. Sie hat die Krise hinter sich gelassen. Im ersten Halbjahr prägte die gute Konjunktur in Deutschland und in der europäischen Industrie das Bild:

Die Produktion legte um rund 9 % zu. Die gestiegene Nachfrage hob die Preise um 4 %. Der Umsatz kletterte um gut 16% in die Höhe. Chemieerzeugnisse gehen am Anfang in die Produktionsketten ein. So können deren Hersteller frühzeitig von den starken Auftriebskräften profitieren.

Dabei ist Chemie nicht gleich Chemie und Ostdeutschland nicht gleich Ostdeutschland. Dort stechen zwei ganz unterschiedliche Kernregionen hervor: Sachsen-Anhalt, das Stammland der Ostchemie, und Berlin, die Pharmahauptstadt. In Sachsen-Anhalt dominiert die klassische Chemieindustrie mit dem Schwerpunkt chemischer Grundstoffe. Dieses Geschäft hat während der Krise stark gelitten, aber seitdem wieder deutlich an Boden gutgemacht. Berlins Chemiebetriebe hingegen haben sich ganz überwiegend den Arzneimitteln verschrieben, die Branche prägt die ganze Stadt.

Die Herstellung von Pharmazeutika ist relativ unabhängig vom konjunkturellen Auf und Ab. Dafür ist dieser Teil der Branche staatlichen Markteingriffen in das Gesundheitssystem unterworfen. Beide Chemieregionen sind etwa gleich stark und decken zusammen rund zwei Drittel der Umsätze in der Ostchemie ab (Grafik 1). Die sechs ostdeutschen Bundesländer steuern 12 % zum Umsatz der gesamtdeutschen Branche bei.

Chemieproduktion wächst deutlich

Seit dem Tiefpunkt im ersten Quartal des Krisenjahres 2009 hat sich die Chemieproduktion sukzessive erholt. Inzwischen ist das Vorkrisenniveau zwar übertroffen, der Produktionseinbruch während der Krise aber bleibt (Grafik 2). Nach einem großen Sprung zum Jahresauftakt ist der Aufwärtstrend im zweiten Quartal etwas abgeflacht. Die Kapazitäten sind seit sieben Quartalen wieder zu etwas mehr als 80% ausgelastet. Damit liegt die Auslastung nur knapp unter den Werten von vor der Krise.

Chemische Produkte verteuern sich kräftig

Im ersten Halbjahr 2011 haben die Erzeugerpreise in der ostdeutschen Chemieindustrie ihren Anstieg noch einmal beschleunigt (Grafik 3). Die schwunghafte Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen in Verbindung mit den voll ausgelasteten Kapazitäten der Hersteller hat die Preise in die Höhe getrieben. Eine Verteuerung der Rohstoffe schlug vor allem im Bereich der rohstoffnahen Grundstoffe zu Buche.

Inwieweit die gestiegenen Einstandskosten an die nächste Verarbeitungsstufe weitergereicht werden können, hängt auch von der Wettbewerbsfähigkeit der beiden Handelspartner ab. Oft genug gehören sowohl Vorlieferant als auch Abnehmer zur selben Branche, der Chemieindustrie. Es ist von Einzelfall zu Einzelfall verschieden, ob das hohe Preisniveau die eigene Marge be- oder entlastet.

Chemieumsätze ziehen deutlich an

Die Betriebe der Ostchemie profitierten in der ersten Jahreshälfte kräftig von der guten Konjunktur. Im ersten Quartal 2011 lagen die Umsätze um mehr als 17% über Vorjahr, im zweiten um gut 15% (Grafik 4). Diese Wachstumsraten übertrafen diejenigen für die gesamtdeutsche Chemie. Die Ostchemie geht ihren eigenen Weg und entwickelt sich etwas anders als die gewachsenen Strukturen im Westen der Republik.
Nach der Wende brachen die Umsätze massiv ein, weil sich Teile der Industrie als nicht wettbewerbsfähig erwiesen bzw. sich zunächst gesundschrumpfen mussten. 1993 war die Talsohle erreicht; seitdem nimmt der Umsatz kontinuierlich zu.

Mit diesem Strukturwandel hat der Osten nicht nur neue, leistungsfähige Kapazitäten erhalten, sondern ist tendenziell auch stärker gewachsen als der Westen. Mit Ausnahme des Krisenjahres: Auch im Osten legte die chemische Industrie 2009 den Rückwärtsgang ein, aber der Umsatzrückgang fiel mit knapp minus 9% geringer aus als im Westen.

Ein Grund dafür liegt in der geringeren Verflechtung des Ostens mit dem Ausland. Dadurch schlagen sich Konjunktureinflüsse von außerhalb des Landes weniger in der ostdeutschen Chemie nieder, stimulierende wie drosselnde. Es gibt vor allem in der klassischen Chemieindustrie mehr klein- und mittelständische Betriebe als in Westdeutschland. Sie tun sich mit der Erschließung ausländischer Märkte eher schwerer. Viele Betriebe sind eingebunden in ein Konzerngefüge, dessen Leitung in Westdeutschland oder im Ausland sitzt. Vor Ort befinden sich schlanke Produktionsstandorte mit wenig Verwaltung. Für die Ausfuhr bestimmte Erzeugnisse werden teilweise erst über die Zentrale geleitet. Während in ganz Deutschland rund sechs Zehntel der Umsätze im Ausland erwirtschaftet werden, sind es im Osten nur 50%.

Zu einer Verstetigung des Wachstums trägt zusätzlich der relativ hohe Anteil der Pharmaindustrie bei. Auf sie entfallen im Osten vier Zehntel des Branchenumsatzes. Im aktuellen Aufschwung haben die Auftriebskräfte inzwischen auch die Binnenwirtschaft erfasst, was der Ostchemie besonders gut bekommt.

Ostchemie steigert Beschäftigung um 12 %

Mit den Umsätzen erleben auch die Beschäftigtenzahlen in der Ostchemie einen Höhenflug. Im ersten Halbjahr hat die Industrie mit gut 49.000 Chemiemitarbeitern rund 12 % mehr unter Vertrag als ein Jahr zuvor. Auch wenn statistische Effekte die positive Entwicklung etwas überzeichnen, ist das eine gute Botschaft. Hat die Branche im Osten die Nachwendezeit doch mit einem Personaladerlass begonnen, der 1999 zum Stillstand gekommen ist. Seitdem stocken die Betriebe ihre Belegschaften kontinuierlich auf, neun Jahre am Stück.

In dieser Zeit hat die Westchemie dagegen weiter Personal abgebaut. Nur 2009 musste auch die ostdeutsche Chemieindustrie eine Pause einlegen. Selbst mit dem Rückgang von unter 2 % schnitt sie aber wiederum besser ab als der Westen, der 3 % an Beschäftigten einbüßte. Doch 2010 schon kehrte die Ostchemie wieder zurück auf ihren Ausbaupfad: der Kreis ihrer Mitarbeiter vergrößerte sich um fast 3 % und wächst weiter.

Das zweite Halbjahr 2011 wird schwächer

Das aktuelle Konjunkturhoch spielt sich vor einem unruhigen Horizont ab, dessen Wolken näher rücken. Die Finanzmärkte sind noch nicht so weitgehend reguliert wie angekündigt. Die Schuldenkrise im Euroraum ist nicht bezwungen, sondern weitet sich aus. Probleme mit Staatsschulden gibt es auch in den USA und in Japan. Die US-Wirtschaft, die nach wie vor eine führende Rolle innehat, kommt nicht recht in Schwung. In den Schwellenländern wird die Dynamik aus Sorge vor Überhitzung gedrosselt.

Inflationsängste nehmen weltweit zu. Der aktuelle Kursrutsch an den Börsen spiegelt die überall herrschende Nervosität. Noch ist die Stimmung in den Betrieben der Ostchemie gut. Doch für die zweite Jahreshälfte ist mit einer Verlangsamung des Wachstums zu rechnen. Die Produktion in der Ostchemie dürfte in diesem Jahr insgesamt um 7,5% wachsen. Bei einem Preisanstieg von 4,5% sollte der Umsatz um 12 % zulegen. 

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