Logistik & Supply Chain

Chemikalien und der Handel mit dem Vereinigten Königreich

Interview mit Ayça Kiliçli, Department for International Trade United Kingdom

12.04.2021 - Im Warenverkehr zwischen Europa und dem Vereinigten Königreich gelten nach dem Brexit die neuen Regelungen nun seit Beginn des Jahres 2021.

 Dies hat unter anderem auch Auswirkungen auf die Chemikaliengesetzgebung in UK oder die Aus- und Einfuhr von Chemikalien. Sonja Andres befragte Ayça Kiliçli, Senior Trade & Investment Advisor – Chemicals im Department for International Trade United Kingdom zur Sachlage und den in diesem Zusammenhang wichtigsten Änderungen.

CHEManager: Frau Kiliçli, wie sind die ersten Wochen nach dem Vollzug des Brexits in Bezug auf die allgemeinen Warenströme aus der EU – und hier speziell Deutschlands – in das Vereinigte Königreich aus Ihrer Sicht verlaufen?

Ayça Kiliçli: Der Handel zwischen unseren beiden Ländern ist wichtig für Unternehmen, Investoren und Arbeitnehmer auf beiden Seiten. Die Grundlagen für enge Beziehungen bleiben trotz Brexit bestehen – wir teilen zum Beispiel entscheidende Wertschöpfungsketten in der Automobilindus­trie, den Biowissenschaften und natürlich der chemischen Industrie. Von den Exporten in das Vereinigte Königreich hängen etwa 814.400 Arbeitsplätze in Deutschland ab, dem Export nach Deutschland sind etwa 498.400 britische Arbeitsplätze zuzuschreiben.

Natürlich hat einerseits Covid-19 einen seismischen Einfluss auf den globalen Handel gehabt. Andererseits müssen sich Unternehmen auch erst an unsere neuen Handelsvereinbarungen mit der EU anpassen. Auch ohne Covid würden wir erwarten, dass dies ein wenig Zeit in Anspruch nehmen und zu Veränderungen in den Exportbewegungen führen wird – so haben beispielsweise viele Unternehmen ihre Lager kurz vor dem Jahreswechsel aufgefüllt, um etwas mehr Zeit zu haben, sich mit den neuen Regeln vertraut zu machen.

Das ist auch der Grund, weshalb wir einige Erleichterungen auf der britischen Seite eingeführt haben, um Händlern bei der Anpassung zu helfen, und wir sind zuversichtlich, dass sie dies auch tun werden. Unser Fokus beim Department for International Trade (DIT) ist es, sie dabei zu unterstützen.

Gilt Ähnliches bei spezieller Betrachtung der Einfuhr von Chemikalien aus der EU nach UK oder gab es hier verstärkt Probleme?

A. Kiliçli: Auch Chemieunternehmen hatten mit diesen beiden Herausforderungen zu kämpfen. Deshalb verfolgen wir bei der Implementierung der britischen UK REACh-Verordnung einen stufenweisen Ansatz, um den Unternehmen Zeit zu geben, sich auf die unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen hinsichtlich Chemikalien einzustellen. Die Branche war und ist zudem besonders wichtig in unserem Kampf gegen Covid.

Aus diesem Grund wollten wir eine Zusatzvereinbarung – Annex – für Chemikalien im Freihandelsabkommen sichern, um eine strukturierte Zusammenarbeit bei der zukünftigen Regulierung der Branche zu gewährleisten, sowohl bilateral als auch in internationalen Gremien. Durch enge Zusammenarbeit werden wir weiterhin daran arbeiten, unnötige Hindernisse für den Handel mit Chemikalien abzubauen und zu vermeiden. Die britische Regierung wird natürlich auch weiterhin den Dialog mit der Branche führen, um deren Anliegen zu verstehen und zu erfahren, wo die Regierung möglicherweise helfen kann.

Worauf sollte beim Export von Chemikalien aus der EU nach UK bei der Wahl des Transporteurs jetzt besonders geachtet werden?

A. Kiliçli: DIT ist nicht wirklich befugt, Unternehmen eine Empfehlung bei der Wahl des Transporteurs bzw. Spediteurs auszusprechen. Mein erster Ratschlag wäre nach einem Partner zu suchen, der Erfahrung mit dem Transport von Chemikalien hat und eine gute Erfolgsbilanz vorweisen kann. Andere Faktoren wie Kosten und Qualität werden die Entscheidung ebenfalls beeinflussen.

Wichtig ist, dass der Spediteur eine mit den Buchstaben „GB“ beginnende EORI-Nummer benötigt, um Waren nach England, Wales oder Schottland zu importieren. Wenn man eine EORI-Nummer hat, die nicht mit „GB“ beginnt, benötigt man eine neue. In Großbritannien gibt es Prozesse, die die Zollabfertigung schneller und einfacher machen, wenn man regelmäßig Einfuhrerklärungen abgeben muss.

Gibt es Änderungen in der Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien im grenzüberschreitenden Verkehr nach UK?

A Kiliçli: Die Klassifizierung von Chemikalien, die in Großbritannien – England, Schottland und Wales – auf den Markt gebracht werden, wird durch die ‘GB Classification, Labelling and Packaging Regulation’, bekannt als GB CLP, geregelt.

Die Health & Safety Executive (HSE) ist die GB CLP-Agentur. Sie führt bestimmte CLP-Funktionen aus, die früher von der European Chemicals Agency (ECHA) übernommen wurden. Die EU-CLP-Verordnung wurde im britischen Recht beibehalten. Diese Regelungen bedeuten, dass Großbritannien weiterhin unabhängig von der Euro­päischen Union das Globally Harmonized System (GHS) übernimmt. Im Rahmen der GB CLP-Verordnung gibt es keine wesentlichen Änderungen bei den Kennzeichnungs- und Verpackungsanforderungen. Die Gefahrenkennzeichnung für Stoffe und Gemische, die in Großbritannien auf den Markt gebracht werden, müssen in englischer Sprache erfolgen, wobei neben Englisch auch andere Sprachen zulässig sind.

Was müssen Unternehmen nun im Besonderen beachten, die unter REACh gelistete Chemikalien nach UK einführen? Was ist in diesem Zusammenhang unter „Comply with UK-REACH“ zu verstehen?

A. Kiliçli: In Großbritannien ansässige Unternehmen, die zuvor unter EU-REACh registriert waren, können nicht mehr in den EWR-Markt verkaufen, es sei denn, sie haben ihre Registrierungen auf eine in der EU oder im EWR ansässige Organisation übertragen.

Britische Unternehmen, die dies nicht getan haben, können einen Alleinvertreter – Only Representative – ernennen, der die Registrierungspflichten gemäß EU-REACh übernimmt, oder ihre in der EU oder im EWR ansässigen Importeure dabei unterstützen, Registranten zu werden. Sie benötigen außerdem eine gültige britische (UK) REACh-Registrierung, um den Zugang zum britischen Markt weiterhin zu gewährleisten.

In der EU oder im EWR ansässige Unternehmen, die Chemikalien nach Großbritannien importieren, müssen sicherstellen, dass sie durch eine gültige britische (UK) REACh-Registrierung abgedeckt sind. Diese Unternehmen können die Substanz unter UK REACh entweder durch einen im Vereinigten Königreich ansässigen Alleinvertreter oder eine britische Tochtergesellschaft registrieren lassen.

 

„Wir werden weiterhin daran arbeiten, unnötige Hindernisse für den Handel mit Chemikalien zu vermeiden.“

 

Das Verfahren für die Beantra­gung einer britischen (UK) ­REACh-Registrierung ist dem Verfahren für die Beantragung einer EU-REACh-Registrierung bei der ECHA sehr ähnlich. Wenn Unternehmen der Meinung sind, dass sie einen solchen Antrag stellen müssen, können sie sich an das Team der HSE wenden, unter ukreach.authorisation@hse.gov.uk, mit dem Betreff „notification of intention to submit an application for authorisation“.

Auf welche Weise unterstützt Ihr Department Chemieunternehmen, die unter EU REACh/UK REACh fallende Chemikalien vertreiben, beim Im- oder Export dieser Waren?

A. Kiliçli: DIT hier in Deutschland hilft gerne bei allen Fragen, die sich deutsche Unternehmen in Bezug auf Im- und Exporte aus bzw. in das Vereinigte Königreich stellen. Unsere Aufgabe ist es, den kontinuierlichen Handel zwischen unseren beiden Ländern zu fördern. Wir beraten Unternehmen gerne, zum Beispiel bei zoll-, verpackungs- oder vorschriftenbezogenen Fragen und werden unser Bestes tun, um weiterzuhelfen.

Mit Blick auf die Zukunft – und auch die Vergangenheit – des Handels- und Kooperationsabkommens, liegt unser Fokus auf einigen der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit, wie zum Beispiel dem Erreichen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Erholung nach Covid und der Bewältigung des Klimawandels. Dieses Jahr finden zum Beispiel der G7-Gipfel im Juni in Cornwall und die COP26 Klimakonferenz im November in Glasgow statt, die diese Prioritäten für das Vereinigte Königreich untermauern. Um diese Ziele zu erreichen, ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen im Vereinigten Königreich und im Ausland entscheidend und wir sind hier, um interessierte Unternehmen dabei zu unterstützen, ein Teil davon zu sein.

 

Chemicals Helpline

Das Team der Health & Safety Executive (HSE) hat eine `Chemicals Helpline’ eingerichtet, die angerufen werden kann, wenn eine spezielle Beratung zu UK REACh benötigt wird:

  • Tel. : +44 330 159 1985
  • Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr.
  • Bei allgemeinen Fragen (auch auf Deutsch) kann DIT kontaktiert werden: DITGermany.Enquiries@fcdo.gov.uk

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