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Continued Process Verification

In der Prozessvalidierung bahnt sich ein Systemübergang an

04.12.2012 -

Wer in der pharmazeutischen Industrie Herstellungsprozesse validiert, der beweist etwas. Das sagt zumindest die im europäischen Rechtsraum gültige Definition dieses Fachbegriffs: "Validierung ist die Beweisführung [...], dass Verfahren, Prozesse, [...] tatsächlich zu den erwarteten Ergebnissen führen." (vgl. Glossar zum EU GMP-Leitfaden, EudraLex Vol. 4). Hinter dieser Formulierung steht eine weltweit harmonisierte, verbindliche Anforderung an das Qualitätssicherungssystem pharmazeutischer Hersteller, die in diesem Industriezweig mitausschlaggebend für den Markteintritt eines Produkts ist.

Wie dieser Beweis im Detail zu erbringen ist, darüber disputieren Pharmazeuten und Regulatoren seit Einführung der entsprechenden Regelwerke. Und das nicht nur auf dem europäischen Kontinent. In Nordamerika, wo den Behörden bei der Regulierung der Qualitätsansprüche an pharmazeutische Produkte eine Vorreiterrolle zukommt, wurde die Vorgehensweise in der oben genannten Beweisführung erst kürzlich neu definiert. Die amerikanische Aufsichtsbehörde, die US Food and Drug Administration (FDA) legte die seit 1987 geltende Richtlinie zur Prozessvalidierung, den „US FDA Process Validation Guide", neu auf (vgl. „Guidance for Industry - Process Validation: General Principals and Practices; FDA Januar 2011). Und dabei machte sie keine „halben Sachen".

Entwicklung von Prozessverständnis

Seit jeher wurde den Herstellern von Hilfsstoffen, Wirkstoffen und Arzneimitteln seitens der Aufsicht führenden Behörden das Gewinnen von tiefgehendem Prozessverständnis angetragen. Die bis 2011 geltenden Anforderungen waren formalistisch genug, um mit viel Fleiß, aber im Zweifelsfall auch ohne tiefgehende Kenntnis einzelner Prozesszusammenhänge, einen erfolgreichen Abschluss der Prozessvalidierung zu ermöglichen. Dies wurde mit den neu gefassten Inhalten der besagten Richtlinie, die am 24.01.2011 publiziert wurde, ad acta gelegt.

Die Entwicklung von Prozessverständnis ist der Mittelpunkt des Papiers und damit auch das zentrale Anliegen der Behörde. Die Prozessvalidierung wird nicht mehr auf den initial zu erbringenden Nachweis der Reproduzierbarkeit des Verfahrens bzw. der Zwischen- und Endproduktspezifikationen reduziert. Vielmehr werden die Entwicklung von detailliertem Wissen zum pharmazeutischen Herstellungsprozess und die Einführung von Kontrollstrategien zur Prozesssteuerung proklamiert. Eine Anforderung, die, soweit bestehende branchenübliche Standards in geeigneter Weise gelebt werden, die Aufwände zur Prozessvalidierung nicht mehren, sondern anders strukturieren, im günstigen Fall langfristig sogar reduzieren kann.

Minimierung von Risiken

Zielgerichtet fordert dieser Ansatz die Minimierung von Risiken, die mit der Herstellung von Pharmazeutika grundsätzlich verbunden sind und erreicht damit die qualitative Seite ebenso wie die ökonomische. Denn je hochwertiger und umfassender der „Beweis" für die Fähigkeit angetreten wird, die Produktqualität zu reproduzieren, desto niedriger sind im Nachgang die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass das Produkt am Ende der Wertschöpfungskette nicht in den Markt eingeführt werden kann.

Wie so oft in der Historie folgen die Europäer den Amerikanern in Bezug auf die Arzneimittelherstellung in ihren Regelungsabsichten nach. So steht derzeit ein Richtlinienentwurf zur Diskussion und Verabschiedung, der die Ansprüche an die Prozessvalidierung auch im europäischen Rechtsraum nivellieren soll (vgl. „Guideline on process validation - Draft"; EMA, März 2012). Herausgeber ist die die europäische Arzneimittelbehörde (EMA, European Medicines Agency), mit zentralisierter Zuständigkeit für die Bewertung und Überwachung von Arzneimitteln. Traditionell bedingt ist diese Empfehlung mehr aus der Sichtweise einer Zulassungsbehörde geschrieben und fokussiert nur indirekt auf eine laufende pharmazeutische Herstellung.

Lebenszyklusbetrachtung

Liest man diesen Entwurf, so findet man auch hier die Abkehr vom bis dato gepflegten Ansatz der Prozessvalidierung hin zu einer Vorgehensweise, die den kompletten Lebenszyklus eines Arzneimittels betrachtet. Anders und industriefreundlicher als das amerikanische Vorbild, bricht die Richtlinie allerdings nicht mit der klassischen Variante der Prozessvalidierung. Sie stellt die neue Strategie der kontinuierlichen Prozessüberwachung als „continued process verification" bewusst neben das traditionelle Modell. Und sie beschreibt mit dem „hybrid approach", sogar den Wechsel der Vorgehensweisen innerhalb ein und desselben Prozesses, soweit eine klare Zuordnung zu definierten Prozessabschnitten getroffen wird. Dies eröffnet die Möglichkeit, auch bei bereits validierten, laufenden Verfahren schrittweise auf neue, am Stand der Wissenschaft und Technik orientierte, Prozessregel- und Kontrollmaßnahmen umzustellen.

Pharmazeutische Qualitätssicherungssysteme sind berüchtigt für ihre Dokumentationsdichte. Das zentrale Planungsdokument für die Prozessvalidierung, ist der obligatorisch erforderliche Validierungsmasterplan, kurz VMP. In diesem Dokument findet die Beschreibung der Kontrollstrategie mit der Zuordnung zu den einzelnen Prozessschritten und der Planung der sich daraus ableitenden regelmäßigen Prüfungen und Auswertungen ihren geeigneten Stammplatz.

Umsetzung der Prozessvalidierung

Da es sich bislang bei dem vorgelegten EMA-Dokument „nur" um eine Entwurfsversion handelt, bleibt abzuwarten, welche Möglichkeiten und konkreten Inhalte die finalisierte Richtlinie enthalten wird. Dass aber eine an die heutigen Möglichkeiten angepasste Anforderung an die Umsetzung der Prozessvalidierung festgeschrieben wird, steht außer Frage. Alleine die amerikanischen Vorgaben legen den Pharmazeutischen Herstellern nahe, sich dem Wechsel der Systeme zu stellen und für neu einzuführende Herstellungsprozesse entsprechend zu planen.
Zur Etablierung der „continued process verification" müssen kritische Parameter, Prozessschritte und Qualitätsattribute identifiziert und mit einer geeigneten Prozesskontrollstrategie belegt werden. Dies erfolgt risikobasiert auf der Grundlage von Entwicklungsdaten und einem daraus abgeleiteten Prozessverständnis und sollte bereits im Labor- bzw. im Pilotmaßstab berücksichtigt werden. Hierfür bietet sich eine Iteration von Risikoanalysen an, verbunden mit einer Auswahl von Kontrollstrategien basierend auf PAT (vgl. Pharmaceutical cGMPs for the 21st century - a risk based approach; Final Report; FDA September 2004).

Etwas komplexer gestaltet sich die Herleitung solcher kritischer Größen bei bestehenden Prozessen bei dem Quereinstieg über den Hybridansatz. Die Datenbasis ist hier gegebenenfalls nicht gut etabliert, zumeist aber doch „in extenso" vorhanden. Viele Hersteller besitzen große Datenmengen, die erfasst, aber bisher nicht im Sinne einer „continued process verification" ausgewertet wurden. Als Beispiele seien hier Trendanalysen, statistische Auswertungen von Inprozesskontrollen, Online- oder Inlinemessungen von Prozessparametern und Ausbeute sowie Freigabeanalytik genannt.

Variabilität der Prozessführung

Auch die ohnehin obligatorisch erforderlichen produktbezogenen Qualitätsreviews (PQR und APR) sind Datensammelbecken, über die jeder Hersteller verfügt und die hervorragend genutzt werden können. Gelingt hier die seriös begründete und ebenfalls risikobasierte Auswahl einzelner aussagekräftiger Kontrollpunkte, ist dies der Grundstein für die Entwicklung und Etablierung einer effizienten Prozessüberwachung. Diese sollte ausreichend sein, um die Ansprüche der unterschiedlichsten Regulatoren abzudecken.

Die Perspektiven, die sich aus einem umfangreichen und detaillierten Prozessverständnis ergeben, dürften mittelfristig zum Tragen kommen. So lässt die proklamierte „continued process verification" eine definierte Variabilität der Prozessführung zu, die bislang an der Definition starrer Grenzen und punktueller Sollwerte scheitert. Der langfristige Aufwand, Prozesse immer wieder auf ihre Eignung zu prüfen, also formal zu revalidieren, lässt sich somit in eine Sammlung und Auswertung kontinuierlich anfallender Daten umwandeln. Ein geeignet strukturierter Eingang dieser Daten in die Validierungsdokumentation ist der Schlüssel für einen ökonomischen Umgang mit den aktuell aufgebrachten neuen Anforderungen an die Prozessvalidierung.

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