Forschung & Innovation

Das volle Potenzial der Circular Economy

Die globale Plattform für Kunststoffabfälle und Rezyklate Cirplus digitalisiert den Beschaffungsprozess

12.05.2021 - Das Zauberwort lautet auch bei Cirplus: Digitalisierung

Schon deshalb agiert das Start-up nur zwei Jahre nach Gründung bereits global. Cirplus verbindet nicht nur Lieferanten und Abnehmer von Kunststoffabfällen und Rezyklaten, sondern bietet künftig auch Materialprüfung, Logistik und Zahlungsabwicklung. Derzeit pusht das Unternehmen zudem die DIN-Standardisierung von Handelsklassen bei Rezyklaten und schafft damit einen echten Game Changer am Markt. Michael Reubold befragte Gründer und Geschäftsführer Christian Schiller zum aktuellen Marktumfeld und den Zielen für das Start-up.

CHEManager: Herr Schiller, Sie haben Cirplus 2018 gegründet. Was war Ihre Motivation für die Gründung?

Christian Schiller: Es klingt jetzt wie eine Art Gründungsmythos, aber ich erlebte sozusagen meinen Erweckungsmoment, als ich mich vor der Küste Kolumbiens plötzlich in einem Teppich aus Plastikmüll verhedderte. Seitdem lässt mich der Gedanke, welchen verschwenderischen Umgang wir mit unseren Wertstoffen treiben, nicht mehr los. Zusammen mit meinem Partner Volkan Bilici, der in der Welt der Webtechnologien und Blockchain-Applikationen zuhause ist und darüber hinaus mehrere Jahre lang Erfahrungen in der kunststoffverarbeitenden Industrie gesammelt hat, habe ich mich entschlossen: Wir werden mithelfen, das volle Potenzial der Circular Economy zu entfesseln.

Die vollständige Kunststoffkreislaufwirtschaft muss das ultimative Ziel sein. Wie will Cirplus daran mitwirken?

C. Schiller: Wir digitalisieren den Beschaffungsprozess. Auf jeder Stufe der Wertschöpfung lassen sich Kosten einsparen. Cirplus hilft, neue Lieferanten beziehungsweise Abnehmer zu finden, bietet eine integrierte Material­prüfung und optimiert die Logistik bis hin zur Zahlungsabwicklung und zum Reklamationsmanagement. Zudem erhöht Cirplus die Transparenz und Versorgungssicherheit. Über die weltweite Vernetzung, Vergleichbarkeit und Vertragsschlussmöglichkeit kann jeder Kunststoffverarbeiter nachvollziehen, aus welchem Stoffstrom ein Lieferant ein Rezyklat hergestellt hat.

 

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Was machen Sie besser als etablierte Kunststoffhandelsplattformen?

C. Schiller: Bis dato gab es keine echten Handelsplattformen in diesem Bereich, sondern eher Kontaktbörsen nach dem Prinzip von gelben Seiten. Cirplus ist anders. Klar finden Sie auch Kontaktinformationen, aber wir digitalisieren den gesamten Beschaffungsprozess und integrieren Cirplus in die Betriebsabläufe: vom Suchen, Finden, Verhandeln bis zu Vertragsschluss, Materialtestung und der Logistik – ein One-Stop- Shop für zirkuläre Kunststoffe.

Beide Cirplus-Gründer sind eher nicht in der Kunststoffbranche zuhause, wie viel Kunststoffkompetenz benötigen Sie und wie stellen Sie diese sicher?

C. Schiller: Unser Team aus Technologiepartnern und Digitalexperten verfügt über umfassende Erfahrung in der Herstellung, Verarbeitung und dem Recycling von thermoplastischen Kunststoffen. Ein hochkarätig besetzter Beirat aus Wissenschaftlern und Praktikern sorgt zusätzlich für Nachschub an innovativen Ideen und Verfahren.

Welche Herausforderungen sehen Sie, um Cirplus erfolgreich zu machen?

C. Schiller: Sechs große Kunststoff­erzeuger bedienen den Markt in großer Konstanz mit standardisierten Qualitäten. Neuware ist eine Commodity, das heißt: das Virgin-HDPE von Borealis unterscheidet sich von dem der BASF nur marginal. Das sorgt für große Versorgungssicherheit und günstige Preise nach der Logik von Warenterminbörsen.

Genau das Gegenteil ist im Rezyklatemarkt der Fall. Weil Standards fehlen, müssen sie sich als Abnehmer jeden Rezyklathersteller genau anschauen. Hat er langfristig die richtigen Inputströme gesichert? Kann seine Anlagentechnik die chemischen und physikalischen Anforderungen meines Rezyklatbedarfs bedienen? Kriegt er die richtige Farbe hin? Und: Was mache ich, wenn ein Lieferant einmal ausfällt?

Rezyklate werden nur dann zur Commodity, wenn es gelingt, die Datenqualität von verfügbaren Abfallströmen und Rezyklaten transparent zu machen und somit zum Aufbau von Handelsklassen beziehungsweise Produktportfolios bei Recyclern beizutragen. Genau das ist das Ziel der DIN SPEC 91446, die wir im August 2020 initiiert haben. Aus unserer Sicht kann dieser Standard ein echter Game Changer werden. Er würde zum ersten Mal Versorgungssicherheit auf einem Markt für hochwertige Rezyklate schaffen.

In welchem Stadium befindet sich Ihr Start-up und was werden die nächsten Schritte sein?

C. Schiller: Um die Kreislaufwirtschaft richtig auf Touren zu bringen, müssen die Preise für qualitativ hochwertige Rezyklate gesenkt, die Verfügbarkeit erhöht und die Digitalisierung und Transparenz entlang der Wertschöpfungskette massiv ausgebaut werden. Allein in der EU haben wir 27 unterschiedliche Rechtsrahmen für die Behandlung von Abfällen. Das ist nur mit einem ordentlichen Digitalisierungsschub zu bewältigen, da scheitert jedes menschliche Gehirn. Sie sehen: Vor uns liegen noch ein paar große Schritte, aber die Reise hat längst begonnen.

Zur Person

Christian Schiller studierte Rechts-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften in Deutschland, Frankreich und den USA und begann seine berufliche Laufbahn nach Anstellungen als Forschungsassistent und Berater 2012 bei Baker Hughes in den USA. 2013 übernahm er als Vice-Country Manager DACH-Region Verantwortung bei BlaBlaCar, der größten Mitfahrzentrale Europas. Vor seinem Start als Unternehmer ging der vielsprachige Gründer 2017/2018 auf eine einjährige Weltreise durch 19 Länder. Unterwegs wuchs in ihm die Idee, mit einer Handelsplattform für Kunststoffabfälle und Rezyklate die Kreislaufwirtschaft zu pushen. Daraufhin gründete er 2018 zusammen mit Volkan Bilici Cirplus.

Innovation PitchBusiness Idea

100 % Circular Plastics

Das Softwareunternehmen Cirplus entwickelt seit Dezember 2018 eine Beschaffungsplattform für zirkuläre Kunststoffe, d.h. es vernetzt die Wertschöpfungskette Kunststoffe und Recycling und die Kosten für den industriellen Einsatz von Kunststoffrezyklaten. Gehandelt werden sowohl Kunststoffabfälle als auch Rezyklate.

Leistungen

Durch die sukzessive Integration der verschiedenen Prozessschritte im Handel mit Kunststoffrezyklaten auf einer Plattform (u.a. Lieferantensuche und Lieferantenverifizierung, Standardisierung, Musterbestellung, Vertragsabschluss, Beprobung, Track & Trace, Logistik bis hin zu Zahlungsabwicklung und Reklamationsmanagement) wird Transparenz und Verlässlichkeit in die Mengen-, Preis- und Qualitätsplanungen für Verarbeiter und Markenartikler/OEMs gebracht.
Die Plattform verbindet die drei Stufen der Wertschöpfung vom Abfallmanager/-erzeuger (wie z.B. der Firma Nehlsen) über den Recycler/Compoundeur (z.B. dem Dualen System Deutschland (DSD)/Der Grüne Punkt bis hin zum Kunststoffverarbeiter und dessen Brand Owner (z.B. Greiner, einem der Verpacker des Konsumgüterkonzerns Henkel).

Vorteile auf einen Blick

  • Weltweite Vernetzung von Angebot und Nachfrage
  • Lieferantenverifizierung (KYC) und standardisierte Einkaufsspezifikationen
  • Unmittelbarer Vergleich von Produkten & Materialgesuchen
  • KI-gestützte Mengen- und Preisvorhersagen
  • Kontrakt-Tendering und Spot-Geschäfte
  • Musterbestellung
  • Übersichtliche Chat-Funktionalitäten
  • Markttransparenz

Pilotpartner

Nehlsen, Greiner, Voelpker, Wela Plast, Hoffmann + Voss, Deiss, MWT, Kunststoff-Institut Lüdenscheid, u.a.

Elevator pitchElevator Pitch

Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz

Cirplus wurde Ende 2018 gegründet. Seit dem Beginn des Live-Betriebs im März 2020 wurden mehr als 700 Firmen für die Plattform akquiriert und mehr als 1.5 Mio. t an Material mit einem Warenwert von über 900 Mio. EUR gelistet. Durch den Green Deal der EU und das Inkrafttreten der EU-Plastiksteuer im Januar 2021 bekam das Start-up zusätzlichen regulatorischen Rückenwind.

Unternehmerischer Erfolg von Cirplus bedeutet zudem Erfolg für den Planeten, denn die Plattform erzeugt gleich zwei Nachhaltigkeitseffekte: Erstens spart jede verkaufte Tonne Rezyklat bis zu 80 % der CO2-Emissionen im Vergleich zu Neuware. Zweitens verringert sich der Kunststoffeintrag in die Umwelt durch den erhöhten ökonomischen Anreiz zum Recycling von Abfällen anstelle von Deponierung, Verbrennung oder illegaler Entsorgung.

Cirplus digitalisiert den Handel mit Kunststoffabfällen und Rezyklaten. Das macht deren indus­triellen Einsatz einfach und kosteneffizient. Zudem treibt Cirplus als Initiator aktiv die Standardisierung von Rezyklaten mit der DIN SPEC 91446 voran. Diese Initiative in Zusammenarbeit mit dem DIN e.V soll schon bald die Markttransparenz von Rezyklaten deutlich verbessern.

Unterstützer und Förderer

  • de:hub,
  • EIT ClimatKIC
  • Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
  • Circular Economy Initiative Deutschland
  • AIF Innovators Net
  • DBU Deutsche Bundesstiftung Umwelt
  • Prevent Waste Alliance, u.a.

Mitgliedschaften

  • EU Circular Plastic Alliance
  • European Plastics Pact
  • Solar Impulse Foundation
  • BNW Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft
  • geTon-Initiative, u.a.

Roadmap

Ausbau der Nutzerbasis sowohl in geografischer als auch in recyclingspezifischer Hinsicht
Verabschiedung der DIN SPEC 91446 – Standardisierung für hochwertiges Kunststoffrecycling.

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Kontakt

cirplus GmbH

Betahaus, Eifflerstraße 43
22769 Hamburg
Deutschland

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