Anlagenbau & Prozesstechnik

Den richtigen Instandhaltungsmix finden

Solide Datenbasis als Voraussetzung für die kontinuierliche Optimierung eines Instandhaltungsplans

19.04.2022 - Unerwartete Anlagenausfälle verursachen nicht nur Kosten, sondern können eine Kette an negativen Folgen nach sich ziehen.

Dem kann mit einem passenden Instandhaltungsplan vorgebeugt werden, zu dessen Mix auch die vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) gehört. Pharmaunternehmen gelingt es damit leichter, die Regularien bspw. der FDA einzuhalten, Chemiebetriebe erhöhen die Anlagenverfügbarkeit, halten Liefertermine und Produktequalität aufrecht. Die Basis für den optimalen Instandhaltungsmix ist die Erfassung, Konsolidierung und Analyse der richtigen Daten.

In der Chemiebranche ist das Risiko hoch, bei einem ungeplanten Anlagenausfall wegen Lieferschwierigkeiten oder Ressourcenengpässen Ersatzteile gar nicht oder nur schwer zu bekommen. Anlagen der Pharmaindustrie sind abseits von Verpackungsmaschinen zwar oft weniger komplex, dafür muss die Branche strenge gesetzliche Regularien, bspw. der FDA, einhalten: Werden vorgeschriebene Wartungen oder der Austausch von Teilen nicht ordnungsgemäß durchgeführt, können Unternehmen ihre Produktionsgenehmigung verlieren, auch wenn die Anlagen in einem Topzustand sind. Da hochpreisige Produkte produziert werden, summieren sich die Kosten bei Ausfällen schnell - es können auf einmal Verluste in Millionenhöhe entstehen. Bei der Verpackungsproduktion wirken sich wegen der Herstellung hoher Stückzahlen auch kleine Beträge schnell aus: Steht die Maschine eine Stunde lang, summieren sich auch hier die Kosten. Unternehmen beginnen allerdings oft erst, sich für die Optimierung der Instandhaltung zu interessieren, wenn es zu einem gravierenden Ausfall kam, der große Schäden verursacht hat.

Manche Bemühungen zur Verbesserung der Instandhaltung sind wegen Ressourcenmangels nicht effektiv. In anderen Fällen wird die Implementierung vorausschauender Instandhaltung von der Konzernebene nach unten weitergereicht, wo das Team vor Ort ohne Unterstützung bei der Umsetzung nicht vorankommt. Wieder andere Unternehmen sind überfordert mit der Auswahl der Angebote und Begrifflichkeiten: Sie benötigen Orientierung und eine sinnvolle Vorgehensweise.

Um ihr Instandhaltungsmanagement zu verbessern, benötigen Pharma- und Chemieunternehmen einen belastbaren Instandhaltungsplan. Er fußt auf vier Säulen. Die ersten beiden Säulen sind: die ausfall­orientierte Instandsetzung, bei der defekte Teile ersetzt werden, sowie der laufzeitbedingte Austausch, d. h. die vorbeugende bzw. zeitbasierte Instandhaltung (Preventive Maintenance). Die dritte Säule ist die vorausschauende bzw. zustandsorientierte Instandhaltung (Predictive Maintenance): Der Austausch erfolgt hier nicht blind, sondern gezielt auf Basis von Messdaten. Die vierte Säule ist die proaktive Instandhaltung, bei der optimale Umgebungsbedingungen für die Maschinen geschaffen werden, um Fehlerquellen auszuschalten.

Instandhaltungsmanagement optimieren

Die Einbindung von Systemen und Verfahren zur vorausschauenden Instandhaltung sollte zentrales Element in der Instandhaltung sein und kann die Anlagenverfügbarkeit signifikant erhöhen. Sie ist z.B. bei teuren Anlagen oder Anlagenkomponenten mit langen Lieferzeiten sinnvoll und sorgt dafür, dass Investitionen an den richtigen Stellen vorgenommen werden. Auch Anlagen, die für die Produktion hochpreisiger Produkte wie Pharmaartikel eingesetzt werden, sollten überwacht werden. In vielen Unternehmen gibt hier Optimierungspotenzial. Im Pharmasektor kann zudem ein Fokus auf der proaktiven Instandhaltung sinnvoll sein.

Die optimale Gestaltung des Instandhaltungsplans besteht aus dem für das Unternehmen idealen Maßnahmenmix. Mit einer guten Instandhaltung kann Geld gespart werden, da die Einsatzzeit der Anlage steigt. Das Gleiche gilt für das Ersatzteilmanagement inklusive Lagerhaltung: Eine gute Vorbereitung mit Arbeitsplanung und -anweisungen sowie vorbereitetem Equipment kann die Wrench Time maximieren, also jene Zeit, die die Techniker an der Maschine arbeiten. Sie geht oft verloren, wenn Ersatzteile nicht vorhanden oder Arbeitsanweisungen unklar sind. Hier liegen große Einsparpotenziale für die Pharma­industrie.

Doch auch anscheinend simple Komponenten wie ein gutes Schmierprogramm sind wichtige Bestandteile eines optimalen Instandhaltungsplans: Ein Großteil der ungeplanten Ausfälle erfolgt, weil zu viel, zu wenig oder mit dem falschen Produkt geschmiert wird. Dem kann vorgebeugt werden.

Grundsätzlich ist eine solide Datenbasis eine wichtige Voraussetzung für die kontinuierliche Optimierung eines Instandhaltungsplans. Sie gilt es, zentral auf einer Plattform zu sammeln, zu verbinden, zu verwalten und zu analysieren. Über Algorithmen, Analysen und Augmented Intelligence können dann Schäden früh erkannt, wiederkehrende Pro­bleme identifiziert und daraus Handlungsempfehlungen für den Betreiber abgeleitet werden.

Instandhaltungsmix finden

Oft fällt es Unternehmen schwer, den richtigen Mix zu finden. So ist z. B. der laufzeitbedingte, präventive Austausch nicht per se sinnvoll. Dabei werden auch Teile ausgetauscht, die noch funktionsfähig sind. Und: Gerade nach einem Komponentenaustausch ist die Wahrscheinlichkeit von Problemen statistisch gesehen höher, gleichzeitig ist die Mehrzahl der Ausfälle statistisch laufzeitunabhängig. Chemiebetriebe halten Anlagenteile oft redundant vor, etwa Pumpen.

nternehmen übersehen dann, die Ersatzpumpen zu überwachen und dafür zu sorgen, dass sie einsatzbereit sind. Denn auch Standschäden, etwa verursacht durch Schwingungen der benachbarten Anlagen, können entstehen.

Ein weiteres Problem stellt eine ungeeignete Sensorik dar: Nur wenn man weiß, welche Schadensfälle detektiert werden sollen, kann die richtige Sensorik ausgewählt und installiert werden. Sie ist der erste Baustein für genaue und gute Daten: Misst ein Schwingungssensor z. B. einen zu niedrigen oder zu hohen Frequenzbereich, werden Fehler außerhalb des Messfensters nicht wahrgenommen und wertvolle Reaktionszeit kann damit verloren gehen. Hier ist einschlägiges Wissen über die Parametrisierung der Sensorik unabdingbar. Darüber hinaus muss die Zuordnung von Datenstämmen und Messpunkten korrekt erfolgen.

Die Chemie stellt das vor Herausforderungen: Ein Werk kann schnell 400 oder 500 Pumpen besitzen. Dann verursacht die schiere Menge der Sensorik bzw. der notwendigen Handmessungen hohe Kosten. Auch die entstehende große Datenmenge muss bewältigt werden.

Instandhaltungsplan aufsetzen

Anders als die Pharma- steht die Chemiebranche unter stärkerem Kostendruck, und Unternehmen brauchen konkrete Anwendungsfälle, um in die Optimierung der Instandhaltung zu investieren. So kann zunächst ein Audit bzw. ein Assessment vorgenommen und der Ist-Zustand vor Ort erfasst werden. Danach wird das Ziel bestimmt: Das Unternehmen legt die Messlatte fest. Es sollte dann aufgezeigt werden, mit welchen Maßnahmen sich die schnellsten Erfolge erzielen lassen. Zentral im Prozess ist die Kritikalitätsanalyse. Hierbei wird aufgeschlüsselt, welche Anlagen besonders kritisch für die Produktion sind und deren Ausfall es auf jeden Fall zu vermeiden gilt: Für sie bietet sich eine dauerhafte Überwachung an. Bei anderen Maschinen kann der Fokus darauf liegen, Schäden auftreten zu lassen und sie möglichst zeitnah zu beheben.

Nach der Kritikalitätsanalyse wird die Fehleranalyse (Failure Mode and Effects Analysis, FMEA) durchgeführt. Dabei werden drei Fehlermodi unterschieden: das Design, d. h. die Art der Verschleißteile und Abnutzung, sowie Kontext bzw. Funktion, d. h. in welchen Umgebungsbedingungen eine Anlage betrieben wird. Dieser Teil spielt für die Chemie eine zen­trale Rolle, da Produkte, die gefördert oder hergestellt werden, Eigenschaften besitzen, die Anlagen angreifen können, was schneller zu Ausfällen führen kann. Der dritte Fehlermodus ist der Prozess: Er beschreibt, ob eine Maschine innerhalb oder außerhalb ihrer Spezifikation betrieben wird. Ob die FMEA vollständig erfolgt oder nur mit dem Fokus auf „Failure Mode by Design“, bestimmt das Ergebnis der Kritikalitätsanalyse. Für unkritische Maschinen kann sie ganz entfallen.
Im nächsten Schritt werden die Umsetzungsvarianten eruiert: Das Unternehmen kann die Maßnahmen der Handlungsempfehlungen selbst implementieren, sich anleiten lassen oder den Vorgang outsourcen.

Die Bedeutung von Daten

Daten sind das A und O für die Produktion im Sinne von Indus­trie 4.0. Es gilt, sie kontinuierlich zu verwenden und aus ihrer Akkumulation konstant Erkenntnisse zu gewinnen. So können Prognosen erstellt und Probleme entdeckt werden, die sonst im Verborgenen bleiben. Mit einer leistungsfähigen Datenplattform, die alle erhobenen Daten und Berichte integriert, konsolidiert und bereitstellt, können sie analysiert und wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. KPIs (Key-Performance-Indicators) können dann als Entscheidungsgrundlagen für das Management dienen.

Deswegen schließt sich der Implementierung des Instandhaltungsmixes eine Überwachung und Nachjustierung an. Mit einer umfassenden Diagnostik kann eine Früherkennung der Fehler erfolgen, sodass die Behebung geplant erfolgen kann. Die Datenplattform ermöglicht den Schritt von Predictive zu Prescriptive Maintenance, von der vorausschauenden Instandhaltung hin zu einer agilen Strategie, die konstant optimiert, die Leistung steigert und Risiken weiter minimiert. Predictive Maintenance hilft, einen sich entwickelnden Schaden frühzeitig zu entdecken und so einen ungeplanten Stillstand zu vermeiden. Prescriptive Maintenance stellt hingegen die Frage, was getan werden muss, damit der Schaden erst gar nicht entsteht.

Fazit

Effektive Instandhaltung beginnt mit einem auf das Unternehmen zugeschnittenen Plan, in dem zustands­orientierte Technologien integriert sind, um ungeplante Ausfälle der Produktionsanlagen zu vermeiden. Chemieunternehmen stellen damit die Verfügbarkeit ihrer Anlagen sicher, Pharmafirmen die Einhaltung der Regularien. Mit dem richtigen Mix aus Instandhaltungsansätzen gelingt es Unternehmen, proaktiv zu agieren, statt in der Reaktion festzusitzen. Die Voraussetzung dafür ist eine solide Datenbasis aus der Überwachung der Anlagen mit passender Sensorik.

Autor

 

„Daten sind das A und O für die Produktion im Sinne von Industrie 4.0. Es gilt, sie kontinuierlich zu verwenden und aus ihrer Akkumulation konstant Erkenntnisse zu gewinnen.“

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