Strategie & Management

Familienunternehmen – Streit ist der größte Wertvernichter

Inhaberstrategien stärken die Wettbewerbsfähigkeit von Familienunternehmen und den Zusammenhalt von Unternehmerfamilien

20.06.2016 -

Rund 95% aller Unternehmen in Deutschland sind in Familienhand. Ihre besondere Art zu wirtschaften lässt sich mit einer quantitativen Definition nur schwer erfassen. Dr. Andrea Gruß sprach mit Dr. Dominik von Au, Geschäftsführer der Intes Akademie für Familienunternehmen und Partner bei PricewaterhouseCoopers, über die Stärken von Familienunternehmen und die besonderen Herausforderungen bei der Unternehmensnachfolge.

CHEManager: Welche volkswirtschaftliche Bedeutung haben Familienunternehmen?

Dr. D. von Au: Familienunternehmen sind nicht nur die die älteste Organisationsform unternehmerischen Handels, die bis zu den Fuggers oder Medicis zurückgeht, sie haben auch die Entwicklung des Kapitalismus geprägt und werden heute zurecht als „Herzstück der sozialen Marktwirtschaft“ bezeichnet. Mehr als neun von zehn Unternehmen in Deutschland sind in Familienbesitz. Sie repräsentieren fast 50% aller steuerpflichtigen Umsätze und beschäftigen mehr als die Hälfte aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

Wann sprechen Sie von einem Familienunternehmen?

Dr. D. von Au: Definitionen von Familienunternehmen gibt es wie Sand am Meer. Ich halte nichts von rein quantitativen Abgrenzungen. Wesentliche Kriterien für Familienunternehmen sind für mich die dominante Inhaberstellung einer Familie mit einem generationsübergreifenden Unternehmerverständnis. Demzufolge ist nicht jedes inhabergeführte Unternehmen auch ein Familienunternehmen. Bill Gates oder andere Gründer haben bedeutende Unternehmen geschaffen, sind aber zumindest nach meinem Verständnis keine Familienunternehmer. Viele Gründer machen sich zunächst keine Gedanken über ihren dynastischen Willen. Sie fokussieren sich richtigerweise auf Wachstum und den effektiven Einsatz ihrer oftmals knappen Ressourcen. Aber erst wenn ein Alleininhaber über seine Nachfolge nachdenkt und sich entschließt, das Unternehmen innerhalb der Familie weiterzugeben, wird er zum Familienunternehmer und handelt dann meist auch anders als zuvor.

Welche Vor- und Nachteile birgt das Familienunternehmertum?

Dr. D. von Au: Anders als bei einer Publikumsgesellschaft gibt es bei einem inhabergeführten Familienunternehmen keine Reibungsverluste zwischen Inhaber und Führung. Aufwändige Kontroll- und Abstimmungsmechanismen entfallen. Allerdings steigt damit auch die Gefahr des Machtmissbrauchs durch den Inhaber. Es gibt ja meist zwei Seiten der Medaille.

Welche Chancen und Risiken überwiegen, unterscheidet sich von Familienunternehmen zu Familienunternehmen, lässt sich aber durch eine Analyse des Unternehmenstyps antizipieren.

Wie gelingt das genau?

Dr. D. von Au: Mit dem 3-Dimensionenmodell, das der Intes-Gründers Prof. Peter May maßgeblich entwickelt hat, lassen sich Familienunternehmen gemäß ihrer Inhaber-, Unternehmens- und Governance-, d.h. Führungs- und Kontrollstruktur nach unterschiedliche Typen kategorisieren. So ist beispielsweise das Familienunternehmen Trigema ein vom Alleininhaber Wolfgang Grupp geführtes Unternehmen mit fokussiertem unternehmerischen Portfolio, während das Familienunternehmen Haniel über ein stark diversifiziertes Portfolio verfügt, ähnlich wie Merck oder Freudenberg im Eigentum einer Familiendynastie mit vielen Gesellschaftern ist und von der Familie kontrolliert, aber nicht geführt wird. Mit jedem Unternehmenstyp sind spezifische Chancen und Herausforderungen verbunden.

Wo sehen Sie allgemein die größten Risiken für Familienunternehmen?

Dr. D. von Au: Brun-Hagen Hennerkes, Vorsitzender der Stiftung Familienunternehmen hat es einmal auf den Punkt gebracht: Streit ist der größte Wertvernichter in einem Familienunternehmen. Egal wie erfolgreich ein Unternehmen operativ ist, wenn die Familie den Zusammenhalt verliert, wenn es keine gemeinsame, inhaberstrategische Ausrichtung mehr gibt, werden Familienmitglieder Entscheidungen blockieren und dadurch dem Unternehmen langfristig schaden. Eine Inhaberstrategie und eine Familienverfassung wirken dem entgegen und dienen dazu, möglichen Sprengstoff zu entschärfen. Die Inhaberstrategie macht das Familienunternehmen wettbewerbsfähiger und stärkt zugleich die Unternehmerfamilie.

Oft löst der Generationswechsel in einem Unternehmen einen Streit in der Familie aus…

Dr. D. von Au: Ja, von allen Herausforderungen, die ein Familienunternehmen zu bewältigen hat, ist die Unternehmensnachfolge die größte und wichtigste: Nur etwas über die Hälfte aller Unternehmen gelingt der Generationswechsel. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen muss der übergebende Unternehmer bereit sein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, zum anderen gilt es, viele schwierige und zum Teil sehr persönliche Fragen zu beantworten. Es geht um Eigentum und Führung, um Geld, Macht, Liebe und Anerkennung. Rechtliche und steuerliche Fragen erhöhen die Komplexität der Unternehmensnachfolge weiter.

Welchen Beitrag leistet hier die Erbschaftssteuerreform?

Dr. D. von Au: Familienunternehmen stehen für Kontinuität und Sicherheit, und das oftmals seit vielen Generationen. Das Erbschaftsteuerrecht kann diese Strukturen unterstützen oder eben auch behindern. Um die besondere Kultur der Familienunternehmen zu bewahren, sollte das neue Gesetz nicht negativ auf Eigenkapitalstärke, Liquidität oder Finanzierung der Unternehmen wirken. Zudem sollte es verfassungsfest und praxisgerecht sein.

Welche internen Faktoren machen die Nachfolge schwierig, welche Chancen birgt sie?

Dr. D. von Au: Hier ist die Führungs- und die Anteilsnachfolge zu unterscheiden. Bei einem Familienunternehmer mit mehreren Kindern erben diese oftmals die gleichen Anteile am Unternehmen, aber oftmals kann nur eines die Unternehmensführung übernehmen. Die Interessen des geschäftsführenden Gesellschafters und der anderen, dann nicht im Unternehmen tätigen Inhaber, unterscheiden sich zwangsläufig. So wird beispielsweise der Geschäftsführer Gewinne bevorzugt ins Unternehmen reinvestieren, während die anderen Gesellschafter eine Ausschüttung für ihre Anteile wünschen. Dies ist nur eines von vielen Governance-Themen, die beim Generationswechsel an Bedeutung gewinnen.

Geht man das Thema Nachfolge frühzeitig an, ist es jedoch mehr Gestaltungsaufgabe denn Bedrohung. Entwicklungspläne für die nächste Generation, der Dialog mit der ganzen Familie und das Schaffen personenunabhängiger Strukturen und eines Beiratsgremiums tragen nicht nur dazu bei, den Übergang ohne Konflikte zu gestalten, sondern auch zur Professionalisierung des Familienunternehmens.

Was unterscheidet eine Inhaberstrategie von einer Unternehmensstrategie?

Dr. D. von Au: Die Inhaberstrategie ist der Ausgangspunkt zur Entwicklung einer Unternehmensstrategie. Während die Unternehmensstrategie ein Unternehmensziel vorgibt und den Weg dorthin beschreibt, tut die Inhaberstrategie das Gleiche für Inhaberschaft und Familie. Sie legt zum Beispiel fest, wer am Familienunternehmen beteiligt sein darf. Darf ich meine Anteile auch an einen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner oder Stief- und Adoptivkinder veräußern oder vererben, an jemanden aus einem anderen Familienstamm oder doch nur an meine Schwester? Die sind meist hoch emotionale Fragen.

Darüber hinaus behandelt die Inhaberstrategie auch Fragen zur erwarteten Mindestrendite und des unternehmerischen Wachstums, der Einstellung zu Risiken und der Finanzierungsstruktur. Die Antworten seitens der Inhaber auf diese Fragen sollte jeder Geschäftsführer kennen, egal ob Familienmitglied oder familienfremder Manager.

Welche Inhalte umfasst eine Inhaberstrategie darüber hinaus?

Dr. D. von Au: Eine gute Inhaberstrategie, manchmal übrigens auch Family Business Governance genannt, legt Werte und Ziele fest, die die Familie und das Unternehmen verfolgen. Sie definiert auch Grundzüge des Geschäftsmodells und Leitgedanken für die Geschäftsführung. Darüber hinaus bedarf es kluger Regeln für das Zusammenspiel von Geschäftsführung, Beirat, Gesellschafterversammlung und Gesellschaftern. Die Mitarbeit von Familienmitgliedern und der Informationsfluss zwischen den Gremien werden darin geregelt. Auch finanzielle Themen wie Vergütung, Ausschüttung, Gesellschafterdarlehen oder Abfindungen beim Ausscheiden aus dem Familienunternehmen bedürfen klarer, einvernehmlicher Regelungen.

Ab welcher Größe benötigt ein Unternehmen eine Inhaberstrategie?

Dr. D. von Au: Der Nutzen ist unabhängig von der Unternehmensgröße. Auch kleinere Familienunternehmen sollten sich frühzeitig damit beschäftigen, insbesondere, wenn sich die Inhaberstruktur oder das Führungsmodell eines Unternehmens beispielsweise auf Grund einer Nachfolge ändern.

Die gemeinsame Erarbeitung einer Inhaberstrategie und einer darauf basierenden Familienverfassung ist ein wirkungsvolles Instrument zur gemeinsamen Willensbildung der Inhaber. Sie trägt zum langfristigen Zusammenhalt der Unternehmerfamilie bei und sichert damit die Zukunft des Familienunternehmens.

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