Chemie & Life Sciences

Fotokatalysator aus Harnstoff

Carbonnitrid ermöglicht effizientere und umweltfreundlichere Reaktionswege

11.12.2019 -

Photosynthese oder „Chemie mit Licht“ – was uns die Natur und Pflanzen vormachen, hat die moderne Synthesechemie in den letzten Jahren „wiederentdeckt“ und zu einem sehr wertvollen Werkzeug der industriellen und universitären Erzeugung von Stoffen weiterentwickelt. Dabei geht es nicht nur um den Aufbau von Biomasse und Zuckern. Es werden im Labor auch ganz neue Reaktionswege möglich, bspw. die gleichzeitige Aktivierung von zwei Reagenzien oder die formale Insertion ganzer Moleküle in chemische Bindungen. Dadurch wird Synthesechemie einfacher, umweltfreundlicher, und es können ganz neue Reaktionswege eröffnet werden.

Als Fotokatalysatoren werden dabei verschiedene Metallkomplexe und organische Farbstoffe verwendet. Ihre geringe Stabilität und schwierige Wiederverwertung schränken aber eine breitere Anwendung ein. Zudem sind die Metallkomplexe zumeist aus zwei der seltensten Elemente dieser Welt aufgebaut, dem Ruthenium und Iridium. Das schränkt die breitere Nutzung stark ein.

Carbonnitrid als Fotokatalysator Chemiker der Universität Regensburg und des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam verwenden ein zweidimensionales Material als Fotokatalysator in der organischen Synthese: Carbonnitrid, eine Verbindung, die nur aus Kohlenstoff- und Stickstoffatomen besteht. Das Material kann z.B. aus Harnstoff hergestellt werden und ist damit sehr preiswert. Es wurde bislang hauptsächlich für fotokatalytische Wasserspaltung verwendet, doch hat es für die organische Synthese viel zu bieten. Seine physikalischen Eigenschaften ermöglichen es, die meisten gängigen molekularen Fotokatalysatoren durch eine einzige Verbindung zu ersetzen. Die bemerkenswerte Stabilität und Heterogenität des Materials erlauben außerdem eine nachhaltige Nutzung.

„Die bemerkenswerte Stabilität und Heterogenität des
Materials erlauben eine nachhaltige Nutzung.“

Burkhard König, Professor am Institut für Organische Chemie der Universität Regensburg


Anwendung für Pharma und Pflanzenschutz Mit der Verwendung organischer Halbleiter wie Kohlenstoffnitrid zeigt das Forscherteam um Burkhard König, Professor am Institut für Organische Chemie der Universität Regensburg, auf der Basis der im  MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung entwickelten Katalysatoren breitere Anwendungsmöglichkeiten von Licht als effizientes und sicheres Reagenz in der organischen Synthese auf. Dadurch eröffnet sich eine Perspektive für fotokatalytische Reaktionen in größerem Maßstab: „Licht in der Fotoreaktion“ hilft, Chemie effizienter, nachhaltiger, umweltfreundlicher und damit auch unkomplizierter zu gestalten. Dass die chemische Fotokatalyse jetzt schon zur Anwendung in der Erforschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe in der pharmazeutischen Industrie und im Pflanzenschutz kommt, erläutert König: „Ganz verschiedenste Reaktionen können durch Licht unter sehr milden Bedingungen ausgelöst werden und dies ist natürlich gerade für die Synthese komplexer und oft empfindlicher Wirkstoffe wichtig. Typische Reaktionen, die schon jetzt fotokatalytisch durchgeführt werden und für die man den neu entwickelten heterogenen, metall­freien Fotokatalysator nutzen kann, sind Kreuzkupplungsreaktionen – zur Knüpfung von bspw. Kohlenstoff-Kohlenstoff- oder Kohlenstoff-Stickstoff-Bindungen – und „Late Stage Functionalizations“. Hier werden reaktive Intermediate in Gegenwart von Wirkstoffgrundgerüsten erzeugt; es kommt zu einer unspezifischen Funktionalisierung und man erhält in einem Schritt mehrere Derivate, deren pharmakologische Aktivität oder metabolische Stabilität getestet werden kann.“

Möglichkeit der industriellen Anwendung Die Vorteile dieser Katalysatoren liegen auf der Hand: „Der heterogene Fotokatalysator ist außerordentlich stabil, kann leicht wiedergewonnen und immer wieder eingesetzt werden. Er enthält keine Metalle, die gegebenenfalls als Verunreinigungen in einem Produkt stören können. Zudem ist mit dem Fotokatalysator gleichzeitig eine Oxidation und eine Reduktion möglich, so dass ein Molekül doppelt und auf unterschiedliche Weise funktionalisiert werden kann“, so König. Diese Vorteile sind u.a. auch die Gründe, warum es bereits Kooperationen mit der Industrie gibt, um die Forschungsergebnisse in die industrielle Anwendung zu überführen. König verrät: „Ja, wir arbeiten mit Industriepartnern aus dem Bereich der pharmazeutischen Wirkstoffforschung, aber auch mit der chemischen Industrie zusammen, um die Grundlagen für mögliche industrielle Anwendungen fotokatalytischer Verfahren zu legen.“ (bm)

 

Kontakt

Universität Regensbug, Institut für Organische Chemie