Standorte & Services

Hürden in der Genehmigungspraxis

Genehmigungsrechtliche Herausforderungen für Betreiber von Anlagen in Chemie- und Industrieparks

01.03.2016 -

Die Realisierung industrieller und gewerblicher Projekte setzt in der Regel eine umweltrechtliche Genehmigung voraus. Für den Anlagenbetreiber ist es dabei wichtig, die Genehmigung schnell und unter möglichst wenig kostenintensiven Auflagen zu erhalten. Andrea Esser, Expertin für Genehmigungsmanagement bei Probiotec, einem Tochterunternehmen der Weyer Gruppe, ist öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Genehmigungsverfahren im Umweltbereich. In CHEManager berichtet sie über ihre Erfahrungen in der Überwachung der genehmigungsrechtlichen Situation von Anlagen in Chemie- und Industrieparks.

CHEManager: Frau Esser, Sie beschäftigen sich seit mehr als 25 Jahren mit genehmigungsrechtlichen Fragen im Umweltbereich. Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Überwachung von Anlagen in den letzten Jahren entwickelt?

A. Esser: Es gab schon immer große Unterschiede hinsichtlich der Überwachung von Industrieanlagen, von Bundesland zu Bundesland, aber auch in Bezug auf die Art der Anlagen. Sicherheitstechnisch oder immissionsseitig relevante Anlagen wurden schon immer intensiv überwacht. Insgesamt gesehen schauen sich die Behörden die Anlagen heute jedoch kritischer und systematischer an. Ich vermute, dass ein Grund für diese Entwicklung eine Reihe von Betriebsstörungen ist, die in den letzten Jahren zu erheblichen Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt haben und im Rahmen derer auch die Überwachungsbehörden in erhebliche Erklärungsnot gekommen sind.

Ein weiterer Grund ist auch die Veröffentlichung der Überwachungsberichte von Anlagen, die der EU-Industrieemissions-Richtlinie unterliegen – sog. IED-Anlagen – durch die Behörde im Internet. Wo die Behörde früher oft einen einfachen Hinweis gab, damit der Betreiber sich noch einmal mit einem bestimmten Punkt beschäftigt und nacharbeitet, steht heute ein Mängelprotokoll im Internet. Dies beinhaltet eine ganz andere Öffentlichkeitswirkung und setzt die Behörde und den Anlagenbetreiber gleichermaßen unter Druck, keine Fehler zu machen.

Wie wird in der Praxis die genehmigungsrechtliche Situation von Anlagen überwacht?

Die Genehmigungsbehörde ist gesetzlich verpflichtet, Genehmigungen regelmäßig zu überprüfen und ggf. durch nachträgliche Anordnungen auf den neusten Stand zu bringen. Durch die Umsetzung der Industrieemissions-Richtlinie müssen sie zumindest bei IED-Anlagen regelmäßige Inspektionen durchführen, die je nach Einstufung durch die Behörde in 1 bis 3-Jahres-Intervallen erfolgen. Dabei werden regelmäßig auch die Genehmigungssituation und die Umsetzung von Nebenbestimmungen überprüft. Für viele Anlagenbetreiber stellt dieser Punkt eine Hürde dar, da oft nur bei großen Unternehmen eine systematische Ordnung und Übersicht der Dokumente vorliegt. Je kleiner und älter das Unternehmen ist, desto schwieriger ist im Regelfall die Übersicht und Nachweisführung. Größere Industrieparks und industrielle Anlagen sind unserer Erfahrung nach oftmals besser organisiert, da hier das entsprechende Personal und die Mittel bereit stehen.

Wie stellt sich die Auffindbarkeit der relevanten Antragsunterlagen, Genehmigungen und Nebenbestimmungen dar?

Die genehmigungsrechtlich relevanten Dokumente sind oft innerhalb des Betriebes verteilt. Das Problem einer dezentralen und unstrukturierten Ablage findet sich öfter als man denkt: Es gibt sehr oft Archive, von denen keiner so wirklich weiß, wo sie sich befinden und was dort drin steht. Das macht es mitunter für uns knifflig, einen Überblick über den tatsächlichen Genehmigungsstand zu bekommen, gerade wenn es sich um alte Anlagenteile handelt, deren Genehmigungen Jahrzehnte zurückliegen. Erschwerend kommt oft hinzu, dass lediglich ein alteingesessener Mitarbeiter die alleinige Übersicht hat. Probleme treten regelmäßig dann auf, wenn diese Person ausscheidet und das Wissen verschwindet.

Und wie sieht die Genehmigungssituation bei historisch gewachsenen Standorten aus?

Insbesondere bei alten Standorten ist es nicht unüblich, dass uralte Genehmigungen sowohl beim Antragsteller als auch bei der Behörde nicht mehr aufzutreiben sind. Daher sind die Behörden bei Problemen in dieser Hinsicht kulanter als bei aktuelleren Genehmigungen. Hinzu kommt, dass jede Genehmigungsbehörde auch eine vollständige Dokumentation der Genehmigungssituation vorliegen haben sollte. Aber die haben in der Regel das gleiche Problem wie die Anlagenbetreiber…

Ein weiteres Problem ist, dass in neueren Genehmigungen der Anlagenbestand deutlich detaillierter ausgeführt wird als früher. Ergibt sich dann eine Änderung in einem Anlagenteil, ist oft nicht auf Anhieb ersichtlich, was früher Bestandteil der alten Genehmigung war und wie die aktuelle Änderung in Bezug auf den genehmigten Bestand einzuordnen ist. Vereinzelt wird, besonders wenn viele alte Genehmigungen vorliegen, in denen viele Nebenbestimmungen schon überholt sind, eine sog. Bereinigungsgenehmigung zur Aktualisierung des Genehmigungsbestandes erteilt.

Wie werden in der Praxis genehmigungsrechtliche Termine überwacht?

Auch hier gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen: Es gibt Betreiber, die sich z.B. durch spezielle Datenbanken unterstützen lassen. Diese Datenbanken beinhalten alle Prüftermine, Antragsunterlagen und Genehmigungen. Vor jedem Prüftermin erhält die für die Prüfung verantwortliche Person und deren Vorgesetzter eine Erinnerungs-E-Mail, so dass kein wichtiger Termin verpasst werden kann und gleichzeitig sämtliche wichtigen Dokumente jederzeit abrufbar sind. Auch wir haben für unsere Kunden eine solche Datenbank entwickelt. Die meisten Anlagenbetreiber sehen in einer solchen Datenbank auch ein durchaus wirksames Hilfsmittel. Es fehlt aber oft die Bereitschaft, in ein solches Unterstützungstool zu investieren, wenn es bisher leidlich mit einer simplen Excel-Tabelle funktioniert hat. Ein Umdenken findet oft erst statt, wenn ein unerfreulicher Behördentermin z.B. im Rahmen einer Umweltinspektion stattgefunden hat, in dessen Rahmen der Betreiber die notwendigen Dokumente nicht auf Anhieb vorzeigen konnte.

Welche neuen Herausforderungen stellt die IED-Richtlinie an Anlagenbetreiber?

Durch die Umsetzung der IED-Richtlinie ist ein neues Thema im Rahmen der Überwachung hinzugekommen: die Überwachung von Boden und Grundwasser im Hinblick auf die in der Anlage gehandhabten gefährlichen Stoffe. In jedem neuen Genehmigungsbescheid muss die Behörde diesbezüglich Nebenbestimmungen formulieren. Untersuchungen des Grundwassers sollten demnach alle fünf Jahre, die des Bodens alle zehn Jahre stattfinden. Diese Verpflichtung ist eng mit der Pflicht zur Erstellung eines Ausgangszustandsberichtes des Bodens und des Grundwassers verknüpft, der für jede IED-Anlage erstellt werden muss. Streng genommen haben diese Verpflichtungen nichts mit der Erkundung von Altlasten zu tun. Die Behörden nehmen diese Untersuchungen jedoch gerne zum Anlass, weitergehende Untersuchungen zu fordern. Dies kann zu erheblichen Diskussionen und Zeitverzögerungen führen. Zu diesen Themen registrieren wir einen deutlich erhöhten Beratungsbedarf bei den Anlagenbetreibern.

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