Forschung & Innovation

Hygienisches automatisiertes Öffnen und Schließen von Laborgefäßen

30.03.2023 - Advanced Therapy ­Medicinal Products (ATMPs) stellen eine neue Therapiemethode der ­regenerativen Medizin dar, die die Vorzüge von Material­ wissen­schaften, Bio­technologie und Physik in innovativen Wirk­mechanismen vereint.

Aufgrund des demo­grafischen ­Wandels und veränderten ­Lebensstilen steigt der ­Bedarf an Therapeutika für sich ­etablierende Volks­krank­heiten zur Ent­lastung des Gesund­-heits­apparats.

Arthrose infolge von Übergewicht und Bewegungsmangel oder Herz-Kreislauferkrankungen durch mangelhafte Ernährung und Rauchen sind nur zwei in epidemiologischen Studien identifizierte Trendkrankheiten. Die Herstellung von ATMPs unterliegt komplexen Herstellprozessen sowie hohen Hygienestandards, da oftmals lebende Zellen in Trägermaterialien verarbeitet werden müssen. Zur Deckung des steigenden Bedarfs ist die Skalierbarkeit der ATMP-Herstellung unabdingbar. Die Prozessautomatisierung bietet neben hohen Durchsätzen Vorteile hinsichtlich der Qualitätskonstanz und Effizienz, senkt zudem aber auch hohe Personalkosten in zurzeit hauptsächlich manuell ausgeführten, repetitiven Prozessen in der ATMP-Produktion. Obwohl die Eliminierung von manuellen Prozessen die Risiken für die Produktqualität minimieren kann und die Reproduzierbarkeit optimiert, müssen oft besondere Herausforderungen gemeistert werden. Das Ersetzen manueller Prozesse durch Robotik erfordert spezielle Lösungen besonders bei Anwendungen bei denen haptisches Feedback relevant ist.

In der ATMP-Produktion und insbesondere der Zellkultur werden zur Flüssigkeitsbevorratung flaschenähnliche Gefäße mit Schraubverschlüssen verwendet. Das automatisierte Öffnen und Verschließen unterschiedlicher Deckel- und Gefäßgeometrien muss analog zu weiteren erforderlichen manuellen Prozessen wie dem Pipettieren, Transportieren oder Mikroskopieren im robotischen Herstellungsprozess integriert werden. Insbesondere im Forschungsumfeld oder bei der Etablierung skalierender Herstellungsprozesse treten wechselnde Einmalprodukte zur Flüssigkeitsbevorratung, wie bspw. Zentrifugenflaschen oder -röhrchen, auf. Da diese Gefäße für Standardlaborgeräte und -zubehör etabliert und in großer Varianz verfügbar sind, ist eine Verwendung im automatisierten Prozess trotz erschwerter Prozessierbarkeit sinnvoll.

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Die Konstruktion des Decappers erlaubt eine Integration in vielfältige automatisierte Anwendung. Durch einen Austausch des Deckeladapters, kann das Gerät effizient für neue Gefäße umgerüstet werden. © Frauhofer IPT

 

Im Rahmen des laufenden Forschungsprojekts Joint Promise zur automatisierten Zellkultivierung wurde ein Cap Screwer entwickelt, welcher Zen­trifugenflaschen und -röhrchen in einer Umgebung hohen Hygienestandards ohne manuelle Intervention entdeckeln und wieder verschließen kann.

Dabei wurden für die Entwicklung des automatisierten Cap-Screwers hohe Anforderungen gesetzt, um in der Produktion von Zellmaterial verwendet werden zu können. Bei der offenen Zellherstellung werden Reinräume vom GMP (Good Manufacturing Practice) Grad A verwendet, dies entspricht einem Reinraum nach ISO 14644-1 der Klasse 5. Besonderes Augenmerk galt bei der Entwicklung auch dem Hygenic Design der Komponenten, um eine sehr gute Abwischbarkeit zu ermöglichen. Zusätzlich sollte für die automatische Sterilisation die Vernichtung von Keimen durch gasförmiges Wasserstoffperoxid möglich sein.

Um Partikelemissionen zu minimieren, nutzt die Konstruktion daher eine abgedichtete Abdeckung für alle abriebbehafteten beweglichen Teile was ebenfalls das Eindringen von H2O2 oder Reinigungsmitteln verhindert. So wird eine ausgezeichnete Dekontamination und Sterilisation ermöglicht. Der spezielle Hygienemotor sowie die übrigen außenliegenden Komponenten bieten durch den Einsatz von Edelstahloberflächen sowie Hygienedichtungen höchste chemische Beständigkeit und somit Resistenz gegen Wasserstoffperoxid und alle gängigen Reinigungsmittel.
Die einfache Anpassbarkeit auf verschiedene Schraubverschlüsse von unterschiedlichen Gefäßen wird durch den Austausch des Deckeladapters an der Unterseite des Cap Screwers (siehe Abb. 1) ermöglicht. Gemeinsamkeit aller Deckelhalter ist, dass durch spezielle Druckstifte das Drehmoment für das Öffnen und Schließen des Gefäßes einstellbar ist und so auch Gefäße mit verhältnismäßig glatten Deckeln verwendet werden können. Erfolgreich getestet wurden bereits Deckelhalter für 50 ml Zentrifugenröhrchen und 500 ml Zentrifugenflaschen. Durch die Kinematik kann der Cap-Screwer Schraubverschlüsse in Kombination mit einem 6-Achs-Roboter (siehe Abb. 2), einem SCADA Roboter oder sogar als Teil einer Förderbandanwendungen mit nur einer externen Z-Achse für einen hohen Durchsatz verwendet werden. Dabei deckt der Cap Screwer alle Bewegungen ab, die für das auf- und zuschrauben des Deckels notwendig sind, während die externe Bewegungseinheit das Schraubgefäß zuführt. Für die Be- und Entladung der Deckel kann dieselbe Bewegungseinheit wie für die Bereitstellung der Gefäße verwendet werden. Da Bauraum auch in automatisierten Reinraumlaboren begrenzt ist, benötigt der Cap-Screwer nur wenig Standfläche (220 mm x 100 mm) und hat eine Höhe von 550 mm. Durch seine Schließ-/Öffnungszeit von Schraubgefäßen von ca. acht Sekunden eignet er sich ideal für die Integration in Workflows mit niedrigem und mittlerem Durchsatz. Durch die einzigartige Kombination aus Reinigbarkeit, Sterilisierbarkeit und hohe Flexibilität bei einem ist der Cap-Screwer besonders für verschiedentste automatisierte Workflows in Reinraum­umgebungen in Kombination mit automatisierter Sterilisation durch Wasserstoffperoxid einsetzbar.

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Beispielanwendung bei der ein 6-Achs-Roboter zum entdeckeln einer Zentrifugenflasche den Cap-Screwer verwendet.© Fraunhofer IPT

 

Autoren: Frederik Erkens, Judith Krieger, Aron Rogmann Fraunhofer IPT

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