Forschung & Innovation

Innovation passiert nicht einfach

Durch Innovationsmanagement das langfristige Unternehmenswachstum sichern

12.07.2012 -

Nachhaltige Wachstumsimpulse werden durch Innovationen getrieben. Natürlich ist es möglich, auch durch Akquisitionen Umsätze kurzfristig aufzublähen, aber diese Form von nicht organischem Wachstum ist wohl treffender als Agglomeration zu bezeichnen. Unternehmen können nur dann über einen längeren Zeitraum ein überdurchschnittliches Wachstum aufweisen, wenn sie sich in puncto Innovation dauerhaft Wettbewerbsvorsprünge erarbeiteten. Diese basieren in der Regel auf langfristigen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die über mehrere Dekaden hinweg im Unternehmen betrieben wurden.

Dies klingt zunächst trivial, ist in der Praxis aber oft - gerade unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit - schwer umzusetzen. Das gilt bereits zu konjunkturellen Hochzeiten: Seit der Auflösung der großen Zentralforschungsabteilungen müssen heute dezentral aufgestellte F&E-Abteilungen ihre Budgets mit den dazugehörigen Geschäftsbereichen verhandeln - in der Hoffnung, dass die oftmals langfristigen Forschungsschwerpunkte mit den oftmals kurzfristig artikulierten und kurzfristig zu behebenden Kundenproblemen vereinbar sind. Dies gilt aber umso mehr noch in den heutigen Zeiten der andauernden Weltwirtschaftskrise, in denen liquide Mittel knapper sind und Investitionen in Innovationen wieder verstärkt als Kosten - und eben nicht als Investitionen - gesehen werden.

Klassisches Innovationsmanagement
Bereits der klassische Kernbereich des Innovationsmanagements - das F&E-Management - basiert auf zwei Säulen, aus denen zwei konjunktur-
unabhängige Maximen hervorgehen: Da ist zum einen das „doing the things right" als operatives Projektmanagement. Wesentliche Aspekte der Projektorganisation, die zu Beginn des Projektes festgelegt werden, sind etwa die Aufbauorganisation des Projektes (Projektmanagement oder Matrixorganisation), die Definition des Projektziels und die Planung der Ablauforganisation mittels Phasen und Meilensteinen. Vor Projektbeginn wird auch die Realisierungsplanung mittels Projektstrukturplan, Termin- und Kostenplanung in hinreichendem Detaillierungsgrad vorgenommen. Während des Projektverlaufs kommen dann Methoden der Projektabwicklung und -steuerung bzw. des Projektcontrollings zum Einsatz.
Dieses operative Projektmanagement wird ergänzt durch eine richtige strategische Auswahl der Forschungsprojekte, das „doing the right things". In den letzten Jahren hat sich hier das Portfoliomanagement als eines der wichtigsten Instrumente der strategischen Forschungsplanung eta-
bliert. Im Wesentlichen verfolgt man hierbei drei Ziele: Zum einen geht es um die Maximierung des Wertes des gesamten Projektportfolios. Daneben wird das Ziel verfolgt, ein „ausbalanciertes" Projektportfolio zu erhalten, wobei „Balance" in verschiedenen Dimensionen angestrebt werden kann, z. B. hinsichtlich einer ausgewogenen Mischung von langfristigen und kurzfristigen Projekten. Die Beantwortung der Frage, welches denn die „ausgewogene" oder „angemessene" Balance ist, ist eng verwoben mit der dritten Zielstellung des Portfoliomanagements, dem Bestreben, das Projektportfolio in Einklang mit der Geschäftsstrategie zu gestalten. In der Regel - und hier bilden auch die Forschungsprojekte in der chemischen Industrie keine Ausnahme - korreliert die ökonomische Attraktivität eines Projektes mit seinem Risiko, sodass man typischerweise im Rahmen der Projektauswahl vor der Frage steht, ob man - bildhaft gesprochen - eher „die Taube auf dem Dach" oder den „Spatz in der Hand" fangen möchte.

Modernes Innovationsmanagement
Neuere Ansätze des Innovationsmanagements setzen nun voraus, dass Unternehmen über die beschriebenen operativen und strategischen Prozesse und Methoden verfügen und diese anwenden. Sie wenden sich daher einerseits der Frage zu, wie man den vorhandenen Baukasten von etablierten Werkzeugen und Prozessen zur Planung, Organisation und Kontrolle von F&E mit Augenmaß handhabt und die verfügbaren Module sinnvoll miteinander zu einem Ganzen zusammenfügt.
Zum anderen versuchen neuere Ansätze des Innovationsmanagements neue Wege aufzuzeigen, wie es zu einer Verbesserung der Ertragssteigerung der Investitionen in Innovation kommen kann. Diese gehen über die reflexartig in Krisenzeiten vorgenommenen Versuche hinaus, nur die Kostenseite zu optimieren, und basieren auf neuen Denkweisen über die Produktivität von Innovation. Exemplarisch seien hier vier Ansätze erwähnt, die alle auf der Einsicht basieren, dass innovative Impulse weniger stark mit den klassischen Inputs (gemessen in €) in interne F&E korrelieren als bislang angenommen wurde.

Interne Innovationskultur
Zunächst sei hier die Öffnung des Unternehmens nach Innen hin erwähnt. Hier geht es um die Schaffung einer unternehmensweiten Innovationskultur, die alle Mitarbeiter einschließt und sich nicht auf das klassische Gebiet von spezialisierten einzelnen Abteilungen, wie der F&E oder Produktentwicklung, beschränkt. Hilfreich zur Umsetzung kann hier eine konkrete Zielvorgabe sein: Zunächst wird die Anzahl der Personen im Unternehmen festgelegt, die nach traditionellem Verständnis bereits heute eine innovative Rolle spielen. Ziel könnte es sein, diese Zahl innerhalb eines Jahres zu verdreifachen. Ideenwettbewerbe und unternehmensweite Innovationsoffensiven sind hier probate Mittel.

„Open Innovation"
Zum Zweiten wird oft die Öffnung des Innovationsprozesses nach außen hin vorgeschlagen. Bisher waren die typischen Strategien zur Nutzung des innovativen Potentials Dritter die Auftragsforschung, die Einlizenzierung oder Kundenbefragung.
Über diese althergebrachten Methoden hinaus geht der von Henry Chesbrough geprägte Begriff „Open Innovation": Hierunter versteht man die Öffnung des Innovationsprozesses von Unternehmen im ­Sinne einer aktiven strategischen Nutzung der Außenwelt zur Ver­größerung des eigenen Innovationspotentials. „Open Innovation" beruht hierbei auf zwei Kernprozessen: zum einen auf dem Outside-In-Prozess als Integration externen Wissens in den Innovationsprozess. Hier wird das Know-how von Kunden, Lieferanten und externen Partner (z. B. Universitäten) genutzt, um so Qualität und Geschwindigkeit des Innovationsprozesses zu erhöhen. Zum anderen basiert „Open Innovation" auf einem Inside-Out-Prozess als Externalisierung von internem Wissen. Unternehmen nutzen diesen Prozess z. B., um solche Patente auszulizenzieren, die nicht für die Kernbereiche der operativen Geschäftstätigkeit notwendig sind.

„Radikale" Ideen
Zum Dritten wird oft die Forderung erhoben, „radikalen" Ideen und Projekten den Vorzug gegenüber „inkrementellen" Ideen und Projekten zu geben. Radikale Ideen - so wird oft behauptet - führen zu höheren Renditen und treiben überdurchschnittliches Wachstum an.
Diese Forderung ist sicher methodisch angreifbar, denn es existiert keine nachgewiesener empirischer Zusammenhang zwischen dem angestrebten Innovationsgrad und dem Innovationserfolg. Abseits des aktuellen wissenschaftlichen Diskurs zu dieser Frage sei hier das Augenmerk auf eine wichtige Aussage gelenkt: Radikale Veränderungen müssen jedoch nicht zwangsläufig riskant sein. So führte z. B. die Einführung der leicht portionierbaren „Spinatpellets", als Reaktion auf die aussterbende Großfamilie, zu einer fundamentalen Neubewertung des Kunden in diesem Marktsegment!
Das größte Potential für Innovation bieten in diesem Zusammenhang etablierte, ineffiziente Verhaltensweisen, welche sich nur durch übliche Gepflogenheiten in der Vergangenheit begründet haben. Vielversprechend ist es, Unstetigkeiten in Technologie, Demografie, Lebensstil, Gesetzesänderungen und Geopolitik zu erkennen. Um Innovation hinter diesen Unstetigkeiten zu finden, müssen sich Unternehmen fragen: „Was sind die grundlegenden tief greifenden Veränderungen in unserer Welt, welche unsere Konkurrenten unterschätzt oder ignoriert haben?" Dramatische Veränderungen eröffnen hier neue Möglichkeiten für radikale Innovationen
- wenn sie ausreichend Beachtung finden.

Kontinuität steigert Produktivität
Zu guter Letzt widmen sich neuere Ansätze des F&E-Managements erfreulicherweise dem Thema Kontinuität: Ständige Änderung der Prioritäten des Forschungsprogramms untergraben die Produktivität. Hier hat es sich bewährt, eine Handvoll von Innovationsfeldern als Kern-Forschungsthemen festzulegen, und auf diesen Feldern mit Beharrlichkeit über Jahre hinweg zu arbeiten. Diese Innovationsfelder sollten breit und praktikabel genug definiert sein, um fesselnd und glaubhaft zu sein. Andererseits müssen sie spezifisch genug sein, um einen Fokus auf eine konkrete Problemstellung anzubieten. Innerhalb solcher Felder kombinieren dann über Jahre hinweg kleine Ideen und Projektergebnisse miteinander und akkumulieren sich Wissen und Kompetenzen.

Fazit
Um auch in Zeiten knapper Kassen Wachstumspotentiale durch Innovation zu generieren, müssen die altbewährten Maximen des Innovationsmanagements (verstanden als „doing the things right" und „doing the right things") nicht außer Kraft gesetzt werden. Darüber hinaus sollten bewährte Anregungen des klassischen Innovationsmanagements um Ansätze ergänzt werden, welche ebenfalls danach streben, die Produktivität von Investitionen in Innovationen zu erhöhen: Der Innovationsprozess sollte nach innen und außen geöffnet werden, knappe Ressourcen sollten in radikale Innovationen eingesetzt werden, und die Forschungsagenda sollte sich entschlossen und beständig auf einige wenige Innovationsfelder fokussieren. 

Management von Forschung und Entwicklung in der Chemie -
Eine praxisnahe Einführung in Methoden und Tools
25. und 26. September 2012
Frankfurt am Main
Kurs: 929/12
Leitung: Prof. Klaus Griesar

Anmeldung/Information:
Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), Fortbildung
Tel.: +49 69 7917 291 / 364
fb@gdch.de
www.gdch.de/fortbildung

 

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