Strategie & Management

Internationales Nagoya-Protokoll in Kraft

Was müssen Unternehmen aus der chemischen und biotechnischen Industrie beachten?

26.01.2015 -

Das Nagoya Protokoll ist am 12. Oktober 2014 in Kraft getreten. Dieses internationale Staatenabkommen über die Nutzung genetischer Ressourcen und den Vorteilsausgleich mit Herkunftsländern soll helfen, die weltweite biologische Vielfalt zu erhalten. Das Nagoya-Protokoll wurde im Jahr 2010 auf der Weltbiodiversitätskonferenz im japanischen Nagoya verabschiedet. 90 Tage nach der 50. Ratifizierung ist der internationale Vertrag Anfang Oktober in Kraft getreten.

Das Nagoya Protokoll setzt das dritte Ziel des Übereinkommens über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, kurz CBD) um. Es definiert die genetischen Bestandteile von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen als Ressource, die international handelbar ist. Außerdem regelt es deren Verwendung - beispielwese als Ausgangsmaterial für Arzneimittel, Impfstoffe oder Enzyme für die industrielle Biotechnologie. Genetische Ressourcen menschlichen Ursprungs sind vom Protokoll ausgeschlossen.

In der EU wird die Umsetzung des Nagoya-Protokolls durch die EU-Verordnung 511/2014 vom 16. April 2014 spezifiziert. Einige Artikel der EU-Verordnung treten erst in einigen Jahren in Kraft. Dazu gehören die Artikel 4 (Verpflichtungen von Nutzern), 7 (Überwachung der Einhaltung durch Nutzer) und 9 (Kontrollen der Einhaltung durch die Nutzer). Es geht in den Artikeln im Wesentlichen um Compliance Regelungen und ihre Überwachung.

Grundsätzlich ist aber zu beachten, dass die übrige EU-Umsetzungsverordnung bereits jetzt gültig ist. Den Nachweis für die rechtmäßige Nutzung genetischer Ressourcen müssen betroffene Industrien und weitere Anwender ab Oktober 2015 den Behörden vorlegen. Wie dieser Nachweis konkret aussehen soll und an welchen Stellen der Beleg welchen Behörden vorgelegt werden muss, hat die EU-Kommission in einem Entwurf für Durchführungsbestimmungen des Nagoya-Protokolls zur Diskussion gestellt. Direkt und indirekt betroffene Industrien sowie weitere Stakeholder hat die EU-Kommission in die Diskussion einbezogen. Zu den betroffenen Industriezweigen zählen alle, die mit biotechnologischen Verfahren oder Produkten Werte schaffen - also Chemie, Pharma, Diagnostika, Tiergesundheit, Textilien, Papier, Kosmetika, Lebens- und Futtermittel bis hin zur Bioenergie.

Was plant die EU?

Die EU-Kommission hat ihren Entwurf für europaweite Durchführungsbestimmungen für das Nagoya-Protokoll Ende November 2014 vorgelegt. Konkret geht es darin um die Umsetzung der Artikel 5, 7 und 8 der EU-Grundverordnung 511/2014 für das Nagoya Protokoll. Was besagen die einzelnen Artikel demnach?

Register von Sammlungen
(Artikel 5 Abs. 1 und Abs. 2 der EU VO Nr. 511/2014 im Wortlaut):
Abs. 1: Die Kommission errichtet und führt ein Register von Sammlungen innerhalb der Union (im Folgenden „Register"). [...]

Abs. 2: Ein Mitgliedstaat prüft auf Antrag eines Sammlungsinhabers in seinem Hoheitsbereich, ob diese Sammlung oder ein Teil davon in das Register aufzunehmen ist. [...]

Im Entwurf der Durchführungsbestimmungen für diesen Artikel schlägt die EU-Kommission verschiedene Kriterien vor, anhand derer eine Sammlung genetischer Ressourcen in das offizielle Register aufgenommen werden kann. Dazu gehören u.a. die Art der Sammlung, die zuständige Behörde im EU-Mitgliedstaat, die die Sammlung verifiziert hat, eigene Leitfäden und ISO-Zertifizierungen, etc. Es werden auch Pflichten des Sammlungsinhabers und der überwachenden Behörden beschrieben. So soll diese spätestens alle drei Jahre eine registrierte Sammlung auf die Einhaltung der Standards bzw. gesetzlichen Bestimmungen überprüfen.

Bewährte Verfahren
(Artikel 8 Abs. 1 der EU VO Nr. 511/2014 im Wortlaut)

Vereinigungen von Nutzern oder andere interessierte Kreise können bei der Kommission beantragen, dass eine von ihnen entwickelte und überwachte Kombination von Verfahren, Instrumenten oder Mechanismen als bewährtes Verfahren gemäß den Anforderungen dieser Verordnung anerkannt wird. Der Antrag wird durch Nachweise und Informationen untermauert.

Im Entwurf der Durchführungsbestimmungen für diesen Artikel beschreibt die EU-Kommission, welche Informationen sie benötigt, um individuelle Verhaltensregeln (Code of Conducts) von Vereinigungen von Nutzern offiziell anzuerkennen. Dazu gehören u.a. Angaben darüber, dass die Nutzervereinigung in Übereinstimmung mit den Gesetzen des EU-Mitgliedstaates gegründet wurde, in dem sie angesiedelt ist. Wichtig ist außerdem eine detaillierte Beschreibung der Kombinationen von organisatorischen Verfahren, Instrumenten oder Mechanismen, die dem Nutzer die Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen ermöglicht. Ebenso muss eine detaillierte Beschreibung der Überwachungsmechanismen und Dokumentation vorgelegt werden und einiges mehr.

Nachweis einer sorgfältigen Prüfung
(Artikel 7 Abs. 1 der EU VO Nr. 511/2014 im Wortlaut)

Die Mitgliedstaaten und die Kommission verlangen von allen Empfängern, die im Zusammenhang mit der Nutzung von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, Forschungsmittel erhalten, die Abgabe einer Erklärung (due diligence declaration), dass sie im Einklang mit Artikel 4 mit der gebotenen Sorgfalt vorgehen.

Im Entwurf der Durchführungsbestimmungen für diesen Artikel beschreibt die EU-Kommission, an welchen Stellen die Nutzer genetischer Ressourcen eine Erklärung über die Einhaltung ihrer Sorgfaltspflichten den Behörden vorlegen müssen. Hier unterscheidet die EU-Kommission zwischen Forschung und kommerzieller Nutzung.

Forschung: Für diesen Bereich schlägt die EU-Kommission u.a. vor, dass der Zuwendungsempfänger seine Due-Diligence-Erklärung mit Erhalt der Forschungsförderung an den jeweiligen EU-Mitgliedstaat bzw. die EU-Kommission abgibt.

Kommerzielle Nutzung: Für diesen Bereich schlägt die EU-Kommission u.a. vor, dass die Due-Diligence-Erklärung im letzten Stadium einer Produktentwicklung abgegeben werden soll. Die Erklärung soll jeweils nur einmal erfolgen, beispielsweise dann, wenn eine Marktzulassung für ein Produkt angestrebt wird, das im Zusammenhang mit der Nutzung einer genetischen Ressource entwickelt wurde.

Bewertung

Es handelt sich bei dem Entwurf der Durchführungsbestimmungen um ein Diskussionspapier der EU-Kommission, in dem einige Punkte noch unklar sind und andere Aspekte nicht nachvollziehbar bzw. unrealistisch und überzogen bürokratisch erscheinen. Nicht nachvollziehbare Aspekte sind nach Auslegung der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) die geplanten Importkontrollen: Wenn die Nutzung - sprich Forschung und Entwicklung - außerhalb der EU erfolgt ist und das betreffende Produkt in die EU importiert wird, dann soll eine Due-Dilligence-Erklärung an die zuständige Behörde des importierenden EU-Mitgliedstaates abgegeben werden. An dieser Stelle geht die EU-Kommission nach Einschätzung der DIB weit über das hinaus, was das Nagoya Protokoll vorsieht. Im ungünstigen Fall könnte sich die EU international dem Vorwurf aussetzen, über solche Kontrollen protektionistische Maßnahmen einzuführen. Es besteht also noch erheblicher Diskussions- und Klärungsbedarf.

Umsetzung des Nagoya-Protokolls im Betrieb vorbereiten

Wichtig ist aber, dass sich chemische und biotechnische Unternehmen mit dem Nagoya-Protokoll und den nationalen Umsetzungen befassen. Sie sollten jetzt überlegen, wie sie Compliance-Regelungen innerhalb ihrer Unternehmen gestalten können. Besser jetzt und immer ein bisschen mehr tun, als gesetzlich vorgeschrieben, nach dem Motto: Better safe, than sorry.

 

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