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Klimagasendlager unter der Nordsee

Mitteldeutsche Chemiefirmen prüfen Bau einer CO2-Pipeline

23.03.2022 - Um die europäischen Klimaziele zu erfüllen, muss die deutsche Industrie ihren CO2-Ausstoß deutlich reduzieren.

Doch die Emissionen, die häufig in Produktionsprozessen entstehen, lassen sich nicht so einfach minimieren. Mehrere ostdeutsche Unternehmen planen daher eine Pipeline vom mitteldeutschen Chemiedreieck an die Nordsee. Dort soll das klimaschädliche Gas in unterirdische Endlager eingebracht werden. „Unser Ziel ist es, in der Produktion anfallendes CO2 im Verbund wieder als Rohstoff zu nutzen und falls das nicht möglich ist, langfristig und sicher unter dem Meeresboden, in sogenannten Off-Shore Speicherstätten, zu lagern“, sagt Thomas Behrends, Geschäftsführer der TotalEnergies-Raffinerie in Leuna (Sachsen-Anhalt).

Das Projekt, an dem neben der Raffinerie u.a. auch der Düngemittelhersteller SKW aus Wittenberg und das Erdgasunternehmen VNG aus Leipzig beteiligt sind, trägt den Namen „Cap-Trans- CO2 “ und wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Es befindet sich noch in einer frühen Phase. In einem ersten Schritt wird laut Behrends bis 2023 eine Machbarkeitsstudie erarbeitet, die u.a. mögliche Transportwege untersuchen soll. Laut dem Raffinerie-Chef soll geprüft werden, ob bereits existierende und nicht mehr benötigte Pipelines genutzt werden könnten, um in ihnen CO2 zu transportieren. Die Niederlande und Norwegen haben bereits Projekte gestartet, um in ausgebeuteten Erdöl- und Erdgasfeldern in der Nordsee künftig CO2 zu speichern.

Solche unterirdischen CO2-Verpressungen werden laut Michael Kühn vom Deutschen Geo-Forschungs-Zentrum (GFZ) in Potsdam (Brandenburg) bereits seit Jahrzehnten vorgenommen. „Seit 1996 wird CO2, das bei der Erdgasförderung auf der norwegischen Bohrinsel Sleipner anfällt, wieder unter dem Meeresboden gelagert“, sagt Kühn. Aktuell entwickeln die Norweger mit Milliardenhilfe des Staates das Projekt „Northern Lights“. Zusammen mit den Energiekonzernen Shell und TotalEnergies soll eine Art Endlager für CO2 entstehen – auch für ausländische Unternehmen. In riesigen Mengen soll das Treibhausgas an den Schloten auf dem Festland abgefangen, mit Tankschiffen abtransportiert und ins Gestein mehr als 2.000 m unter der Nordsee gepresst werden, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt (Carbon Capture and Storage – kurz CCS).

Auch in Deutschland wurde vor einigen Jahren intensiv an der CCS-Technik gearbeitet. Das Energie­unternehmen Vattenfall hatte eine CCS-Anlage am brandenburgischen Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe installiert. Die großtechnische Einlagerung scheiterte jedoch an Protesten von Umweltschutzgruppen und fehlendem Rückhalt aus der Politik. Die mitteldeutsche Industrie konzentriert sich daher auf eine mögliche Lagerung unter der Nordsee.

„Das ist ein immens teures und komplexes Projekt. Wir denken aber, dass es unter bestimmten Voraussetzungen, wie mit Hilfe von staatlicher Unterstützung, machbar wäre“, sagt Behrends. In der in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie solle vor allem nach bestehenden Pipelines in Deutschland geschaut werden, die für den CO2-Transport genutzt werden könnten. „Ein kompletter Neubau wäre aus heutiger Sicht wohl zu teuer“, so Behrends. Zu möglichen Kosten äußert er sich nicht. Ob eine CO2-Lagerung wirtschaftlich machbar ist, dürfte nicht zuletzt an der Preisentwicklung für die CO2-Zertifikate liegen.

Bei den Cap-Trans-CO2-Projektpartnern gibt es großes Interesse an einem CO2-Endlager In der Produktion beim Opterra-Zementwerk in Karsdorf, beim Chemieunternehmen Dow in Schkopau oder bei Linde in Leuna fallen jährlich mehrere hunderttausend Tonnen CO2 an. Denkbar ist bspw., dass CO2 aus dem mitteldeutschen Chemiedreieck über Pipelines in das Ruhrgebiet mit viel energieintensiver Stahl- und Chemieindustrie geleitet wird und mit dem dort anfallenden CO2 weiter zum niederländischen Hafen Rotterdam transportiert wird, um es weiter auf Schiffe zu bringen, die nach Norwegen fahren. Kühn hält solche Projekte für finanziell machbar. „Vor zehn Jahren wurde bei dem Vattenfall-Projekt in Deutschland geschätzt, dass eine CO2-Abscheidung und Lagerung bei der Energieerzeugung die Stromkosten um 30 % erhöhen würde“, sagt er. Inzwischen habe sich die Technologie weiterentwickelt. Im großtechnischen Einsatz würden die Kosten zudem deutlich sinken.

Autor: Steffen Höhne, Wirtschafts­journalist, Markkleeberg

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