Anlagenbau & Prozesstechnik

Messgeräte nicht von der Stange

Endress + Hauser liefert magnetisch-induktiven Durchflussmesser aus Titan

21.03.2014 -

Fest, leicht, beständig: Titan hat sich in der Raumfahrt ebenso bewährt wie in der Medizintechnik. Durchflussmessgeräte aus Titan sind dennoch eine Besonderheit, denn der Werkstoff ist nicht leicht zu verarbeiten.

Die Geschichte beginnt hoch im Norden vor der schottischen Küste. Dort liegt westlich der Shetland-Inseln das ergiebige Clair-Feld, das seit 2005 in Betrieb ist. Eine zweite Ausbaustufe, Projektname Clair Ridge, soll ab 2016 täglich bis zu 120.000 Barrel Öl und Gas liefern. Dazu wird erstmals auf hoher See entsalztes Meerwasser in den Untergrund gepresst: Das soll die Ausbeute um bis zu 10% steigern.

Die Anlage zur Meerwasser-Entsalzung stammt aus dem norddeutschen Husum. Wasseraufbereitung ist eines der Spezialgebiete der TIG Group, die dafür Lösungen aus einer Hand bietet, von der Planung bis zur Inbetriebnahme. Obwohl die eigentliche Technologie schon vielfach eingesetzt wurde, gab es gab es für das Projekt Clair Ridge eine besondere Herausforderung: Eine solche Anlage für den Offshore-Einsatz zu bauen.

Zwölf Anlagenteile, sogenannte Skids, lieferte TIG für das Clair-Ridge-Projekt: Acht Einheiten zur Ultrafiltration des Meerwassers, um Schwebstoffe zu entfernen, drei Entsalzungsanlagen, die auf der Umkehrosmose basieren, sowie ein System zur chemischen Reinigung der Membranen.

Mit der Skid-Bauweise waren die TIG-Ingenieure aus der Reinstwasseraufbereitung vertraut, aber das neue Projekt sprengte alle bisherigen Grenzen. Die größten Elemente sind drei Stockwerke hoch und 55 Tonnen schwer. TIG musste eigens eine mobile Halle errichten, um mehrere Einheiten zugleich zu fertigen. Trotz der gewaltigen Abmessungen war der Platz für die Systeme äußerst beschränkt.

Hart im Nehmen

Die größte Herausforderung aber stellte die Ausführung in Titan dar: Rohrleitungen, Flansche, Verbindungen - überall wurde das höchst korrosions- und oxidationsbeständige, mechanisch wie thermisch belastbare Leichtmetall verwendet. Schließlich soll die Anlage 40 Jahre lang in Betrieb sein, Wind und Wetter auf hoher See weitgehend schutzlos ausgesetzt. Für die Ingenieure bei TIG war deshalb klar: Die Durchflussmessgeräte müssen ebenfalls aus Titan gefertigt sein.

Endress + Hauser ließ sich auf dieses Abenteuer ein. „Es waren die ersten magnetisch-induktiven Durchflussmessgeräte in dieser Druckstufe und in so großen Nennweiten, die wir aus Titan hergestellt haben", berichtet Dirk Misselwitz. Im Rückblick sagt der in Hamburg stationierte Endress + Hauser Vertriebsingenieur: „Wenn wir gewusst hätten, was da auf uns zukommt... Wir haben viel Lehrgeld bezahlt - aber auch viel gelernt bei diesem Auftrag."

Die Herstellung von hochreinem Titan ist schwierig und teuer, schon die Beschaffung deshalb alles andere als einfach. Doch auch die Verarbeitung gestaltete sich aufwendig und langwierig. Bis zu einem Tag dauert es, einen Flansch an einem Rohr zu befestigen. Denn das Schweißen von Titan ist eine diffizile Angelegenheit. Es muss unter Schutzatmosphäre erfolgen, um Reaktionen des Metalls mit der Umgebungsluft zu verhindern. Und schon kleinste Schmutzpartikel können eine ganze Naht zerstören.

25 Geräte des Typs Promag lieferte Endress + Hauser insgesamt, 15 davon in Hochdruck-Ausführung, belastbar bis 80 Bar. Flansche, Messrohre und Gehäuse sind aus Titan; lediglich die Messumformer sind in Edelstahl ausgeführt, quasi von der Stange.

Weltumspannende Zusammenarbeit

Inzwischen wurden die Skids längst vom norddeutschen Husum nach Korea verschifft. Dort laufen die Plattformen vom Stapel, die dann 2015, ausgerüstet mit allen Anlagen, um den halben Erdball an ihren Einsatzort in der Nordsee geschleppt werden - definitiv ein globales Projekt.

Während die Anlagen aus Husum ihre größte Bewährungsprobe noch vor sich haben, verhandelt TIG bereits über Folgeaufträge. Die Technologie soll helfen, auch andere Offshore-Lagerstätten besser auszubeuten. Experten sprechen vom größten Fortschritt auf dem Gebiet der Ölförderung überhaupt. Wenn das Verfahren zum Standard wird, erhöhen sich die weltweiten Erdöl-Vorräte mit einem Schlag um Milliarden Barrel.