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Photovoltaik: Interviews mit Wacker, Solvay und Merck

Chemische Industrie liefert innovative Produkte und hofft auf verbesserte Marktbedingungen

04.12.2012 -

Der Rückblick auf die EU PVSEC (siehe Beitrag: "Photovoltaik hat Zukunft") zeigt, dass der Photovoltaik-Markt zwar mit Problemen ganz unterschiedlicher Art zu kämpfen hat, aber trotzdem als zukunftsträchtig eingestuft wird. Viele Unternehmen investieren in diesen Markt und liefern unterschiedliche Produkte für die gesamte Wertschöpfungskette.

CHEManager wollte von Ausstellern auf der EU PVSEC wissen, welche Rolle ihre Unternehmen auf dem PV-Markt spielen und welche Herausforderungen sie derzeit zu bewältigen haben.

An dem Interview beteiligt haben sich Dr. Johannes Eicher, Forschungsleiter und Geschäftsführer (Solvay Fluor), Hans-Jürgen Lemp, Leiter Structuring Solutions (Merck KGaA) und Ewald Schindlbeck, Präsident und Leiter des Geschäftsbereichs Wacker Polysilicon, (Wacker Chemie).


CHEManager: Herr Eicher, welche Anforderungen Ihrer Photovoltaikkunden bedienen Sie mit Ihren Produkten?

Johannes Eicher: Wir liefern Prozesschemikalien wie hochreine Flusssäure und fluorierte Gase. Dabei ist vor allem für große Hersteller unsere neue, dezentrale (mobile) Fluorgasproduktion besonders interessant. In dem Gemeinschaftsunternehmen Fidelio mit Air Liquide bieten wir Kunden an, direkt auf ihrem Werksgelände das verlässliche und klimaneutrale Ätzkammer-Reinigungsgas Fluor zu erzeugen.

Wie verhalten sich die Innovationszyklen im Photovoltaikmarkt im Vergleich zu anderen Abnehmerbranchen Ihrer Produkte?

Johannes Eicher: Die siliziumbasierte Photovoltaik ist hinsichtlich der Herstellungskosten weitgehend ausgereizt. Der diesbezüglich nächste große Innovationssprung können organische Solarzellen sein. Dazu haben wir entsprechende Forschungsprojekte. Ziel ist eine organische Photovoltaik, die die gleiche Stromleistung erbringt wie siliziumbasierte Photovoltaik, die aber in der Herstellung deutlich günstiger ist.

Welche Faktoren nehmen den größten Einfluss auf Ihr Photovoltaik-Geschäft? Worin sehen Sie die größten Herausforderungen?

Johannes Eicher: Photovoltaik-Hersteller leiden weltweit unter Überkapazitäten und durchleben daher eine wirtschaftlich schwierige Zeit. Der daraus resultierende Preisdruck, der auch an uns Zulieferer weitergereicht wird, ist enorm. Weltweit wird Solarstrom im Mix mit anderen alternativen Energiegewinnungsformen nur dann einen wirklichen Durchbruch erzielen, wenn er auch gesellschaftlich gewollt ist.


Welche Bedeutung wird die Photovoltaikindustrie künftig für Ihr Unternehmen haben?

Johannes Eicher: Die Photovoltaik-Industrie wird weiterhin eine große Bedeutung für unser Unternehmen haben. Wir rechnen damit, dass die Branche nach der Konsolidierungsphase wieder erstarkt und z. B. unsere lokalen Fluorgas-Einheiten deutlich nachgefragt werden. Vorausgesetzt, dass die organische Photovoltaik konkurrenzfähig wird, erwarten wir auch hier interessante Geschäftsfelder.


CHEManager: Herr Lemp, welche Anforderungen Ihrer Photovoltaikkunden bedienen Sie mit Ihren Produkten?

Hans-Jürgen Lemp: Die neuen Zelldesigns im kristallinen Solarbereich erfordern ein Mehr an Strukturierung, um höhere Wirkungsgrade der Zellen zu erreichen. Die Chemie der Produkte Isishape, SolarEtch und SmartEtch liefert die passenden Konzepte - wirtschaftlich und umweltfreundlich.
Daneben bietet Merck weitere Produkte für verschiedenste Solarzellentypen an: Lisicon: druckbare organische Halbleiter für hocheffiziente organische Solarzellen, Livilux: effiziente Ladungstransportmaterialien für organische Solarzellen, Livion: vielseitige Elektrolytsysteme für Farbstoff sensibilisierte Solarzellen sowie Solarpur: Antireflexbeschichtungen für Solarmodule.

Wie verhalten sich die Innovationszyklen im Photovoltaikmarkt im Vergleich zu anderen Abnehmerbranchen Ihrer Produkte?

Hans-Jürgen Lemp: Die Zelleffizienz steuert die Wirtschaftlichkeit der Solarzellenproduktion. Hier gibt es viele neue Ansätze, deren erfolgreiche Umsetzung es in der Massenproduktion zu beweisen gilt. In einer Phase der Überkapazitäten ist die Bereitschaft zur Investition in eine neue Technologie geringer. Deshalb sind die Entscheidungszeiträume länger als in anderen Bereichen.

Welche Faktoren nehmen den größten Einfluss auf Ihr Photovoltaikgeschäft?

Hans-Jürgen Lemp: Die Solarindustrie ist auf dem Weg, sich aus der Abhängigkeit von staatlichen Subventionen heraus zu bewegen - auch durch verbesserte Solarmodulpreise. Derzeit haben jedoch staatliche Entscheidungen noch großen Einfluss auf den globalen Absatzmarkt.

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen?

Hans-Jürgen Lemp: Die größte Herausforderung ist es, die Wichtigkeit, die Vorteile und die Chancen der Photovoltaik für unsere langfristige Energieversorgung hervorzuheben. Es gilt einen Konsens zwischen Regierung, Produzenten und Verbraucher zu finden, der Solarstrom für alle „bezahlbar" und sinnvoll macht.

Welche Bedeutung wird die Photovoltaikindustrie künftig für Ihr Unternehmen haben?

Hans-Jürgen Lemp: Die Merck KGaA hat eine lange Geschichte im Bereich der Spezialchemie und will mit ihrem Know-how und den innovativen Produkten einen umweltfreundlichen Beitrag im Bereich der erneuerbaren Energien leisten.

CHEManager: Herr Schindlbeck, welche Anforderungen Ihrer Photovoltaikkunden bedienen Sie mit Ihren Produkten?

Ewald Schindlbeck: Das kommt ganz auf den Kunden und die Anwendung an. In jedem Solarpanel stecken jede Menge Wacker-Produkte. Das beginnt schon bei der Zelle, die meist aus Polysilicium besteht, und reicht über die Einkapselungsfolie und der Rahmenverklebung bis zur Anschlussdose, die mit Siliconen vergossen und montiert wurde. Auch in sog. Konzentratormodulen werden unsere Silicone verbaut. Ganz allgemein kann man sagen, dass wir nur qualitativ hochwertige Materialien und Rohstoffe liefern. Qualität ist der Schlüssel, sowohl für Kosteneffizienz und optimale Reproduzierbarkeit als auch für hohe Modulleistungen und eine lange Lebensdauer des Systems. Das gilt für unser hochreines Polysilicium genauso wie etwa für unsere Tectosil-Folien für die Einkapselung von Solarmodulen. Hier ist beispielsweise entscheidend, dass das Material keine negativen Auswirkungen auf die Zelle hat. Da Tectosil chemisch inert ist, kann das mit unserem Material nicht passieren. Außerdem lässt sich Tectosil auch auf bestehenden Laminierstraßen verarbeiten. Kunden müssen also bei der Umstellung auf unser Material nicht in neue Maschinen investieren.

Wie verhalten sich die Innovationszyklen im Photovoltaikmarkt im Vergleich zu anderen Abnehmerbranchen Ihrer Produkte?

Ewald Schindlbeck: Die PV-Industrie arbeitet laufend an der Verbesserung seiner Prozesse und Produkte, um die Leistung und die Lebensdauer der Zellen zu erhöhen und Kosten zu senken. Unser Ziel ist es, die klimafreundliche Solarenergie als eine wettbewerbsfähige Alternative zur konventionellen Stromerzeugung zu etablieren. Das wird nur funktionieren, wenn Solarstrom mit elektrischem Strom aus fossiler Erzeugung und anderen erneuerbaren Energiequellen wie beispielsweise Windenergie konkurrieren kann. Mit kristallinen Solarzellen ist das in sonnenreichen Regionen wie Spanien oder Kalifornien schon heute der Fall. Und je effizienter und günstiger PV-Anlagen werden, desto attraktiver wird eine solche Investition. Unsere Berechnungen zeigen, dass in Deutschland die Stromgestehungskosten von Solaranlagen, die auf hochreinem Polysilicium basieren, in spätestens zwei Jahren mit Wind- und Gaskraftwerken vergleichbar sein werden - und das ohne Subventionen. Ohne ständige Innovationen und technologische Verbesserungen wäre das gar nicht möglich.


Welche Faktoren nehmen den größten Einfluss auf Ihr Photovoltaik-Geschäft? Worin sehen Sie die größten Herausforderungen?

Ewald Schindlbeck: Der Polysiliciummarkt ist von jeher international. Wir beliefern Kunden in der ganzen Welt. Deshalb sind globale Entwicklungen für uns ebenso wichtig wie nationale Trends. Derzeit ist die Situation weltweit geprägt von mehreren Unsicherheitsfaktoren. Anhaltende politische Diskussionen, nicht nur in Deutschland, über den sinnvollsten Weg hin zu erneuerbaren Energien und laufende Verfahren in USA, China und der EU zur möglichen Verhängung von Einfuhrzöllen auf Photovoltaik-Produkte sind nicht unbedingt stimulierend für die Stimmung in der Branche. In den letzten Jahren entstandene Überkapazitäten in der gesamten solaren Wertschöpfungskette und ein daraus resultierender starker Preisverfall machen vielen Herstellern das Leben zusätzlich schwer. Auch wir merken das.

Aber wer wettbewerbsfähig ist und seine Kosten im Griff hat, kann an dem unaufhaltsamen Wachstum der Photovoltaik auch zukünftig erfolgreich partizipieren. Das gilt auch für Wacker. Als einer der weltweit größten Polysiliciumhersteller sind wir, was Prozesstechnologie, Produktqualität, Liefertreue und Kosten angeht, weltweit führend und damit gut aufgestellt. Im Übrigen halte ich die bereits erwähnten Anti-Dumping-Diskussionen zwischen USA, China und der EU für die weitere Entwicklung des Photovoltaikmarktes für wesentlich gefährlicher als die aktuelle Finanzierungsmisere der Solarindustrie. Wir bei Wacker sind grundsätzlich gegen jede Art von Handelssanktionen. Mögliche Probleme in den Handelsbeziehungen der genannten Staaten sollten und können nur auf politischer Ebene gelöst werden. Mit einem Handelskrieg ist auf Dauer niemandem gedient, weder der Solarindustrie noch dem Verbraucher.


Welche Bedeutung wird die Photovoltaikindustrie künftig für Ihr Unternehmen haben?

Ewald Schindlbeck: Mit der Produktion und dem Verkauf von Polysilicium erzielen wir heute über 1 Mrd. € Umsatz, das ist rund ein Fünftel unseres Konzernumsatzes. Dabei gehen mehr als 80 % unseres Polysiliciums an die Solarindustrie, unsere Silicone und thermoplastischen Folien sind da noch gar nicht eingerechnet. Daran sieht man bereits, wie wichtig die Photovoltaik für uns ist. Die Zahl zeigt aber auch, dass wir auch andere Märkte bedienen. Wacker war schon immer in vielen Industrien zu Hause, angefangen von der Chemie und Halbleiterindustrie bis zur Bau- und Automobilindustrie. Außerdem sind wir eines der forschungsintensivsten Unternehmen in der Branche. Wir investieren jedes Jahr fast 4 % unseres Umsatzes in F&E. Auf diese Weise sind wir in der Lage, uns laufend neue Märkte zu erschließen und immer wieder innovative Produkte und Technologien für die Industrien von morgen zu entwickeln. 

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