Anlagenbau & Prozesstechnik

Prozesssicherheit

Druckentlastung? Aber bitte sinnvoll!

30.05.2018 -

Der Artikel soll einige Tipps und Impulse an die Hand geben, wie sich Anwender beim Thema Druckentlastung das (Berufs-)Leben etwas einfacher machen können.

An Suchergebnissen auf Google mangelt es nicht, sucht man nach „Druckentlastung“. Auch die Suchbegriffe „Sicherheitsventil“ und „Berstscheibe“ liefern reichlich Treffer. Beide Konzepte haben ihre Daseinsberechtigung und blicken auf eine beachtliche Historie und Entwicklung zurück. Das ist für Betreiber nur leider irrelevant.
Richtig, Druckentlastungssysteme können eine Anlage nicht beschleunigen. Aber sie können Output und Anlagenverfügbarkeit sowie Instandhaltungskosten beeinflussen. Deshalb ist es wichtig, sich keine Standard-Lösung „andrehen“ zu lassen. Jeder Prozess und jede Anlage ist anders. Wenn die Anlage bestmöglich laufen soll, braucht es eine intensive Betrachtung, um die richtige Druckentlastung zu finden.
Vorsicht deshalb bei Anbietern, die auf Basis weniger Informationen eine „optimale“ Lösung präsentieren. „Optimal“ könnte hierbei eher auf den Anbieter, als auf den Anwender bezogen sein, wenn er seine Standard-Lösung präsentiert.
Weit verbreitet ist beispielsweise das Hervorheben engster Bersttoleranzen oder die Einsatzmöglichkeit innerhalb verschiedenster Anwendungen bei Druckentlastungsherstellern.
„Das ist die richtige Berstscheibe/das richtige Ventil für fast alle Prozesse“ ist eine Aussage, die aus Herstellersicht zwar ganz toll, für Betreiber aber egal ist. Die Frage ist doch, ist es die richtige Lösung für die spezifische Anwendung?

Prozess in den Fokus: Dichtigkeit, Temperatur, Korrosion und Co.
Wenn die Prozessmedien unkritisch sind und Dichtigkeit kein Thema ist, kann eine kostengünstige, einlagige Berstscheibe mit eher geringer Dichtigkeit ausreichen. Alternativ einsetzbar wäre ein Sicherheitsventil, denn Sicherheitsventile können konstruktionsbedingt nie dauerhaft hohe Dichtigkeiten aufweisen, verschließen den Prozess aber nach einer Entlastung fürs Erste wieder.
Neben der Dichtigkeit sind die notwendige Entlastungsfläche sowie Temperatur- und Korrosionsbeständigkeit weitere Merkmale, die man prozessbezogen betrachten sollte, um ein Overengineering zu verhindern. Bevor ein Sicherheitsventil in exorbitanter Größe installiert wird, sollte geprüft werden, ob nicht die Installation einer Berstscheibe parallel zum Sicherheitsventil eine monetär sinnvollere Lösung ist. Manchmal hilft es auch, die angewandte Methode zur Ermittlung der notwendigen Nennweite zu erfragen und bei einem unabhängigen Dritten eine Vergleichsberechnung anstellen zu lassen.
Spielt der Prozess hinsichtlich Temperaturen eher in der Liga der Extreme, können ummantelte Sicherheitsventile und Sicherheitsventile aus Sonderwerkstoffen eine Verlängerung des Montagestutzen oder eine Berstscheibe vor dem Sicherheitsventil mögliche Lösungen sein.
Ernsthafte Druckentlastungs- Anbieter werden mindestens die folgenden Parameter abfragen:

  • Prozessmedium
  • Übliche Betriebsbedingungen, Arbeitsdruck und Temperatur
  • Druckzyklen
  • Ansprechdruck und zugehörige Temperatur
  • Auslegungsszenario, abzuführender ­Massenstrom und ggf. Nennweite
  • Flanschspezifikationen und Einbausituation

Qualitätsanbieter kommen in die Anlage und machen die Bestandsaufnahme zusammen mit dem Anwender. Das ist gut investierte Zeit.

Auswahl erledigt – Installation, Wartung und damit verbundene Herausforderungen
Die besten Winterreifen und die teuersten Zubehör- oder Ersatzteile für ein Auto sind wertlos, wenn sie nicht vernünftig verbaut werden. Schlimmstenfalls stellen sie sogar ein Sicherheitsrisiko dar. Identisch verhält es sich mit Druckentlastungseinrichtungen. Das optimale Sicherheitsventil, die perfekt für die Anwendung ausgelegte Berstscheibe: sind die Systeme falsch oder fehlerhaft montiert, sprechen sie entweder zu früh an, was in unnötigem Produktverlust und Anlagenstillstand resultiert. Noch schlimmer kommt es, wenn die Einrichtungen nicht oder zu spät ansprechen, denn dann wird die Anlage beschädigt und sie steht dauerhaft still.
Deshalb sollte nur geschultes Personal die Inbetriebnahme und Wartung übernehmen. Dafür gibt es sowohl unabhängige Servicegesellschaften als auch von Herstellern zertifizierte Unternehmen, die beim Produktlieferanten selbst regelmäßig geschult werden und so die von ihnen betreuten Systeme bestens kennen. Da sogar ausgewählte Berstscheiben nach einer Inspektion wiederverwendet werden können, sofern keine Druckentlastung stattgefunden hat, lohnt sich die Inspektion bei selbigen ebenso wie bei Sicherheitsventilen. Vorausgesetzt, die Verantwortlichen sind entsprechend geschult.

Praxistipp – Kombination Berstscheibe und Sicherheitsventil
Immer mehr Betreiber sind auf den Geschmack gekommen – die beiden Systeme Berstscheibe und Sicherheitsventil werden entweder hintereinander oder parallel zueinander installiert.
Ersteres (Berstscheibe mit nachgeschaltetem Sicherheitsventil) empfiehlt sich bei Prozessen, die höchste Dichtigkeiten fordern (zero Emissions) oder besonders klebrige, aggressive oder abrassive Medien beinhalten.
Die Berstscheibe wird vor das Sicherheitsventil geschaltet. Das Sicherheitsventil kommt dann nur noch bei einer Druckentlastung mit dem Medium in Kontakt, im Normalbetrieb verhindert die Berstscheibe, dass das Medium durch Korrosion, Verklebungen oder andere Schäden am Sicherheitsventil hervorruft, die die Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnten.
Die Bertscheibe, sofern gefertigt aus dem richtigen Material, mit dem richtigen Fertigungsverfahren und mit absolut glatter Oberfläche zum Prozess hin, stellt eine hohe Dichtigkeit im Normalbetrieb sicher.
Muss das Sicherheitsventil überprüft werden, kann das durch In-situ Tests erfolgen. Statt das Sicherheitsventil auszubauen, wird der Raum zwischen Sicherheitsventil und Berstscheibe mit Druck beaufschlagt und so geprüft, ob das Sicherheitsventil beim definierten Druck öffnet. Die für solche Einsätze entwickelten Berstscheiben weißen eine hohe Rückdruckbelastbarkeit auf, sodass der In-situ Test keinen Einfluss auf das Öffnungsverhalten der Berstscheibe hat.
Auch aus Kostensicht ist die Kombination Berstscheibe und Sicherheitsventil attraktiv. Ein herkömmliches Sicherheitsventil in Nennweite DN 40, gefertigt aus Standard-Materialien, liegt bei ca. 1.500–2.000 €. Das gleiche Ventil, korrosionsbeständig ausgekleidet, kostet ein Vielfaches, während eine hochwertige Berstscheibe aus korrosionsbeständigen Materialien wie Hastelloy preislich ca. auf Höhe des Ventils in Standard-Ausführung liegt. Die Kombination ist somit bedeutend günstiger.
Bei Anwendungen mit extremen Reaktionen werden Berstscheibe und Sicherheitsventil auch nebeneinander angebracht. Man spricht dann von primärer (Sicherheitsventil) und sekundärer (Berstscheibe) Druckentlastungseinrichtung. Bei einem schwerwiegendem Störfall, wenn die Abführung des Mediums über das Sicherheitsventil nicht ausreichend schnell geht, öffnet die Berstscheibe und sorgt für eine zusätzliche bzw. schnellere Entlastung.

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