Anlagenbau & Prozesstechnik

Safety Training in Deutschland

Auf der Suche nach Top-Ausbildungsmöglichkeiten für die Prozess- und Anlagensicherheit

21.09.2017 -

Das Center of Safety Excellence, Pfinztal, hat zusammen mit der Industrie ein Aus- und Weiterbildungskonzept zum Kompetenzerhalt für Sicherheitsingenieure entwickelt.

Sicherheitsingenieure kommen als Studenten aus unterschiedlichen Fachrichtungen in die Chemie und Petrochemie, doch sind diese auch für den Arbeitsalltag in der Sicherheits­technik gewappnet? Sicherheitstechnik wird nur an wenigen Hochschulen und Universitäten gelehrt. Meistens reicht die Ausbildung in der Sicherheitstechnik nicht aus für die Praxis. Die Industrie beginnt oft bei null mit einem Training on the Job. Das ist aufwändig und teuer. Unternehmen müssen viel Zeit in die Weiterbildung ihrer neuen Mitarbeiter investieren. Die üblichen Weiterbildungskurse helfen dem Anwender meist nicht weiter. Viele Vorträge und – wenn überhaupt – kleine Praxisanwendungen und Übungen sind die Regel. Das Center of Safety Excellence hat jetzt die Initiative ergriffen und mit der Industrie ein neues Aus- und Weiterbildungskonzept für Sicherheitsingenieure entwickelt. Damit soll ein wichtiger Schritt in Richtung Kompetenzerhalt der Sicherheitsingenieure gegangen werden.

Problem: Nachwuchs
Die Notwendigkeit, Forschung und Entwicklung in der Prozess- und Anlagensicherheit (PPS – Process and Plant Safety) voranzutreiben, besteht nicht erst seit gestern. Seit dem Jahr 1995 wurde das Budget für Forschung im Bereich Sicherheitstechnik in Deutschland ex­trem reduziert. Mehr als 20 Institutionen haben sich anderen Themenfeldern gewidmet oder sind ganz aufgelöst worden. Es gibt kaum noch Studenten, die in diesem Bereich ausgebildet werden. Oberflächlich betrachtet ist das momentan nicht wirklich ein Problem. PPS hat sich zu einer weltweiten Erfolgsgeschichte entwickelt, denn die Anzahl und Schwere an Störfällen hat sich in den letzten Jahren erheblich verringert. Durch den nationalen und internationalen Wissensaustausch wurde die industrielle Sicherheitskompetenz stetig erhöht. Doch wie soll diese Kompetenz gehalten werden, wenn kaum Nachwuchs ausgebildet wird.

Key-Kompetenzen ausgelagert
Die PPS wird in der deutschen Industrie zunehmend an Ingenieurbüros ausgelagert. In den großen Firmen werden die PPS-Abteilungen dagegen immer mehr zu reinen Serviceeinheiten verkleinert. Nachwuchsprobleme und mehr Aufgaben erhöhen den Druck. Forschung und Entwicklung in der Sicherheitstechnik wird für die einen zur finanziellen Herausforderung und andere haben zu wenig Zeit, sich diesen Themen zu widmen. Während Prozesse und Anlagen immer weiter entwickelt werden, stagniert die Entwicklung in der Sicherheitstechnik.
Die ständige Weiterentwicklung ist jedoch dringend notwendig. Konzepte und Methoden müssen kontinuierlich überarbeitet und an neue Techniken adaptiert werden.

An die nächste Generation denken
Ist es fair der nachfolgenden Generation gegenüber, wenn das Wissen zum Thema Sicherheitstechnik in der Universität nicht mehr vermittelt wird? Nein! Dieser Mangel wird zurzeit selbstständig von der Industrie korrigiert. Neue Mitarbeiter werden aufwendig im Job ausgebildet. Diese Ausbildung ist nicht nur zeit­intensiv sondern auch teuer. Die Verrentung der aktuellen Experten hinterlässt Lücken, die durch junge Akademiker geschlossen werden müssen. Es ist höchste Zeit für Veränderungen.
Auf die zukünftigen Sicherheitsingenieure kommen im Bereich PPS große Herausforderungen zu. Zukunftsthemen wie Economic Safety und Green Safety werden die heutigen Schutzkonzepte maßgeblich verändern.
Economic Safety umfasst innovative Sicherheitsmaßnahmen, die die Sicherheit von Anlagen erhöhen und gleichzeitig für einen wirtschaftlicheren Betrieb der Anlage sorgen. Sicherheitseinrichtungen werden an die Prozesse adaptiert und verändern dynamisch die Sicherheitsgrenzen von technischen Anlagen. Produktqualitäten lassen sich verbessern oder die produzierte Menge wird erhöht. Die Sicherheitseinrichtung begrenzt dann nicht mehr die Produktion, sondern kann sogar zu einer Steigerung der Produktivität führen.

Green Safety
Und wie steht es um die Gefahrstoffemissionen in Zukunft? „Zero Emission“ ist das Ziel der Herausforderungen, die mit Green Safety zusammengefasst werden. Selbst im nicht-bestimmungsgemäßen Betrieb dürfen keine Emissionen verursacht werden – weder bei Leckagen, noch bei Störungen des Betriebs. Durch Smart Grids sollen z. B. mögliche Leckagen frühestmöglich erkannt bzw. vermieden werden, im besten Fall sogar bereits bevor sie auftreten. Dadurch lassen sich Emissionen vermeiden. Anlagen werden automatisch in den sicheren Zustand gefahren.
Die neuen Schlüsselthemen in der Sicherheitstechnik erforschen die wissenschaftlichen Mitarbeiter am CSE-Center of Safety Excellence. Seit der Gründung Ende 2015 haben sich etwa 50 Firmen, Universitäten und Einrichtungen angeschlossen. Lehre und Forschung in der Prozess- und Anlagensicherheit stehen im Focus. Dies ist ein Beitrag zur langfristigen Sicherung des Nachwuchses.
Die Lehre und Forschung in der Sicherheits­technik in Deutschland muss künftig erheblich ausgeweitet werden, um den kommenden Bedarf zu decken. Chemieingenieuren und Verfahrenstechnikern fehlt in der Regel der typische Safety Mindset.

Aus- und Weiterbildung
Die Industrie bildet die Sicherheitsingenieure „on the Job“ aus. Methoden und Modelle können dabei selten im Detail nachvollzogen werden – es gehen die Grundlagen für sicherheits­technische Bewertungen langsam verloren. Auch das „Gefühl“ für die Auslegungen bleibt auf der Strecke, denn experimentelle Basisversuche können nicht mehr durchgeführt werden. Es gibt fast keine Technika für sicherheitstechnische Untersuchungen mehr. Das Erleben von abblasenden Sicherheitsventilen und Berstscheiben im Technikum gehört deshalb auch nicht mehr zur Ausbildung. Woher soll die Erfahrung dann aber kommen?
Weiterbildungskurse sind gefragt. Insbesondere in der Sicherheitstechnik boomt der Markt für solche Kurse. Innerhalb von einem oder zwei Tagen mit einer Serie von hochkarätigen Vorträgen sollen die Sicherheitsingenieure auf den Stand der Sicherheitstechnik gehoben werden. Trichterförmig lässt sich aber kein Know-How vermitteln. Das Konzept muss verbessert werden.
Der Industriebeirat des CSE Center of Safety Excellence (18 Vertreter von großen und mittelständischen Firmen) hat deshalb auf seiner Sitzung im Januar die Empfehlung ausgesprochen, ein neues Konzept für die Ausbildung von Sicherheitsingenieuren begleitend zur Ausbildung im Betrieb zu entwickeln. Die Forderung: Sicherheitstechnik muss industrie­orientiert und anwendbar gelehrt werden. Wesentliche Inhalte sind durch die Dechema Initiative „Safety Engineering“ sowie das Lehrprofil „Prozess- und Anlagensicherheit“ definiert. Danach soll die Aus- und Weiterbildung in der PPS mindestens einen Umfang von 20 h/Jahr haben.
In den vergangenen Jahren hat auch in der PPS die Simulation mittels Computational Fluid Dynamics (CFD) Einzug gehalten. Mit diesen Methoden kann eine detaillierte Strömungs­simulation erfolgen. Allerdings ist zur korrekten Simulation ein tiefes Verständnis von Modellen und Anwendungsgrenzen nötig. Das Verständnis und die Erfahrung kann lediglich durch ausreichendes Training und tiefgreifende Ausbildung erreicht werden.

Applied Safety Seminare
Die neuen Applied Safety Seminare bieten eine bisher nicht gekannte Tiefe im Bereich PPS, aufbauend auf einem didaktischen Konzept für die Wissensvermittlung. Nach dem Motto „Anwenden statt Zuhören“ werden industrie­typische Aufgabenstellungen gemeinsam gelöst. In dem Blended learning Ansatz sind neben klassischen Formen der Präsenz-Weiterbildung auch die neuen Medien einbezogen.
Die Sicherheitsingenieure können sich in 15 Modulen, angelehnt an die Vorgaben der Dechema, weiterbilden und ihr Wissen und Verständnis vertiefen. Die Module haben einen Umfang von jeweils 4 bis 5 Tagen. Jedes Modul umfasst drei Vertiefungslevel: im Basic-Level stehen die Grundlagen und im Advanced Level das Verständnis und die Vertiefung im Vordergrund. Hier werden unter Anleitung von Experten selbstständig kleine Industrieaufgaben bearbeitet. Mit dem abschließenden Expert-Level wird der Safety Mindset geschult. Komplexe Industrieaufgaben sind selbstständig zu lösen. Bei Herstellern und Betreibern werden Herstellungsprozesse und Verfahren live besichtigt, um die Kenntnisse abzurunden.
Neben der Aus- und Weiterbildung wird der Safety Mindset durch einen lebenslangen Lernprozess trainiert. Die Teilnahme an Veranstaltungen, Kongressen, Gesprächsplattformen und Weiterbildungsangeboten gehören dazu.
Mit der neuen Form der Aus- und Weiterbildung wird ein weiterer Schritt in Richtung des Kompetenzerhalts geleistet. Die Erfahrungen aus diesen Kursen können die Basis werden für universitäre Ausbildungen, um den Nachwuchs schon frühzeitig zu begeistern und zu schulen.

Themen der Schulungen

  1. Risikomanagement
  2. Beurteilung von Gefahrstoffen
  3. Beurteilung von exothermen chemischen Reaktionen
  4. Anlagensicherheitskonzept
  5. Absicherung von Druckbehältern
  6. Rückhalteeinrichtungen für Gefahrstoffe
  7. PLT-Sicherheitseinrichtungen
  8. Ausbreitungsrechnung und gefahrloses Ableiten in die Umgebung
  9. Brand- und Explosionsschutz
  10. Elektrostatik

Fazit
Wir müssen umdenken in der Ausbildung für die Sicherheitstechnik. Andernfalls lassen sich die Kompetenzen in diesem Bereich langfristig nicht halten. Kurzfristig müssen neue Konzepte und tiefere Ausbildungen in Begleitung der Industrie angeboten werden. Die Applied Safety Seminare sind dafür ein Anfang. Sie wurden von der Industrie empfohlen und werden ab Oktober 2017 angeboten. Mittelfristig muss die Forschung im Bereich Sicherheitstechnik viel stärker gefördert werden, um den künftigen Nachwuchs auszubilden. Industrie und die öffentliche Hand sollten eine Langzeitlösung dafür finden. Hierbei muss die Forschung sowohl von der Industrie als auch über öffentlich geförderte Programme initiiert, finanziert und begleitet werden. Doch das reicht noch nicht. Langfristig muss auch die Lehre an den Hochschulen und Universitäten gestärkt werden. Neue Studiengänge oder Vertiefungen sind gefragt. Dafür wird kompetentes Lehrpersonal benötigt.
Die Zeiten, in denen Sicherheitsingenieure über Ereignisse ihre Erfahrungen gesammelt haben sind lange vorbei. Experimentelle Erfahrungen sind künftig kaum noch möglich. Es ist Zeit, die Ausbildung mit neuen Lernformen und an die heutige Zeit angepasst zu ändern. Am besten beginnen wir heute damit.

Kontakt

CSE-Engineering Center of Safety Excellence GmbH

Joseph-von-Fraunhofer-Str. 9
76327 Pfinztal
Deutschland

+49 721 66994780

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