Strategie & Management

Schlüssel zum M&A-Erfolg

Bei Fusionen und Übernahmen spielt die Beschleunigung von Kostensynergien eine entscheidende Rolle

08.07.2019 -

In der chemischen Industrie wurden in den letzten fünf Jahren M&A-Transaktionen im Wert von über 530 Mrd. USD angekündigt oder abgeschlossen, einschließlich der Mega-­Fusion von Dow Chemical mit DuPont und der Übernahme von Monsanto durch Bayer. Dieser beispiellose Umfang an M&A-Aktivitäten und deren versprochene Synergien verstärken den Fokus der involvierten bzw. resultierenden Firmen auf die Integrationsprozesse und auf die Wirksamkeit und den Erfolg der Integration.

Damit die M&A-Integration erfolgreich verläuft, müssen Hunderte von Aktivitäten innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums – idealerweise innerhalb der zwei ersten Jahre nach dem Abschluss des Geschäfts – getätigt werden. Diese Aktivitäten lassen sich in drei unterschiedliche Kategorien einteilen:

  • Change Management und Kommunikation: Die M&A-Transaktion betrifft zweifellos die Mitarbeiter beider Unternehmen, und es ist von großer Bedeutung, die menschlichen Aspekte der Veränderung gut zu lenken. Die Kommunikation und das Engagement der Mitarbeiter bei der Integration sind äußerst wichtig. Neben den Mitarbeitern gibt es weitere Interessengruppen – Kunden, Lieferanten, lokale Gemeinschaften, Investoren und Aktionäre, deren Bedürfnisse ebenfalls berücksichtigt werden sollten.

“Die M&A-Integration muss die Unterschiede
zwischen den Arbeitsprozessen der
einzelnen Unternehmen ausgleichen.“

  • Integration der Arbeitsprozesse: Arbeitsprozesse sind definiert als die Art und Weise, wie eine Tätigkeit durchgeführt wird, und zwischen den einzelnen Unternehmen gibt es oft erhebliche Unterschiede. Hier einige Beispiele: Wie wird die Kapitalplanung durchgeführt; wie werden die jährlichen Betriebsbudgets festgelegt; welche technischen Standards werden verwendet und welche Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsstandards (Environment, Health & Safety, EH&S) müssen eingehalten werden? Auch die in einem Unternehmen vorhandene IT-Infrastruktur wird viele der Arbeitsprozesse definieren. Die M&A-Integration muss die Unterschiede zwischen den Arbeitsprozessen der einzelnen Unternehmen ausgleichen und darauf abzielen, nach dem Abschluss im gesamten neuen Unternehmen einen standardisierten Bestand von Arbeitsprozessen zu haben.
  • Identifikation und Erfassung von Synergien: Investoren und Aktionäre sind in erster Linie an der finanziellen Wertschöpfung interessiert, die durch die Zusammenführung zweier Unternehmen entsteht. Umsatz- oder Wachstumssynergien werden erst nach Abschluss der Integrationsbemühungen vollständig realisiert und erstrecken sich in der Regel über den zweijährigen Integrationszeitraum hinaus. Andererseits sollten Kostensynergien nahezu unmittelbar nach Abschluss der M&A-Transaktion realisiert werden; sie bilden die Schlüsselkennzahl, die Investoren und Aktionäre während des zweijährigen Zeitraums nach dem Abschluss beobachten.

In diesem Artikel werden die Art der Kostensynergien in der chemischen Industrie erörtert und eine Methodik für deren beschleunigte Realisierung beschrieben.

Kostensynergien

Kostensynergien werden zweifellos in beiden an einer Fusion oder Übernahme beteiligten Unternehmen und in fast allen ihren funktionalen und geografischen Bereichen zu finden sein. Typische Kostensynergieprojekte finden sich in den Bereichen Herstellungskosten (Cost of Goods Sold, COGS), Vertrieb, Verwaltung (Selling, General & Administrative, SG&A) sowie Forschung und Entwicklung (F&E).

  • Herstellungskosten: Viele Kostensynergien wirken sich positiv auf die Herstellungskosten aus. Im Einkauf können deutliche Einsparungen erzielt werden, da die fusionierten Unternehmen nach dem Abschluss nun einen größeren „Einkaufshebel“ haben. Der Einkauf von Rohstoffen, Verpackungsmaterialien und Prozessausrüstung kann von den größeren Mengenrabatten profitieren, die nach dem Abschluss verfügbar sind. Darüber können Lieferanten konsolidiert werden. Einsparungen in der Lieferkette lassen sich darüber hinaus durch eine effizientere Nutzung externer Läger, eine verbesserte Produktionsplanung und konsolidierte Versandarten erzielen.
    Wenn beide Unternehmen ähnliche Produktlinien haben, sind Verlagerungen und/oder Schließungen von Produktionsanlagen ein klarer Bereich für Kostensynergien. Darüber hinaus kann der Austausch von Best Practices in beiden Unternehmen oft die Rohstoffausbeute verbessern, den Energieverbrauch senken und/oder die Produktionsleistung steigern.
    Der Personalabbau durch die Konsolidierung von Engineering-Abteilungen und Führungspositionen in der Fertigung sind Bereiche für Kostensynergien, die es zu bewerten gilt.
  • Verwaltung: Der vielleicht größte Bereich für prozentuale Kostensynergien ist die Verwaltung. Bei dem zusammengeführten Unternehmen werden nach dem Abschluss duplizierte Funktionsbereiche wie IT, Personal, EH&S, Öffentlichkeitsarbeit, Recht oder Einkauf überflüssig. Innerhalb der geografischen Gebiete kann die Vertriebsorganisation optimiert und redundantes Ländermanagement vermieden werden.
    All diese Personaleinsparungen haben einen geringeren Bedarf an Büroflächen zur Folge, was zur Stilllegung einiger Verwaltungsgebäude führt. Es ist in jedem Fall zu berücksichtigen, dass bei allen Personalkürzungen auch Kostensynergien durch geringere Lohnkosten, Sozialleistungen, Büromaterial- und IT-Kosten der Mitarbeiter entstehen.
    Der Overhead des Unternehmens wird durch eine M&A-Transaktion immer geringer, da nicht zwei CEOs, zwei CFOs, zwei COOs usw. benötigt werden.
  • F&E: Innerhalb des Funktionsbereichs F&E sind Personalabbau und Werksschließungen oder Konsolidierungen die häufigsten Bereiche für Kostensynergien. Ein Personalabbau wird dort stattfinden, wo beide Unternehmen ähnliche F&E-Projekte in der Pipeline haben. Darüber hinaus ist eine M&A-Situation ein ausgezeichneter Zeitpunkt, um die gesamte F&E-Projektpipeline neu zu bewerten, und in vielen Fällen können „Liebhaber“-Projekte, die schon lange hätten eingestellt werden sollen, endlich beendet werden, um zusätzliche Kostensynergien zu erzielen. Redundante Einrichtungen in beiden Unternehmen, wie  z. B. Analyselabors, können geschlossen oder deren Nutzungsfläche verringert werden. Und schließlich liegt es auf der Hand, dass nicht zwei getrennte F&E-Organisationen benötigt und daher redundante Führungspositionen abgebaut werden können.

Schnelligkeit und Verantwortlichkeit (Accountability)

Die oben genannten Punkte sind allgemein bekannt, aber für den Erfolg einer Fusion ist deren schnelle Realisierung der kritische Faktor. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die M&A-Integration schnell und effizient erfolgt. Die von der Transaktion potenziell betroffenen Mitarbeiter werden „gelähmt“, bis sie ihren neuen persönlichen Beschäftigungsstatus kennen. „Werde ich noch einen Job haben? Wie hoch ist mein Gehalt? Muss ich umziehen? Wer ist mein neuer Chef? Wie werden meine Boni beeinflusst?“ Fragen wie diese müssen beantwortet werden: Best Practices zeigen, dass diese Fragen unabhängig vom Umfang der M&A-Transaktion innerhalb von 90 Tagen nach dem Abschluss beantwortet werden sollten.

Kostensynergien sind ein weiterer Bereich, in dem die Investorengemeinschaft und die Aktionäre schnell Ergebnisse sehen wollen. Jedes Kostensynergie-Projekt benötigt einen Projektleiter und einen Projektplan. Der Projektplan muss die wichtigsten Meilensteine, kontinuierliche Risikoverfolgungen und die Identifizierung von Abhängigkeiten zu anderen Projekten beinhalten. Die Projektleiter müssen für ihre jeweiligen Projekte verantwortlich gemacht werden.
Um die gesamte M&A-Integration zu managen, ist die Einrichtung eines Program Management Office (PMO) entscheidend. Das PMO wird den Gesamtzeitrahmen für die Integration festlegen, beginnend mit der Ankündigung der Fusion, über den Abschluss bis hin zum 2-Jahres-Zeitraum nach dem Abschluss. Das PMO berichtet regelmäßig an die Unternehmensleitung und ist dafür verantwortlich, die notwendigen Ressourcen für eine erfolgreiche Integration zu beschaffen.
Ein Kostensynergie-Tracking-­System muss eingerichtet werden, um die erwarteten Kostensynergien für jedes Projekt genau zu erfassen und dann die tatsächlich erzielten Kosteneinsparungen zu verfolgen. Es wird auch dringend empfohlen, eine Reihe von „Geschäftsregeln“ festzulegen, damit diese Einsparungen durch Kostensynergie konzernweit einheitlich erfasst werden.

Einsatz externer Ressourcen

Die Integration stellt eine erhebliche Belastung für die in der M&A-Transaktion involvierten Unternehmen dar. Die meisten Mitarbeiter haben bereits einen Vollzeitjob, und oft erweist es sich als ein schwerwiegender Fehler, wenn die Unternehmensleitung erwartet, dass diese Mitarbeiter auch Integrationsprojekte und -aktivitäten durchführen. Es gibt eine Reihe von Bereichen, in denen die Nutzung externer Ressourcen beträchtliche Vorteile hat.

  • Wichtig ist es, mit Best Practices oder mit einem bewährten Playbook zu beginnen. Dies trägt dazu bei, dass die Geschwindigkeit zur Realisierung der versprochenen Synergien erheblich reduziert wird. Externe Ressourcen, die diese Werkzeuge bereitstellen, sollten gesucht werden.
  • Externe Ressourcen sollten so früh wie möglich eingesetzt werden, um vorab die Auswirkungen der Integration zu bewerten und darauf basierend die Synergie-Initiativen und deren erste Umsetzungspläne zu entwickeln.
  • Viele Unternehmen haben eine nur begrenzte Erfahrung mit M&A-Integrationen (diese geschehen nicht kontinuierlich). Workshops für das Top-Management, in denen die o.g. Aktivitäten behandelt werden, sind sehr hilfreich. Diese sollten in angemessener Frequenz stattfinden und müssen jeweils auch nicht länger als 2 bis 3 Stunden dauern. Der Startschuss kann durch einen erfahrenen M&A-Integrationspraktiker durchgeführt werden.
  • Die schnelle Einrichtung und Besetzung des PMO wird den Start der Integration deutlich beschleunigen und sollte unmittelbar nach der M&A-Ankündigung erfolgen.
  • Die Zeit zwischen Ankündigung und Abschluss der Transaktion ist eine gute Gelegenheit, den gesamten Integrationsplan zu entwickeln. Es gibt oft vertrauliche, wettbewerbsempfindliche Informationen, die zwischen den Unternehmen nicht offengelegt werden. Der Einsatz von „Clean Teams“ ist ein sehr effektiver Ansatz zur Identifizierung von Kostensynergiebereichen, der unmittelbar nach dem Abschluss entsprechendes Handeln ermöglicht. Die Besetzung dieser „Clean Teams“ erfordert den Einsatz externer Ressourcen.
  • Standort- und Werksbewertungen zur Identifizierung von Verbesserungsmöglichkeiten in Bezug auf Kosten, Zuverlässigkeit, EH&S und die gesamten Arbeitsprozesse.
  • Eine große M&A-Integration beinhaltet sicher über 100 Einzelprojekte, um die Synergien zu realisieren. Wenn diese Anzahl von Projekten von internen Mitarbeitern verrichtet werden soll, die darüber hinaus noch ihren täglichen Job ausführen sollen, sind Terminüberschreitungen und Zielunterschreitungen vorprogrammiert. Der Einsatz externer Ressourcen zur Ergänzung der eigenen Mitarbeiter sollte daher ernsthaft in Betracht gezogen werden.

Fazit

„Beim Integrationserfolg zahlt sich
die Nutzung externer Ressourcen
mit M&A-Erfahrung aus.“

Die Ankündigung einer M&A-Transaktion ist ein spannendes Ereignis, kann aber auch beängstigend sein! Die Integration ist in der Regel ein großes Unterfangen und wird wahrscheinlich die meisten Mitarbeiter in beiden Unternehmen betreffen. Der Schwerpunkt muss auf der Mitarbeiterkommunikation und dem Change Management, der Integration von Arbeitsprozessen und der Realisierung von Wachstums- und Kostensynergien liegen. Der Aufbau einer PMO-Struktur und die Identifizierung von Kostensynergieprojekten mit Projektleitern, die für ihren Projekterfolg verantwortlich sind, ist absolut entscheidend. Und schließlich zahlt sich beim Integrationserfolg die Nutzung externer Ressourcen mit M&A-Erfahrung zur Ergänzung der eigenen Mitarbeiterleistung aus.

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