Standorte & Services

Sicherheitsberatung Luelf & Rinke zeigt Schlüsselfaktoren und Fallgruben bei Feuerwehren

06.08.2017 -

Zunächst bedarf es der Klärung der Begrifflichkeiten. Der Begriff „Bedarfsplanung“ umfasst in der Praxis nur die operativen Aspekte: Wache(n), Funktionen, Fahrzeuge. Darüber hinaus ist aber auch die Aufbauorganisation für die Werkfeuerwehren (WF) von Bedeutung. Insbesondere das Thema Einsatzplanung ist für den Erfolg essentiell.

Eine vollumfängliche Betrachtung – operative Ressourcen und Aufbauorganisation – wird in der Beratungsbranche „Organisationsuntersuchung“ genannt. Vor dem Projektstart sollte man sich über die Ausrichtung des Planungsprozesses Klarheit verschaffen und die Projektziele definieren.

Leitfragen

Die typischen Leitfragen bei der Bedarfsplanung lauten:

  • Braucht der Standort eine Werkfeuerwehr wie sie im IST-Zustand existiert?
  • Ist die Werkfeuerwehr richtig aufgestellt?
  • Welcher Bedarf an Werkfeuerwehr besteht zukünftig?
    • Personal
    • Fahrzeuge
    • Gebäude

Darüber hinaus sind folgende Begleit-Aspekte bei der Bedarfsplanung bedeutsam:

  • Es gibt i.d.R. Kostendruck durch die Standort-Kunden.
  • Werkfeuerwehren gelten bei den Kunden im Bereich des Vorbeugenden Brandschutzes (VB) oft als Schwarzseher und haben somit das „Prophet-im-eigenen-Land“-Problem.
  • Die übliche Betriebsblindheit gilt auch für Feuerwehren.
  • Die Feuerwehren haben einen bestimmten Blickwinkel (meist stark vom VB beeinflusst), ebenso die Aufsichtsbehörden;
    der IST-Zustand der WF ist daher meist historisch gewachsen (nur in seltenen Fällen analytisch ermittelt).
  • In der Diskussion mit der Aufsichtsbehörde ist es von Vorteil, dass der externe Berater bzw. Gutachter kein Eigeninteresse am Ergebnis hat.

Fallgruben und Konfliktpotenziale

Die Anerkennungsbescheide der Werkfeuerwehren sind häufig historisch gewachsen, teilweise über Jahrzehnte nicht angepasst. Es gibt i.d.R. keine geeigneten Rechtsgrundlagen / Verordnungen zur Bemessung. Somit haben die Aufsichtsbehörden keine geeigneten Werkzeuge für die Beurteilung des WF-Bedarfs. Die Notwendigkeit der WF ist von der Baugenehmigungs-Situation her teilweise irrwitzig, weil sich die Brandschutzkonzepte nach Industriebau-Richtlinie wesentlich auf die Aspekte Fläche und Brand / Feuer konzentriert, aber nicht auf die Risiken der nicht-brennenden Freisetzung von Gefahrstoffen.

Die Betrachtungen gemäß Störfall-Verordnung sind erfahrungsgemäß nicht als Bemessungs-Szenario geeignet, weil Art und Umfang der betrachteten Störfälle häufig mit der Aufsichtsbehörde verhandelt sind. Wenn Bemessungs-Szenarien schon vorhanden sind, dann sind diese möglicherweise rückwärts entwickelt: Die vorhandene Funktionsstärke wurde im Szenario eingesetzt. Das mag mancherorts gerechtfertigt sein, jedoch nicht überall. Der Rückbau von voll-stationären Löschanlagen zu halb-stationären Systemen kann wirtschaftlich sein, kann aber auch der Sicherung der IST-Stärke dienen.

Methodik

Sicher führen auch im Fall der Bedarfsplanung für Werkfeuerwehren mehrere Wege zum Ziel. Erfahrungsgemäß sind folgende Aspekte nicht hinreichend oder nicht zielführend für die Bemessung:

  • IndustrieBauRiLi (Flächengrößen sind nicht zwangsläufig in Koinzidenz mit den Hauptgefahren)
  • Verankerung der WF in der Baugenehmigung (die WF ist darin häufig unscharf definiert)
  • BImSchG / StörFallVO – Szenarien (weil diese nicht die betrieblichen Interessen abbilden)
  • Worst-Case-Szenarien (weil diese nicht beherrschbar sind)
  • Szenarien aus dem öffentlichen Umfeld (weil diese nicht spezifisch genug sind)
  • Feuerwehr-Dienstvorschriften (weil die Werkfeuerwehren in der Praxis häufig an die spezifischen Bedürfnisse angepasste interne Regeln haben)

Sicher sind Teile aus den genannten Punkten im Planungsprozess zu berücksichtigen; sie alleine führen jedoch nicht zum Ziel. Für eine tatsächlich bedarfsgerechte Bemessung muss das Gefahrenpotential am Standort individuell analysiert werden. Hierzu bedarf es einer Industrie-spezifischen Methode, welche eine 360°-Gefahrenanalyse des Standorts gewährleistet. Weil kein entsprechendes Verfahren existierte, hat der Verfasser die Methodik ISABEL* entwickelt. Hierzu wurden verschiedene Methoden der Sicherheitswissenschaften kombiniert. Die Bewertung der Gefahren erfolgt dabei auf der Basis der, von uns beurteilten, Leistungsfähigkeit der öffentlichen Gefahrenabwehr, weil dies in den Landesgesetzen die Basis für die Anordnung von Werkfeuerwehren ist.

* ISABEL =

Interdisziplinäres

Schicherheitswissenschaften-basiertes

Analyseverfahren zur

Bewertung der für die Entwicklung der

Einsatzszenarien relevanten

Liegenschaftsgefahren (Gefahrenpotenziale)

Bemessungsprozess

Die Analyse des Gefahrenpotentials erfolgt in Form von Begehungen aller relevanten Objekte. Domino-Effekte werden dabei berücksichtigt. Die Begehungen werden stets gemeinsamen mit der WF durchgeführt. Dabei werden auch die Betriebe / Standortkunden abgeholt. Die anschließende Objektbewertung führt zu einem Ranking der Objekte. Es folgt die Entwicklung von Standort- bzw. Objektspezifischen Szenarien für die Top-Objekte. Hierzu werden aus der Gefahrenanalyse die Schadensbilder für die Bemessungs-Szenarien abgeleitet. Die Ereignisschwere wird dabei nach einsatztaktischen Gesichtspunkten gewählt. Darüber hinaus erfolgt ein Abgleich mit vorhandenen Planungs-Szenarien (z.B. aus dem Sicherheitsbericht) und dem tatsächlichen Einsatzgeschehen. In den Szenarien werden die Maßnahmen beschrieben, die zur Beherrschung der Lage erforderlich sind. Dabei erfolgt eine Differenzierung von Eintreffzeiten innerhalb der Szenarien zwecks Unterteilung des Kräftebedarfs in Hauptberufliche Kräfte, Freiwillige Kräfte bzw. Nebenberufliche Kräfte sowie öffentliche Feuerwehr.

Wichtig für eine Verteidigung der Ergebnisse der Bedarfsplanung gegenüber den Beteiligten (u.a. Werkfeuerwehr, Standortleitung, Kunden, Kostendrücker, Aufsichtsbehörde), ist eine fachlich belastbare Methodik, welche die spezifischen Gefahren des Standorts und die daraus resultierenden besonderen Anforderungen an die Werkfeuerwehr (in auch für Laien verständlicher Form) deutlich und transparent macht. Wenn klar erkennbar ist, ob und wie die Gefahren am Standort besonderer Reaktionen bedürfen – in Bezug auf Einsatzplanung, Eintreffzeiten, Funktionsstärken, Spezialgeräte – werden die Ergebnisse erfahrungsgemäß von den Beteiligten akzeptiert, egal ob weniger, gleich viel oder gar mehr Werkfeuerwehr aus dem Bedarfsplan resultiert.

Sollte das Ergebnis „es ist mehr Werkfeuerwehr erforderlich“ lauten, gleichzeitig aber eine Aufstockung dennoch vermieden werden, dann bietet die Methodik ISABEL noch eine Zusatzoption, den sog. Review der Szenarien. Im Rahmen des Review werden Möglichkeiten aufgezeigt, durch Ertüchtigungen (z.B. durch (halb-) stationäre Schutzsysteme) die Spitzen-Szenarien zu entschärfen und damit einen Zuwachs bei der Werkfeuerwehr zu vermeiden.