Strategie & Management

Sofortmaßnahmen für Chemieunternehmen

Sechs bewährte Hebel zur Verringerung der Emissionen innerhalb der chemischen Lieferkette

15.11.2022 - In der heutigen Zeit ist keine Unternehmensstrategie komplett, ohne einen Plan zu beinhalten, Treibhausgase entlang der gesamten Lieferkette zu reduzieren.

Für multinationale Unternehmen ist jedoch bereits die Erfassung der Treibhausgasemissionen schwierig, da sie entlang der globalen Lieferkette erfolgen und diese aber oft nur bis zum ersten Lieferanten verfolgt werden kann.

Die chemische Lieferkette gilt als besonders komplex und undurchsichtig. Dadurch sind Scope-3-Emissionen in der Chemieindustrie schwer zu messen und werden zu wenig berichtet. Durch die Zusammenarbeit mit multinationalen Unternehmen wurden sechs Hebel identifiziert, die Beschaffungs- und Nachhaltigkeitsverantwortliche schon jetzt umsetzen können, um ihre Treibhausgas­emissionen zu reduzieren.

Hebel Nr. 1: Projekte von Tier-1-Lieferanten durchsetzen

Als Tier-1-Lieferanten zählen die Zulieferer der ersten Ebene, die den Hersteller mit vorgefertigten Komponenten für sein Produkt beliefern. Projekte zur Verringerung der Emissionen durch Tier-1-Lieferanten beruhen auf verschiedenen Ansätzen, z.B. der Verringerung des Energieverbrauchs oder der Umstellung auf erneuerbare Energien. Unternehmen können zwar pauschale Anforderungen zur Emissionsreduzierung für den Großteil ihrer Zulieferer stellen. Doch ist es der beste Weg, zu ermitteln, wo die größten Reduzierungen notwendig sind, und Projekte zur Emissionsreduzierung zu fördern oder zu finanzieren.

Werden die Projekte durch Einkäufer initiiert, liegt es auch in ihrer Verantwortung die Hotspots zu identifizieren und mit den Lieferanten in Kontakt zu treten. So arbeitet Bayer bspw. nur mit Lieferanten zusammen, die eine hohe Nachhaltigkeitsbewertung aufweisen. Durch ein umfassendes Verfahren, das u.a. Audits durch externe Anbieter umfasst, gibt Bayer seinen Lieferanten Empfehlungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit.

Im Rahmen eines lieferantengeführten Ansatzes können Unternehmen Koalitionen bilden, um Projekte zu identifizieren und ihre Umsetzung zu erleichtern. Lieferantenworkshops, Schulungen und Informationsportale sind ideale Plattformen, um das Bewusstsein zu schärfen und bewährte Verfahren auszutauschen. BASF hat seine Lieferanten bspw. eingeladen, an einem CO2-Management-Programm teilzunehmen, um die Transparenz der CO2-Bilanz ihrer Produkte zu verbessern.

Hebel Nr. 2: Upstream-Rohstoffprojekte entwickeln

Upstream-Rohstoffprojekte umfassen CO2-Emissionen und -Abscheidungen, biobasierte Materialien, verstärkte Kreislaufwirtschaft und andere Faktoren, die Emissionen reduzieren und andere positive Auswirkungen wie biologische Vielfalt und nachhaltige Lebensgrundlagen fördern.

Diese Projekte werden innerhalb eines Liefergebiets in der vorgelagerten Lieferkette eines Unternehmens für einen identifizierten kritischen Rohstoff durchgeführt. Sie erfordern die Zusammenarbeit mit wichtigen Stakeholdern wie Käufern, Lieferanten, NGOs und kommunalen Akteuren. Dieser Ansatz hilft Unternehmen, neue und greifbare Wege zur Emissionsreduzierung zu finden. Projekte in der Upstream-Rohstoffversorgungskette bieten zudem eine spannende Mischung aus Multi-Stakeholder-Zusammenarbeit, Forschung und Entwicklung, Innovation und Reduzierung der Kohlenstoffemissionen. So arbeiten bspw. Domo Chemicals und Covestro zusammen mit der Circularise-Initiative an der Einführung der Blockchain-Technologie, um die Rückverfolgbarkeit und Transparenz in der Kunststoffherstellung zu verbessern.

Hebel Nr. 3: Projekte zur Dekarbonisierung der Logistik durchführen

Die Logistik bietet hohes Dekarbonisierungspotenzial, doch die Komplexität der Verkehrsnetze und das Tempo des technologischen Wandels erschweren es, Maßnahmen zu ergreifen. Unternehmen müssen ihr vor- und nachgelagertes Logistikprofil, ihre Geschäftsmodelle und Verkehrsträger analysieren. Anschließend sollten sie die Auswirkungen der Umsetzung innovativer Lösungen bewerten und mögliche Maßnahmen identifizieren. Gemeinsam mit Logistikanbietern und weiteren Akteuren können sie Bereiche des Verkehrs angehen, in denen eine Dekarbonisierung schwierig ist, wie z.B. bei Treibstoffen für Flugzeuge und Seeschiffe.

Der Konsumgüter- und Klebstoffhersteller Henkel stellt sich den logistischen Herausforderungen mit drei Handlungsfeldern: der Optimierung der Transport- und Logistikprozesse, der Einführung digitaler Tools zur Berechnung der verkehrsbedingten Emissionen und zur Förderung der Transparenz und Nachverfolgung der Fortschritte bei der Erreichung der Emissionsreduktionsziele sowie der Unterstützung bei Pilotprojekten für die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.

Hebel Nr. 4: Ressourceneffizienz an den Standorten der Lieferanten überprüfen

Zudem können Einkäufer Lieferanten in ihrer Lieferkette, die über Produktionsstätten, Vertriebszentren oder andere kritische physische Infrastrukturen verfügen, aktiv dabei unterstützen, Energieeffizienz und Emissionssenkungen in ihren Betrieben zu ermitteln und zu finanzieren.

Einkäufer können Workshops zur Ressourceneffizienz veranstalten, um die Kompetenzen der Lieferanten durch Schulungen und den Austausch bewährter Verfahren zu stärken. Weiter eignen sich Schulungen für Manager auf Unternehmens- und Standortebene, um Hotspots wie Standorte mit günstigen politischen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schnell zu erkennen. Die Initiative Together for Sustainability hat hierfür ein Lernzentrum für Chemieunternehmen und ihre Zulieferer eingerichtet.

Hebel Nr. 5: Umstellung auf erneuerbare Energien bei den Lieferanten vorantreiben

Die zunehmende Verfügbarkeit erneuerbarer Energien ermöglicht es Unternehmen, von ihren Zulieferern die Umstellung auf erneuerbare Energien zu verlangen. Indem sie die Transparenz ihrer Verpflichtungen in Bezug auf erneuerbare Energien fördern, Beispiele für realisierbare Ziele geben, sich in Käuferallianzen wie REBA (Renewable Energy Buyers Alliance) engagieren und sich für politische Veränderungen einsetzen, können sie die Umstellung unterstützen. Ziel ist es, die Kapazitäten der Zulieferer zu stärken, um den Weg zur Klimaneutralität bis 2030 zu identifizieren und eine wirksame Transformation voranzutreiben. Die Umstellung auf erneuerbare Energien ist eine bekannte Möglichkeit zur Emissionsreduzierung, aber das regulatorische Umfeld, die Verfügbarkeit und die Investitionskosten können ein Hindernis darstellen.

Neben direkter Finanzierung können Unternehmen auch die Koordinierung lokaler Finanzierungen durch die Regierung anregen. DSM z.B. hat ein spezielles Programm zur Einbindung von Zulieferern, CO2Reduce, eingeführt. Im Rahmen des Programms werden wichtige Zulieferer aufgefordert, sich für die Beschaffung erneuerbarer Energien und andere Maßnahmen zur Emissionsreduzierung einzusetzen.

Hebel Nr. 6: Science-based Targets bei Lieferanten festlegen

Unternehmen können ihre Zulieferer auch dazu anhalten oder verpflichten, Science-based Targets (SBTs) festzulegen. Die Festlegung von Zielen ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die Emissionen in dem Umfang zu reduzieren, der erforderlich ist, um die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Die Unternehmen sollten ihren Zulieferern dabei helfen, umsetzbare Fahrpläne zu erstellen.

Engie bspw. hat sich dazu verpflichtet, dass alle direkten Zulieferer bis 2030 SBTs einführen und durchsetzen. Dazu werden Workshops mit den Lieferanten veranstaltet, um das Bewusstsein für die Festlegung von SBTs zu fördern, und somit die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien zu unterstützen. Ehrgeizige, messbare Reduktionsziele können den notwendigen Wandel in den Zulieferbetrieben vorantreiben und durch Veränderungen in den Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen auch ein erhebliches Wirtschaftswachstum fördern.

Projekte für eine nachhaltige Zukunft entwickeln und durchsetzen

Diese sechs Möglichkeiten zur Verringerung der Emissionen in der Lieferkette können schon heute und in großem Umfang umgesetzt werden. Ein guter Ausgangspunkt ist es, einen Schritt zurückzutreten, zu verstehen, wo die wichtigsten Potenziale liegen, und sicherzustellen, dass sie mit der Unternehmensstrategie übereinstimmen. Jeder Ansatz sollte in der gesamten Lieferkette als Teil einer kohärenten Dekarbonisierungsstrategie eingesetzt werden.

Autor: Ben Moens, Geschäftsführer, Sustainability Solutions, EMEAI, Engie Impact, Brüssel

 

„Die Möglichkeiten zur Verringerung der Emissionen in der Lieferkette können schon heute und in großem Umfang umgesetzt werden.“

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