Chemie & Life Sciences

Solar Impulse 2

Chemie macht’s möglich: Ein Flug um die Welt - Nur mit Sonnenenergie - Ohne Emissionen

13.08.2014 -

Das Solarflugzeug Solar Impulse 2 wird Anfang 2015 aufbrechen und bei der Tour ohne einen Tropfen Treibstoff auskommen. Die chemische Industrie, darunter Solvay als einer der ersten Hauptpartner des Projekts, trägt mit vielen Neuentwicklungen dazu bei, die Pionierleistung zu verwirklichen.

Solar Impulse wurde 2003 von den Schweizer Piloten André Borschberg und Bertrand Piccard ins Leben gerufen. Zunächst entwickelten sie einen Prototypen, mit dem sie den ersten Nachtflug in der Geschichte der Solarluftfahrt absolvierten. Jetzt läuft der Countdown. Anfang 2015 soll Solar Impulse 2 zu seiner Weltumrundung starten. Geplant sind fünf Etappen mit Zwischenlandungen auf vier Kontinenten. Piccard und Borschberg werden dabei abwechselnd fliegen.

Spezielle Cockpit-Isolierung

In mehr als 6.000 Teilen des Solarflugzeugs kommen Neuentwicklungen zum Einsatz. Darunter sind Produkte, die den Energiehaushalt verbessern, die Struktur optimieren und das Flugzeuggewicht reduzieren. „Ohne innovative Werkstoffe und intelligente Lösungen aus der chemischen Forschung wäre der Solarflug illusorisch", sagt Dr. Johannes Eicher, Forschungsleiter der Solvay-Geschäftseinheit Special Chemicals. Die Solvay-Gruppe ist von Beginn an einer der wichtigsten Entwicklungspartner von Solar Impulse und mit vielen Produkten an Bord. Beispiel Cockpit-Isolierung: Bei Außentemperaturen zwischen -40 und +40°Celsius ist die Wärmeisolierung von entscheidender Bedeutung. Schließlich hat Solar Impulse 2 keine Klimaanlage. „Die besondere Herausforderung war, einen Isolierschaum zu finden, der bei sehr geringer Dicke und extrem niedrigem Gewicht eine exzellente Stabilität und maximalen Kälteschutz liefert", erklärt Dr. Eicher. Mit dem Treibmittel Solkane wird ein
Polyurethan-Schaum (PUR) hergestellt, der bei gleicher Dicke eine 40 % höhere Isolierwirkung hat als herkömmliche Materialien.

Optimierte Akkuleistung

Im Vergleich zum Prototypen, mit dem Borschberg und Piccard bereits 2012 das Mittelmeer und 2013 die USA überquerten, wurde im größeren Solar Impulse 2 die Energieeffizienz weiter verbessert. Nachts wird das Flugzeug mit Strom aus leistungsfähigen Akkus angetrieben. In der Energiekette ist die Speicherung der Engpass. Darum musste die Energiedichte (ED in Wh/kg) der Akkus optimiert werden. „Es galt, eine maximale Ladekapazität bei minimalem Gewicht zu erzielen", sagt Dr. Eicher. Die Lösung sind spezielle Lithium-Ionen-Akkus, deren Elektrolyt bis zu 20 % F1EC (Monofluorethylencarbonat) enthält. Das F1EC verbessert die Wiederauflade-Kapazität von Li-Ionen-Akkus. Vorteil: Bei gleichem Gewicht können die Akkus mehr Strom speichern. Im Alltag wird der neue Stoff hauptsächlich in Handys und Laptops verarbeitet.

Darüber hinaus entwickelte Solvay eine neue Type des Bindemittels PVDF Solef. Solef bietet eine optimale Haftung auf den Elektroden und trägt dazu bei, das Gewicht der Akkus zu verringern. Außerdem ist die elektrochemische Stabilität der Zellen verbessert. Ergebnis: Im Vergleich zu Solar Impulse 1 konnte die Energiedichte von 240 Wh/ kg auf 260 Wh/kg erhöht werden. Zudem verlängern die Komponenten die Haltbarkeit der Akkus, indem sie die Ladezyklen erhöhen und vor Überhitzung schützen.

Metallersatz verringert Gewicht

Bei einer Flügelspannweite von 72 m, entspricht das Gewicht von 2,34 t dem eines Jeeps und die Motorisierung der eines Motorrads. Solar Impulse 2 muss aber nicht nur leicht, sondern auch stabil sein.
Mechanische Teile wie Verbindungselemente und Schrauben sind aus robusten und leichten Werkstoffen wie den Spezialpolymeren Keta Spire PEEK und Primo Spire SRP. Sie wurden im Vergleich zum Prototypen nochmals verbessert. Statt die Komponenten in einem zweistufigen Verfahren mechanisch zu bearbeiten, werden sie für Solar Impulse 2 im Spritzgussverfahren hergestellt. Das Risiko von Rissen oder Brüchen wird dadurch deutlich reduziert. Die Flügel bestehen aus einer Wabenstruktur aus Papier, die mit dem Polymer
Torlon PAI imprägniert ist. „Dadurch können sehr gute mechanische Eigenschaften in Bezug auf Stärke, Drehung, Krümmung oder Vibration erzielt werden", sagt Dr. Eicher.

Andere komplexe mechanische Bauteile, z. B. die Klemmen für die Signalleuchten der Flügel oder das Gehäuse des Flugdatenrechners, sind aus Polyamid 6 Sinterline gefertigt - maßgeschneidert mit einem Laser-Sinter-Verfahren. Mit der industriellen 3D-Drucktechnologie konnte das Gewicht im Vergleich zu Aluminium um fast 80 % reduziert werden.

Pneumatikzylinder heben und senken die Schutztüren des Fahrwerks. Über Druck wird hierbei die Position eines Kolbens im Zylinder verändert. Im Prototypen waren diese Zylinder noch aus Metall - und dadurch extrem schwer. Für Solar Impulse 2 entwickelte Solvay einen Pneumatikzylinder, der fast komplett aus Ixef PARA, einem robusten, aber dennoch leichten Kunststoff besteht. „Auch die Oberflächenbeschaffenheit ist ein wichtiger Faktor", sagt Dr. Eicher. „Die besonders glatte und glänzende Oberfläche sorgt dafür, dass der Kolben luftdicht bleibt und sich reibungslos und effizient bewegen kann. Es ist ein Novum, dass ein Pneumatikzylinder oder ein Stellglied vollständig aus Kunststoffen besteht." Unterm Strich konnte das Gewicht des Zylinders um rund 20 % gesenkt werden.

Energieverluste vermeiden

Eine weitere Herausforderung ist, die Sonnenenergie so effizient wie möglich aufzunehmen. Damit das gelingt, wurde die Struktur des Solarseglers bis in kleinste Detail geplant. Ein Beispiel sind die Solarzellen auf den Flügeln. Das Problem: Die Lücken zwischen den Modulen. Die Abstände sind zwar sehr gering, doch die durchströmende Luft könnte die Aerodynamik beeinträchtigen und die Energieeffizienz verschlechtern. Mit Solstick, einer transparenten und leichten Folie aus Solef PVDF, werden diese Lücken geschlossen. Solstick ist auf die extremen Belastungen ausgelegt, die durch Temperaturschwankungen entstehen. Zudem ist sie elastisch genug, um den Bewegungen der Flügel standzuhalten.

Schutzfolie für Solarmodule

Die Photovoltaik-Zellen werden von einer transparenten oberflächenbehandelten Folie aus Halar ECTFE geschützt. Die Erfahrungen mit Solar Impulse 1 haben gezeigt, dass PV-Zellen, die lediglich an der Unterseite mit einer Schicht aus Glas-Epoxy versehen waren, anfälliger gegenüber Feuchtigkeit waren. Alle rund 17.000 PV-Zellen auf einer Fläche von 300 m² sind komplett eingekapselt. Die beidseitige Folienbeschichtung macht Solar Impulse 2 zu einem wasserdichten Elektroflugzeug. Weitere Vorteile: Die Foliendicke beträgt 17-20 µm. Das bedeutet rund 35 % weniger Gewicht bei unveränderten elektrischen Eigenschaften.

Solar Impulse gilt schon jetzt als „fliegendes Labor", das die Grenzen der Innovation und des technischen Know-hows weiter vorangetrieben hat.

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