Strategie & Management

Worauf es bei Track and Trace ankommt

Serialisierung in der Pharmaindustrie als Chance für Unternehmen der gesamten Prozessindustrie

01.10.2018 -

Die EU-Richtlinie 2011/62/EU soll verschreibungspflichtige Medikamente fälschungssicher machen. Ab dem 9. Februar 2019 müssen Pharmaunternehmen dafür sorgen, dass der Weg ihrer Arzneimittel rückverfolgbar ist. Jede Verpackung – vom Blister, über die Faltschachtel bis zur Versandbox für den Zwischenhandel und die Palette für den Großhandel – ist mit einer eindeutig identifizierbaren Seriennummer zu versehen. Track and Trace und Serialisierung gewinnen deshalb gerade enorm an Bedeutung. Das Gleiche gilt für die Chemie- und Kosmetikindustrie. Denn auch hier ist es sinnvoll, nachweisen zu können, woher Produkte stammen – auch wenn es keine expliziten Vorgaben dafür gibt. Und: Track und Trace hilft Unternehmen der gesamten Prozessindustrie, die logistischen Prozesse effizienter zu gestalten.

Track and Trace kommen dabei zwei Aufgaben zu: Zum einen wird in Echtzeit verfolgt, wo sich eine Ware gerade befindet (Track): Noch in der Produktion oder schon im eigenen Lager, noch auf der Kommissionierungsfläche oder schon im Lkw? Und wo befindet sich der Lkw in diesem Augenblick auf seiner Route? Zum anderen wird nachträglich zurückverfolgt, welchen Weg eine Ware genommen hat – und eventuell auch, wie dabei die Rahmenbedingungen waren (Trace).

Echtzeit-Transparenz und Rückverfolgung

Voraussetzung dafür ist, dass die Waren eindeutig identifiziert werden können. Erreicht wird das über eine eindeutige und individuelle Seriennummer. Diese müssen Unternehmen aus der Pharmaindustrie für ihre verschreibungspflichtigen Arzneimittel über eine übergeordnete Organisation beziehen, die sicherstellt, dass jede Nummer weltweit nur einmal vergeben wird. Auf dem Weg entlang der Lieferkette – begonnen beim Verpacken in der Produktion – werden die Waren immer dann registriert, wenn sie eine bestimmte Station passieren. Die Daten dazu müssen in einem System gespeichert und verfügbar gemacht werden, auf das alle Stakeholder entlang der Supply Chain Zugriff haben – also neben den Herstellern auch die Groß-, Zwischen- und Einzelhändler oder Unternehmen, die die Produkte weiterverarbeiten oder den Transport organisieren und durchführen. Das ermöglicht die Verfolgung in Echtzeit und die nachträgliche Rückverfolgung.

Wie Unternehmen profitieren können

Für die Chemie- und Kosmetikindustrie bestehen bislang zwar noch keine rechtlichen Vorgaben, die die Vergabe von Seriennummern so explizit festlegen wie die EU-Richtlinie 2011/62/EU. Aber auch in diesen beiden Branchen existieren zahlreiche Regularien, die zumindest nahelegen, dass Unternehmen stets den Weg ihrer Produkte zurückverfolgen können sollten – um damit im Zweifelsfall ihre Nachweispflicht zu erfüllen.

Aber nicht nur wegen des rechtlichen Aspekts ist Track and Trace für die Prozessindustrie ein zentrales Thema. Mit dem Ansatz lässt sich auch die Logistik effizienter gestalten. So helfen Informationen darüber, wo sich eine Ware gerade befindet, die nachfolgenden Prozesse exakt zu planen. Ist bspw. klar, wie lange der Lkw mit den geladenen Paletten noch bis zur Ankunft am Lager benötigt, können alle Mitarbeiter und Hilfsmittel zum exakt richtigen Zeitpunkt zusammengezogen werden, um eine effiziente Abwicklung für alle Teilbereiche zu ermöglichen.

Herausforderungen in vielen Bereichen

Unsere Erfahrungen zeigen, dass Unternehmen bei der Umsetzung von Track and Trace Herausforderungen in unterschiedlichen Bereichen meistern müssen. Die folgenden Fälle sind dabei besonders wichtig:

Damit Track and Trace funktioniert, muss entlang der gesamten Lieferkette identifiziert werden können, wann sich der Status einer Verpackungseinheit ändert – vom Hersteller bis zum Endkunden. Das stellt alle Beteiligten vor die zentrale Frage, wie sie die entsprechenden Daten sammeln und dann zentral vorhalten sollen, sodass der Weg einer Ware tatsächlich nachvollziehbar wird. Ohne eine durchgängige IT-Infrastruktur, auf die alle am Prozess beteiligten Stakeholder zugreifen können, ist das nicht möglich.

Sind die Daten gesammelt, müssen diese verarbeitet und visualisiert werden – und zwar im besten Fall auf Knopfdruck. Dabei sollte das eingesetzte IT-System nicht nur in der Lage sein, die Ergebnisse anzuzeigen: also etwa den aktuellen Ort, an dem sich die Ware befindet, oder die Stationen, den sie bislang passiert hat. Die Daten sollten sich auch analysieren und zu Prognosen verdichten lassen.

Nummern auf Primär- und Sekundärverpackungen aufzubringen, ist ein altes Thema, das die Unternehmen im Griff haben. Heute wird die Beschriftung aber zur Herausforderung, wenn die kleinste Verpackungseinheit mit einer Seriennummer versehen werden muss – und zwar in Klarschrift und maschinenlesbar. Auf einer Augentropfen-Verpackung ist z.B. nur sehr wenig Platz für eine Nummer mit mehreren Ziffern.

Besonders gefordert sind bei all dem die Lohnfertiger. Denn sie müssen die unterschiedlichen Prozessvorgaben verschiedener Hersteller einhalten und verwalten. Je mehr Vorgaben es gibt, desto mehr tendenzielle Fehlerquellen gibt es auch und desto anspruchsvoller wird die Aufgabe. Ein durchgängiges IT-System ist da enorm hilfreich.

Ganzheitlicher Blick ist ratsam

Gerade wegen der vielen Details, auf die es bei der Serialisierung und bei Track and Trace ankommt, ist es wichtig, schon vor dem Start eines Implementierungsprojekts einen ganzheitlichen Blick auf das Thema zu werfen. Nur so lassen sich nicht nur die gesetzlichen Vorgaben einhalten, sondern lässt sich auch der maximale Nutzen für alle Stakeholder herausholen. Denn Track and Trace bietet allen Teilnehmern entlang der Lieferkette auch Chancen. Und das gilt nicht nur für die Pharmaindustrie, sondern auch für Chemie- und Kosmetikunternehmen.

Herausforderungen meistern

Die Falsified Medicine Directive (FMD) steht vor der Tür - es ist also keine Frage mehr, ob die Pharmafirmen aktiv werden müssen, sondern wann und wie. Volker Oestreich fragte Stephan Limberg, Leiter Branchenmanagement Prozessindustrie bei Itelligence, nach Tipps für eine zielgerichtete Vorgehensweise zur Erfüllung der neuen gesetzlichen Anforderungen.

CHEManager: Wie groß ist der Aufwand in den betroffenen Firmen, die Bestimmungen der FMD umzusetzen?

Stephan Limberg: Die Umsetzung der neuen Anforderungen wird in den meisten Unternehmen viele Wochen Zeit in Anspruch nehmen. Um Geschäftsprozesse fristgerecht auf die EU-Richtlinie einstellen zu können, muss man spätestens jetzt mit den Vorbereitungen beginnen. Es gibt dabei vieles zu beachten: Personal muss geschult, Know-how aufgebaut, die richtige Hardware und Software eingekauft und implementiert werden. Auch gilt es, etwaige Lieferzeiten von Hardware-Komponenten möglichst vorab zu berücksichtigen.

Was sind die besonderen Herausforderungen auf dem Weg zur Gesetzeskonformität und wie kann man sie meistern?

S. Limberg: Die Pharmaindustrie steht ja immer wieder vor neuen Herausforderungen. Es gilt, sich ständig auf neue Richtlinien einzustellen und diese umzusetzen. Die besondere Krux bei der Serialisierung liegt darin, dass alle Unternehmensbereiche und -schnittstellen betroffen sind. Organisation, Prozesse, IT, Lieferketten und Gesetzgebung treffen aufeinander. Diese Komplexität der Serialisierung erfordert zwingend einen strukturierten Ansatz. Itelligence hat daher eine Checkliste entwickelt, die alle Aspekte eines solchen Serialisierungsprojekts berücksichtigt. Sie gibt einen strukturierten Ansatz an die Hand, damit die Anforderungen gesetzeskonform und fristgerecht umgesetzt werden können. Für die Entwicklung einer robusten Implementierungsstrategie ist es ratsam, ein dediziertes Projektteam aus Fachkräften der Bereiche Qualitätssicherung, Vertrieb, Einkauf, IT, Produktion und Rechtsabteilung zu bilden.

Welche Schritte beinhaltet die von Ihnen angesprochene Checkliste?

S. Limberg: Im ersten Schritt – wir nennen ihn „Projektplanung und Identifikation Projektteam“ – geht es darum, die aktuelle Marktsituation und die Auswirkungen der Serialisierung auf die Lieferkette des Unternehmens zu bewerten. Je nachdem, welche Rolle das Unternehmen entlang der Lieferkette einnimmt – also zum Beispiel, ob es sich um einen Pharmahersteller, Lohnfertiger oder Logistikdienstleister handelt – fallen die Auswirkungen der EU-Verordnung unterschiedlich komplex aus. Ebenso wirkt sich der aktuelle Zustand der IT-Infrastruktur - und damit ist Hardware und Software gemeint - als zentraler Faktor für eine erfolgreiche Umsetzung des Serialisierungprojekts aus.

Der zweite Schritt ist die Definition der Projektziele. Es ist wichtig, die Ziele des Projektes auf Stoffebene in Zusammenhang mit den Zielen der Organisation zu definieren sowie die Bedürfnisse des Kunden und die Auswirkungen der Serialisierung auf den Markt zu verstehen. Der dritte Schritt beinhaltet die Analyse vorhandener Ressourcen, Ausrüstungen und Prozesse und im vierten Schritt geht es dann konkret um die Umsetzung einer Implementierungsstrategie.

Unsere Checkliste beantwortet, inwiefern die verschiedenen Bereiche und Stakeholder durch die EU-Verordnung betroffen sind, um die kurz- und mittelfristigen Ziele zu bestimmen und den individuellen Ausgangspunkt einer Implementierungsstrategie zu entwickeln.

 

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