Anlagenbau & Prozesstechnik

Chemieanlagenbau: Auf zu neuen Ufern

Für Anlagenbauer bietet Europa ein schwieriges Umfeld, chancenreichste Märkte sind die USA und Asien

29.03.2014 -

Die Industrie setzte zu Beginn des Jahres 2013 große Hoffnungen auf einen breiten Aufschwung. Allerdings belegen die Konjunkturdaten, dass sich die Weltwirtschaft 2013 mit einem Wachstum um 3,0 % etwas verhaltener entwickelt hat als noch im Vorjahr (2012: 3,1 %). Dabei zeigten sich deutliche regionale Unterschiede in der konjunkturellen Dynamik. Den größten Einfluss auf die makroökonomische Entwicklung hatte nach wie vor die hohe Unsicherheit in der Eurozone. Weitere belastende Faktoren waren die nur zögerliche Belebung in den USA und ein verhaltenes Wachstum in den BRIC-Ländern.

Trotz allem war das generelle Marktumfeld für den chemischen Großanlagenbau günstig. Die Nachfrage nach Chemieanlagen erlebt seit Anfang 2013 einen massiven Aufschwung. Der in der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) organisierte Chemieanlagenbau nahm an dieser Belebung teil. Im Vergleich zu 2012 stiegen die Auftragseingänge um 15 % auf 3,4 Mrd. € (2012: 3,0 Mrd. €). Das ist das höchste Niveau seit 2008. Treiber dieser Entwicklung war der nordamerikanische Markt, wo es zahlreiche Aufträge für petrochemische Anlagen gab. Allein aus den USA gingen 2013 Bestellungen in Höhe von 1,0 Mrd. € (2012: 230 Mio. €) bei den AGAB-Mitgliedern ein.

Zudem haben sich die generellen Finanzierungskonditionen verbessert, wodurch die Realisierung von Großprojekten der petrochemischen Industrie möglich wurde. Allerdings waren die Investitionsbedingungen von Land zu Land verschieden, nicht zuletzt aufgrund der regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen von Rohstoff- und Energiepreisen, was zu einer spürbaren Marktverschiebungen geführt hat.

USA: Ausgezeichnete Rahmenbedingungen dank Schiefergas

Die USA verzeichneten 2013 insgesamt ein geringeres gesamtwirtschaftliches Wachstum als im Vorjahr, was wesentlich auf Kürzungen öffentlicher Ausgaben zurück zu führen war. Dennoch erlebten die Energiebranche und die Petrochemie einen steilen Aufschwung. Getrieben vom Schiefergasboom kam es zu einer zunehmenden Vergabe von Großaufträgen für Anlagen, die Erdgas als Rohstoff verwenden (z.B. Erdgasaufbereitungsanlagen, Ethan-Cracker und Ammoniak- sowie Düngemittelanlagen). Für 2014 wird mit einer Fortsetzung dieses Trends gerechnet, zusätzlich wird eine Belebung der Nachfrage nach Flüssigerdgas (LNG)-Exportterminals und Erdgasverflüssigungsanlagen erwartet.

Da das Erdgasangebot die Nachfrage in den USA übersteigt, haben die Erdgaspreise bereits 2012 einen Tiefpunkt erreicht. Seitdem ist das Preisniveau zwar moderat gestiegen, die Produktionskosten werden aber nach wie vor nicht gedeckt. Die Industrie setzt deshalb verstärkt auf den Export, um das inländische Angebot zu verknappen und Preissteigerungen durchzusetzen.

Aufgrund der niedrigen Erdgaspreise konzentrieren sich viele Produzenten zunehmend auch auf die Ausbeutung von Quellen, die hohe Anteile an NGL („Natural Gas Liquids") sowie unkonventionelles Öl („Tight Oil") enthalten. Denn sowohl mit NGL als auch mit unkonventionellem Öl lassen sich aktuell höhere Preise als mit Erdgas erzielen. Daher erleben die USA nicht nur einen Boom bei der Förderung von unkonventionellem Gas, sondern auch bei unkonventionellem Öl. Diese Energiehausse hat die USA bereits 2013 zum global führenden Öl- und Gasproduzenten - noch vor Saudi-Arabien und Russland - gemacht. Mittelfristig könnten die USA mit der Ausbeutung von Schiefergasen und -ölen sogar eine weitgehende Energieunabhängigkeit erreichen.

China: Kohlevergasungsanlagen im Fokus

Das stärkste Wirtschaftswachstum war 2013 erneut in Asien zu verzeichnen. China stand mit einem Zuwachs seiner Wirtschaftsleistung um 7,7 % an der Spitze. Allerdings war die Wachstumsdynamik schwächer als ursprünglich erwartet. Dennoch bleibt die Volksrepublik weiterhin der größte Einzelmarkt für den Chemieanlagenbau. Vor allem im Bereich von Kohlevergasungsanlagen zeigte sich im vergangenen Jahr ein starkes Wachstum, begünstigt durch sehr hohe Kohlevorkommen und entsprechend günstige Rohstoffpreise. Allerdings gibt es erste Anzeichen, dass die Zugänglichkeit des chinesischen Marktes für westliche Großanlagenbauer abnimmt.

Mittlerer Osten und Nordafrika: Asiatische Dominanz bremst Geschäfte

Im Mittleren Osten und in Nordafrika wurde 2013 ein deutlich schwächeres Wirtschaftswachstum als im Vorjahr verzeichnet: Der Zuwachs reduzierte sich von 4,1% (2012) auf aktuell 2,4% (2013). Die niedrigen Erdgaspreise in Nordamerika relativieren die Attraktivität billiger Rohstoffe im Mittleren Osten zunehmend. Als Konsequenz ist derzeit eine verstärkte Verlagerung des Marktes für petrochemische Anlagen von der Golfregion in die USA zu beobachten. Zudem können die deutschen Anlagenbauer auf Grund der zunehmenden Dominanz asiatischer Wettbewerber nicht mehr an die großen Absatzerfolge der Jahre 2005 bis 2007 anknüpfen. Sie sind immer seltener in der Lage, die Generalunternehmerschaft für die im Markt nachgefragten Megaprojekte zu übernehmen, so dass ihnen oft nur noch die Rolle des Technologie- und Lizenzgebers bleibt. Infolge dieser Entwicklung sank das Auftragsvolumen für Chemieanlagen aus der Golfregion im vierten Jahr in Folge und fiel mit nur noch 100 Mio. € (2012: 197 Mio. €) auf den niedrigsten Stand seit Mitte der 1990er Jahre.

Europa: Schwieriges Umfeld für den Chemieanlagenbau

In der Eurozone hat sich die wirtschaftliche Lage 2013 im Vergleich zum Vorjahr leicht verbessert, obwohl die Wirtschaftsleistung noch immer leicht rückläufig war. Überdies ist aufgrund der niedrigen Energiepreise in Nordamerika eine Verlagerung von Neuinvestitionen der petrochemischen Industrie in die USA zu beobachten. Viele Standorte in Europa sind aufgrund steigender Betriebskosten nicht mehr rentabel zu betreiben. Europa befinde sich in einer "Phase schleichender De-Industrialisierung", warnt daher die Internationale Energieagentur in ihrem neuesten Ausblick. Entsprechend schwierig ist die aktuelle Lage für den Chemieanlagenbau.

Russland: Hoffnung richtet sich auf steigenden Ölpreis

In Russland wurde 2013 ein deutlich schwächeres Wachstum als im Vorjahr erzielt. Sowohl die sinkende Binnennachfrage als auch der schwächelnde Export wirkten sich negativ auf die russische Wirtschaftskraft aus. Somit richtet sich die Hoffnung vor allem auf die angekündigte Belebung der Weltkonjunktur im laufenden Jahr und damit verbunden auf steigende Ölpreise. Diese könnten die russische Wirtschaft wiederbeleben und sich positiv auf die Nachfrage nach petrochemischen Großanlagen auswirken.

Brasilien: Wenige Projekte für deutsche Chemieanlagenbauer

In Brasilien fiel das Wirtschaftwachstum 2013 deutlich höher als im Vorjahr aus. Dennoch leidet das Land massiv unter der starken Abwertung der heimischen Währung, wodurch Importe verteuert werden und den Preisdruck steigt. Gleichzeitig profitiert Brasilien jedoch nach wie vor von der Erschließung seiner umfangreichen Rohöl- und Erdgasvorkommen an der südöstlichen Atlantikküste, die aufgrund der Dominanz einiger etablierter internationaler Wettbewerber bislang allerdings nur zu wenigen konkreten Projekten für deutsche Anbieter geführt haben.

Wettbewerb: Chemieanlagenbauer aus China holen auf

Der Einbruch der Weltwirtschaft und damit auch der globalen Chemieindustrie in den Jahren 2008 und 2009 hat eine anhaltende Verschärfung des Wettbewerbs im Chemieanlagenbau ausgelöst. Der rapide Rückgang der Projektvergaben veranlasste die damals wachstumsorientierten koreanischen Wettbewerber zur Abgabe sehr preisgünstiger Angebote, um damit ihre starke Marktposition im Mittleren Osten zu sichern. Einige südkoreanische Anlagenbauer verzeichnen seit der Jahreswende 2012/2013 jedoch steigende Verluste im Projektgeschäft, die von den genannten Vorhaben aus den Jahren 2009 bis 2011 herrühren. Als Gründe hierfür werden mangelndes Verständnis der Geschäftsbedingungen in den neuen Märkten sowie eine Fehleinschätzung von Risiken angeführt.

Als Konsequenz hat der koreanische Anlagenbau seine Angebotsstrategie grundlegend überarbeitet und bietet jetzt deutlich selektiver an. Allerdings tauchen bereits neue Konkurrenten mit Kampfpreisen am Horizont auf. Chinesische Chemieanlagenbauer gelten als die "neuen Koreaner" und können bereits erste Auftragserfolge - auch bei Großprojekten im Mittleren Osten - vorweisen.  

Ausblick: Deutscher Chemieanlagenbau wieder optimistisch

Der deutsche Chemieanlagenbau ist technologisch nach wie vor hervorragend aufgestellt. Durch die zunehmende Globalisierung der Unternehmen hat die Branche überdies auch ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Die kurz- und mittelfristigen Aussichten für den Industriezweig sind folglich sehr positiv einzuschätzen. Aussichtsreichste Märkte sind weiterhin die USA und Asien mit China als Zentrum. Mit seinen planerischen Kompetenzen, einem umfassenden Technologieportfolio und einer starken internationalen Präsenz ist der deutsche Chemieanlagenbau gut gerüstet, um diese Märkte erfolgreich zu bearbeiten.

 

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