Chemie & Life Sciences

Biobasierte Polymere und Verbundwerkstoffe

Naturprodukte in intelligenter Kombination finden in zahlreichen Anwendungen Einsatzmöglichkeiten

11.10.2016 -

Manchmal kommt einem die Bioökonomie ganz nah – z.B., wenn man auf der Terrasse einen Drink zu sich nimmt. Möglicherweise bestehen die Dielen, auf denen man steht, nicht etwa aus Massivholz, sondern aus einem Holz-Polymer-Verbundwerkstoff. Das Getränk könnte aus einer Flasche aus biobasiertem Polyethylenterephtalat (PET) kommen, und wenn man bei einer Großveranstaltung ist, wird es einem vielleicht sogar in einem Becher aus Polylactid (PLA) serviert.

Holz-Polymer-Komposite bestehen aus fein gemahlenen Holzfasern und einem Polymer wie Polyethylen, Polypropylen oder Polyvinylchlorid. Sie verknüpfen die Haltbarkeit von Kunststoff mit der Holzhaptik von Brettern, die aus Bäumen hergestellt wurden.

Der weltweite Markt für Holz-Polymer-Komposite wurde 2015 auf 40,6 Mrd. USD geschätzt; rund 80% davon machten Fußbodenbeläge aus. Das sind eine ganze Menge Dielen, und der Markt soll sogar noch wachsen. Zäune sind eine andere sichtbare und alltägliche Anwendung, die die Nachfrage im Bausektor in die Höhe treiben wird, dem wichtigsten Einsatzbereich für Verbundwerkstoffe.

In Deutschland generieren Holz-Polymer-Komposite einen Umsatz von mehr als 140 Mio. USD, und diese Zahl soll bis 2024 auf fast 250 Mio. USD steigen. Auf dem zweiten Platz nach dem Bausektor liegen die deutschen Autobauer, die 2015 Holz-Polymer-Komposite im Wert von rund 30 Mio. USD verbauten. BMW, Audi, Opel, Daimler und Volkswagen werden diese Zahl in den nächsten acht Jahren fast verdoppeln, indem sie die Werkstoffe in Kopfstützen, der Innenverkleidung und Rückenlehnen einsetzen.

Biokomposite geben den Ton an

Holz ist nicht das einzige Biomaterial, das mit Polymeren zu Verbundwerkstoffen verarbeitet werden kann. Die deutsche Gesellschaft Jakob Winter nutzt Hanf- und Flachsfasern zu Herstellung von Spezialkoffern, z.B. für Musikinstrumente. Und im Geigenkasten geht die Kompositgeschichte weiter: Das in San Francisco ansässige Unternehmen Blackbird Guitars hat eine Ukulele aus Leinen und Bio-Harz-Komposit im Angebot, während der kanadische Hersteller Hemp Guitars auf gepressten Hanfbast für den Korpus seiner Instrumente setzt. Die Biokomposite vertragen Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen sehr viel besser als massives Holz und verringern so die typischen Schwierigkeiten bei der Stimmung. Diese Eigenschaft ist besonders wertvoll für Instrumente, die viel auf Reisen sind. Konsequenterweise sind Flügel aus biobasierten Verbundwerkstoffen nach Auskunft des deutschen Klavierbauers Schimmel wohl auch in der nahen Zukunft kein Thema.

Bambusfasern werden als Ersatz für Glas- und Karbonfasern in Verbundwerkstoffen immer beliebter. An der Universität Leuwen forschen Prof. Jan Ivens und Dr. Aart Van Vuure, wie unterschiedliche Verarbeitungsbedingungen die mechanischen Eigenschaften von Fasern aus kolumbianischen Bambus beeinflussen. Bambus stammt zwar aus Asien, aber er stößt auch im Rest der Welt auf großes Interesse. Das Bambus Technology Network Europa will den Einsatz von Bambus in Deutschland voranbringen, ob im Verbund oder als Einzelwerkstoff. In Niedersachsen wächst Bambus zwar nur als Zierpflanze, aber Möbel und Fensterrahmen aus dortiger Herstellung – wenn auch nicht eigenem Anbau – sind im Handel erhältlich. Das US-Unternehmen Samambu verbindet ein flexibles Bambusvlies mit Biokunststoff zu einem haltbaren Verbundwerkstoff und bildet so die Brücke zu einer anderen wichtigen Gruppe von Biomaterialien: dem Bioplastik.

Wann ist biobasiert auch bioabbaubar?

Bioplastik macht nur einen winzigen Teil der rund 300 Mio. t Plastik aus, die jedes Jahr produziert werden. Das wird sich wohl ändern, schon alleine, weil Regierungen weltweit den Einsatz von Tragetaschen aus Biokunststoffen in ihren Ländern durchsetzen. Zum erwarteten Wachstum sind stark abweichende Zahlen im Umlauf: European Bioplastics, der Industrieverband der europäischen Biokunststoffbranche, geht von einem Anstieg der weltweiten Produktionskapazitäten von 1,7 Mio. t im Jahr 2014 auf 7,8 Mio. t im Jahr 2019 aus. Das private Nova-Institut sagt ein Wachstum von 5,7 Mio. t im Jahr 2014 auf 17 Mio. t im Jahr 2020 voraus.

Wie groß der Anstieg auch sein wird, die Produkte werden wohl in Verpackungsfolie oder Flaschen zum Einsatz kommen, denn Verpackungsmaterialien sind der größte Anwendungsbereich für Polymere aus nachwachsenden Rohstoffen. 2019 sollen 80% der hergestellten Biokunststoffe in Verpackungen verwendet werden. Coca Cola wurde mit Einführung seiner PET Plant Bottle zum weltgrößten Abnehmer von biobasiertem Plastik. Dieses PET ist eine „drop in“-Lösung – wie ein großer Teil der Biokunststoff-Produktion: auf pflanzlicher Basis, aber mit denselben Eigenschaften wie PET aus fossilen Rohstoffen. Vor allem zählt dazu Haltbarkeit; wenn diese Biokunststoffe nicht ins Recycling kommen, sind sie auf der Deponie genauso langlebig wie konventionelles Plastik.

Der Markt für biobasierte Kunststoffe, die gleichzeitig bioabbaubar sind, wie PLA, Polyhydroxyalkanoat (PHA) und Stärkemischungen, soll nach Angaben von Bioplastics Europe von 0,7 Mio. t im Jahr 2014 auf 1,2 Mio. t im Jahr 2019 steigen. Diese Polymere sind kompostierbar – allerdings in der Regel nur in der industriellen Kompostieranlage und nicht auf dem heimischen Komposthaufen. Das hat zu einiger Verwirrung bei den Verbrauchern geführt und gilt bei Bioökonomie-Experten als eines der größten Kommunikationsprobleme für die biobasierte Industrie.

3D-Druck mit PLA, Kaffee und Algen

Besonders der PLA-Markt könnte von der Ausbreitung des 3D-Drucks profitieren. Der Markt für 3D-Druck soll 2022 rund 30 Mrd. USD bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 28,5% ab 2016 erreichen. Die größten Wachstumsraten werden für Tisch-3D-Drucker erwartet, denn Schulen und Universitäten wollen ihren Schülern und Studenten praktische Experimente mit 3D-Modellen zugänglich machen. Auch das Interesse von Privathaushalten wächst. Tischdrucker nutzen häufig Filamente als Ausgangsmaterial, und PLA gehört zu den beliebtesten Filament-Materialien. Es ermöglicht schnellen Druck, und die Drucke verformen sich nicht so leicht wie die aus anderen Polymeren. Dass heißes PLA nicht nach heißem Plastik riecht, sondern eher süßlich und nach Waffeln, ist ein netter Nebeneffekt.

So, wie warmgeformte Kunststoffe vom Einzug der biobasierten Füllstoffe profitieren, werden 3D-Druck-Filamente für Designer vielfältiger einsetzbar, wenn dem PLA pulverisierte natürliche Materialien zugesetzt werden. Man erwartet, dass die USA der wesentliche Treiber für das Marktwachstum sein werden; konsequenterweise kommen viele Innovationen bei Filamenten von US-Unternehmen: Colorfabb setzt alle möglichen Arten an Holzfilamenten, aber auch Bambus und Kork als Additive ein. 3DomFuel mischt Kaffeesatz, Hanfpulver und Reststoffe aus der Bierherstellung in das PLA. Algix 3D bietet ein Filament aus PLA und Algen an.

BioBased World 2017, 15.-16. Februar 2017, Köln

Die in dem Beitrag vorgestellten Anwendungen von biobasierten Materialien werden auch bei der neuen Dechema-Veranstaltung BiobasedWorld thematisiert. Die BiobasedWorld wird die erste Messe sein, auf der die gesamte Bandbreite biobasierter Produkte und Verfahren zu sehen ist. Zentrales Thema ist die industrielle Biotechnologie und alles, was an dieses Gebiet angrenzt. Die Veranstaltung bietet einen Querschnitt durch Industriezweige, die beim Übergang von der erdöl- zu einer biobasierten Wirtschaft eine Rolle spielen, von der Prozessentwicklung über den Maschinenbau bis hin zur Vermarktung der Produkte. Das Vortragsprogramm „Biobased Industries at Work“ stellt Verfahren vor, die bereits erfolgreich im industriellen Maßstab laufen oder kurz davor sind.