Chemie & Life Sciences

Chemiedistribution 4.0

Digitalisierung verändert den Handel mit Chemikalien

26.04.2016 -

Das produzierende Gewerbe in Deutschland zählt etwa 270.000 Unternehmen. Viele benötigen Chemikalien von verschiedenen Herstellern aus dem In- und Ausland für ihre Produktion. Hergestellt werden die chemischen Erzeugnisse von ca. 1.600 kleinen, mittelständischen und großen Chemieunternehmen. Unter den Erzeugnissen befinden sich Endprodukte, aber auch viele Basischemikalien in großen Mengen oder Zubereitungen für die weitere Verarbeitung. Für die bedarfsgerechte und effiziente Verteilung der Chemikalien sorgt der Chemiegroßhandel in seiner klassischen Funktion als Produktionsverbindungshandel.

Zum Kerngeschäft des Chemiehandels gehören Lagerlogistik, Transport und Umschlag von Chemikalien. Darüber hinaus hat sich der moderne Chemikalienhändler zum Anbieter zahlreicher Dienstleistungen entwickelt: Ob Analysen und Laboruntersuchungen, Beratung bei der Anwendung erklärungsbedürftiger Produkte, Entwicklung spezieller Formulierungen oder eines Marketingkonzepts – der Chemiehandel fungiert als kompetenter Partner sowohl für Chemieproduzenten als auch für Anwender von Chemikalien.

Führt man sich die hier skizzierte Funktion der Chemiedistribution vor Augen, wird deutlich, dass diese bereits früher völlig anders strukturiert war, als der Handel mit Konsumgütern. Während in diesem sog. B2C-Geschäft der Kunde traditionell den stationären Händler aufsucht, dort Produkt und Preis beurteilt, kauft und das Produkt mit nach Hause nimmt, gibt der Kunde im B2B-Geschäft telefonisch oder per Telefax seinen Auftrag durch – regelmäßig nachdem er vorher mit einem Außendienstmitarbeiter des Händlers, der ihn besucht hat, die Rahmenbedingungen in Hinblick auf Produktqualität, Menge und Preis besprochen hat. Der Händler liefert dann mit seiner eigenen Logistik oder mit Hilfe eines externen Dienstleisters (Chemielogistiker) die Ware aus.

Einzug der Digitalisierung

Heute ist es unverkennbar, dass die Digitalisierung definitiv auch in der Chemiedistribution ihren Einzug gehalten hat:

  • In erheblichem Umfang bestellt der Kunde nicht mehr per Telefon oder Fax, sondern per E-Mail oder Whatsapp. Dies geschieht tendenziell umso häufiger, je größer das Kundenunternehmen und je jünger der Einkäufer ist.
  • Barcode und RFID werden zur Produktidentifizierung eingesetzt.
  • Zunehmend bietet der Chemikalienhändler – aufgrund entsprechender Kundenforderungen – die Möglichkeit einer elektronischen Sendungsverfolgung.
  • Regelmäßig werden die erforderlichen Dokumente (Lieferschein, Rechnung usw.) elektronisch er- und bereitgestellt.
  • Bei regelmäßiger Lieferung größerer Partien eines Produktes übernimmt es der Chemikalienhändler, den Vorrat beim Kunden zu überwachen – Stichwort „Tanküberwachung“ und beim Unterschreiten eines bestimmten Mindestvorrats automatisch nachzuliefern.
  • Insbesondere große Lieferanten gehen von einer Rechnungserstellung durch den Chemikalienhändler weg, hin zu einem Einzug des Rechnungsbetrags.

Außendienst im Wandel

Diese Entwicklungen machen den Außendienstarbeiter herkömmlicher Art entbehrlich. Seine Aufgabe ist es zukünftig nicht mehr, Aufträge zu generieren, sondern vielmehr als verlängerter Arm der Marketingabteilung zu agieren. Im Lichte der Kenntnis des Produktportfolios seines Unternehmens einerseits und der Analyse des Kundenbedarfs andererseits obliegt es ihm, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. Die eigentliche Auftragserteilung und -abwicklung erfolgen dann digitalisiert.

Chemikalien unter dem Hammer

Bei weitem nicht in dem noch vor wenigen Jahren gedachten Umfang werden Chemikalien über Online-Auktionen verkauft. Erstaunlich oft führt eine Auktion dazu, dass der bisherige Lieferant den Zuschlag erhält. Eine ähnlich zurückhaltende Bewertung gilt bis heute für elektronische Marktplätze. Auch diese haben bei weitem nicht die erwartete – mancher würde sagen befürchtete – Bedeutung gewonnen.

Vereinfacht oder einfach absurd?

Ambivalent gestaltet sich die digitale Entwicklung im für den Chemiehandel herausragend wichtigen regulatorischen Umfeld. Insbesondere der europäische Gesetzgeber zwingt alle Unternehmer, sich elektronischer Kommunikationswege zu bedienen. Herausragendes Beispiel dafür ist die europäische Chemikalienverordnung REACh. Sie verlangt kategorisch, dass die Unternehmen komplexe IT-Tools für die Kommunikation mit der Europäischen Chemikalienagentur ECHA nutzen. Diesem hohen Anspruch an die Unternehmen steht diametral gegenüber, dass nationale und lokale Behörden überwiegend „auf Papier bestehen“. Wenn dann die Verwendung eines elektronischen Beförderungspapiers auf einem mobilen Datenträger beim Transport gefährlicher Güter dadurch behindert wird, dass der Kontrollbeamte aus Haftungsgründen nicht mit diesem Datenträger – z.B. einem Tablet – auf die Ladefläche des LKWs klettern kann, wähnt man sich in Absurdistan.

Richtiges Maß ist gefragt

Kommt die Digitalisierung im B2C-Geschäft als Revolution daher, scheint sie im B2B-Geschäft eher evolutionären Charakter zu haben. Sie fordert auch vom Chemiedistributeur, seine Vertriebs- und Logistikstrukturen an das zunehmend digitale Umfeld anzupassen. Sie bietet ihm aber auch in erheblichem Umfang die Chance, Prozesse zu verschlanken, zu beschleunigen und kostengünstiger zu gestalten. Insgesamt stellt die Digitalisierung das Geschäftsmodell der Chemiedistribution nicht in Frage. Dies gilt jedoch mit der Maßgabe, dass sich der Chemiedistributeur frühzeitig mit den sich in immer schnellerem Rhythmus neu bietenden Möglichkeiten der Digitalisierung auseinandersetzt und diese nutzt, soweit es im Interesse seiner Kunden, seiner Lieferanten und letztlich seines eigenen Unternehmens liegt. Gelingt ihm dies, kann ihn die Digitalisierung letztendlich beim weiteren Ausbau seiner originären Funktionen unterstützen.

Aber auch die fachliche Kommunikation mit dem Kunden wird sich zunehmend auf eine digitale Ebene verlagern. Dazu gehört dann u.a., dem Kunden z.B. Anwendungshinweise oder auch ein Sicherheitsdatenblatt auf seiner Homepage zur Verfügung zu stellen.

Kontakt

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