Chemie & Life Sciences

Chemikalienrecycling entlang der Produktkette

Aktuelle Aspekte im Zusammenhang mit REACh und dem Steuerrecht

14.12.2011 -

Der Verband Chemiehandel (VCH) repräsentiert neben dem klassischen Chemiehandel auch die im Chemikalienrecycling tätigen Firmen. Das Tätigkeitsfeld der Recycler umfasst die stofflichen Wiederverwertung der für Reinigungszwecke und für die Herstellung vieler Produkte gelieferten Löse- oder Extraktionsmittel, die bei ihrem Einsatz nicht verbraucht, sondern lediglich verunreinigt wurden. Das Chemikalienrecycling bietet damit eine Alternative zur energetischen oder thermischen Entsorgung der - in der Regel als gefährliche Abfälle gekennzeichneten - gebrauchten Lösemittel.

Um diesen Ansatz für einen verantwortungsvollen Umgang mit Chemikalien auch im Sinne des Responsible Care-Programms zu stärken, wurde im VCH bereits in 2002 die „Initiative Qualitätsrecycling" gegründet, über die seitdem die Interessen der hier aktiven Firmen vertreten werden. Zudem wurde als Interessenvertretung der Branche auf internationaler Ebene aus der VCH-Initiative heraus in 2004 die „European Solvent Recycler Group" (ESRG) gegründet, weil abfall- und chemikalienrechtliche Fragestellungen in erster Linie durch regulatorische Vorgaben der EU bestimmt werden. Organisatorisch vom VCH betreut, vereint die Gruppe derzeit rund 30 Firmen und Verbände. Sie vertritt die Interessen der Branche auch gegenüber EU-Gesetzgebern und EU-Behörden. Ein zusätzliches zentrales Anliegen der Aktivitäten ist dabei, wie sich der Wirtschaftszweig des Lösemittelrecyclings unter den Vorgaben der REACh-Verordnung behauptet.

Recyclate und REACh

Auch wenn das Recycling durch eine vorgenommene Privilegierung zunächst nur am Rande von der REACh-Verordnung betroffen zu sein scheint, ergeben sich in diesem Bereich viele Verpflichtungen und Fragestellungen, auch und insbesondere im Zusammenhang mit der neuen EU-Abfallrahmenrichtlinie von 2008. Durch letztere soll u.a. über eine neue fünfstufige „Abfallhierarchie" die Bedeutung des Recyclings gestärkt werden. Die Umsetzung der Richtlinie steht in vielen EU-Mitgliedstaaten derzeit noch aus - so auch in Deutschland mit dem künftigen „Kreislaufwirtschaftsgesetz" (KrWG). Mit Blick auf REACh besteht u.a. ein Spannungsfeld zwischen der weitgehenden Befreiung der Sekundärrohstoffe von den Verpflichtungen der Verordnung einerseits und der Notwendigkeit, den Nachweis der Stoffidentität des Recyclats mit der zuvor registrierten Frischware zu führen andererseits. Der Nachweis ist erforderlich, um dem Kunden, über den die Ware in den Stoffkreislauf zurückgeführt wird, anhand des Sicherheitsdatenblatts auch mit den gesetzlich vorgeschriebenen Informationen zu versorgen. Über die Zusammenarbeit der ESRG mit weiteren Organisationen der europäischen Entsorgungswirtschaft ist es gelungen, dem ECHA-Leitfaden „Abfall und zurückgewonnene Stoffe" einen gesonderten Abschnitt zum Thema „Zurückgewonnene Lösungsmittel" hinzuzufügen. Damit wird dieses Geschäftsfeld des Chemikalienrecyclings im Bewusstsein der Akteure der Produktkette stärker verankert.

Nummern-Chaos

Dem Chemiehandel kommt eine herausragende Stellung bei der Kommunikation entlang der Lieferkette zu. Dies gilt auch für die aus gebrauchten Chemikalien zurückgewonnenen Stoffe oder Gemische. Von den wesentlichen Anforderungen, die in der REACh-VO „Informationen in der Lieferkette" beschrieben sind, ist als zentrale und zum Teil für den Recycler schwierig zu erfüllende Anforderung die Übermittlung eines Sicherheitsdatenblattes zu nennen. Neben der Erstellung von Sicherheitsdatenblättern sind die Firmen, ebenso wie die Primärstoff-Hersteller, dazu verpflichtet, ihre Stoffe und Gemische einzustufen und zu kennzeichnen. Für den Recycler problematisch sein kann beim Sicherheitsdatenblatt u. U. die Vorgabe, als „Produktidentifikator" auch die Registrierungsnummer mitzuteilen. Das Problem tritt auf, wenn der Recycler gleiche Ware verschiedener Hersteller aufbereitet, die mit unterschiedlichen Registrierungsnummern versehen ist. In ihrem jüngst vorgelegten Leitfaden zum Sicherheitsdatenblatt folgert die ECHA, dass die Privilegierung des Recyclings darauf schließen lässt, dass der Recycler unter Hinweis auf eben diese Privilegierung und ggf. mit einer ergänzenden Erläuterung von der Nennung der Registrierungsnummer absehen kann. Wenngleich aus ECHA-Sicht insoweit keine gesetzliche Verpflichtung bestehen mag, stellt sich die Frage, wie der Recycler auf eine Forderung des Kunden reagieren soll, der das Fehlen einer Registrierungsnummer „bemängelt", weil seine IT-Systeme auf die Angabe der Nummer angewiesen sind. Aus VCH-Sicht besteht hier die Möglichkeit, sofern voneinander abweichende Registrierungsnummern vorliegen, sich auf die Weitergabe der Nummer eines Konsortiums bzw. des führenden Herstellers zu beschränken. 

Recycling und Steuerrecht

Neben der REACh-Thematik ist für das Chemikalienrecycling derzeit vor allem ein steuerrechtlicher Aspekt von Bedeutung: Das Bundesministerium der Finanzen hat in einem Umsatzsteueranwendungserlass vom Oktober 2010 dazu Stellung bezogen, wie Leistungsbeziehungen bei der Abgabe werthaltiger Abfälle steuerrechtlich zu beurteilen sind. Dabei stellt sich die Frage, ob bei der Leistungsbeziehung mit den Kunden eine Veranlagung im Sinne eines „tauschähnlichen Umsatzes" in Betracht kommt. Verbandsseitig wurde in Zusammenarbeit mit den Fachleuten in den Firmen hierzu eine Hilfestellung erarbeitet. Sie kommt zu dem Schluss, dass für das Geschäftsfeld des Lösemittelrecyclings eine Veranlagung im Sinne eines „tauschähnlichen Umsatzes" in aller Regel nicht in Betracht kommt. Voraussetzung für die Bejahung eines solchen Umsatzes ist laut BMF, dass es eine wechselseitige Beeinflussung zwischen dem „Wert" des Abfalls und dem für die Durchführung der Entsorgungsdienstleistungen fälligen Preises gibt, d.h. wenn ausdrückliche Vereinbarungen vorliegen oder solche offensichtlich sind. Nach dem Ansatz des BMF bestehen also ggf. zwei Preise nebeneinander - einer, den der Kunde für die Entsorgung zahlt und ein weiterer, den er als Vergütung für den Wertstoff hätte erhalten können. Folglich soll dann auch die Mehrwertsteuer zweifach anfallen.

Aus VCH-Sicht ist davon auszugehen, dass ein Entsorgungsentgelt für Lösemittel stets fest vereinbart ist und dieses sich nicht von Fall zu Fall - wie etwa im Bereich Schrotte oder Kupfer - an einem allgemein zugänglichen „Marktpreis" orientiert. Verschmutzten Lösemitteln kommt kein wirtschaftlicher „Wert" zu. Ein solcher besteht erst wieder ab dem Zeitpunkt, an dem die verschmutzte Ware gereinigt ist und zu Frischwarequalität aufbereitet als neues Produkt den Kunden zur Verfügung gestellt werden kann. Zahlt der Recycler an den Abfallerzeuger, ist zu beachten, dass er lediglich einen Rohstoff für die eigene Produktion einkauft, der ausschließlich in Destillierbetrieben verarbeitet werden kann. Erst durch diese Verarbeitung erhalten die Endprodukte wieder einen Marktwert. Im Übrigen wäre - wohl nicht nur aus VCH-Sicht - mit der Ermittlung, Aufführung und separaten Abrechnung der gegenüberstehenden Leistungen ein immenser Verwaltungsaufwand verbunden, der sich auch negativ auf die Wirtschaftlichkeit des Recyclings auswirken könnte. Da neben dem Recycler in der Regel auch der Kunde vorsteuerabzugsberechtigt ist, stehen zudem der Aufwand für die getrennte Besteuerung der Umsätze und die nur in seltenen Ausnahmefällen zu erwartenden Steuermehreinnahmen in keinem vertretbaren Verhältnis zueinander.

 

 

„REACh und Recycling" - ein Tipp!

Der VCH empfiehlt für eine Vertiefung des Themas „REACh und Recycling" eine unter dem gleichen Titel neu erschienene Broschüre der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), die diese als nationale REACh-Auskunftsstelle im Rahmen ihrer Publikationsreihe „REACh-Info" herausgegeben hat. Die Broschüre beschäftigt sich mit dem Grenzbereich zwischen Chemikalienrecht und Abfallrecht und mit der Wiedereinführung eines Materials aus dem Abfallbereich in den Produktbereich. Die Broschüre geht näher auf das Recycling-Privileg ein und beschreibt zugleich die Pflichten von Recycling-Unternehmen unter der REACh-Verordnung.

www.baua.de

 

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