Chemie & Life Sciences

Chemische Synthese unter Strom

Energiezufuhr durch Elektrizität ermöglicht neue Synthesekonzepte

11.06.2019 - Die Elektrosynthese zur Herstellung von organischen und anorganischen Rohstoffen – das ist das Spezialgebiet von ESy-Labs. Die Ausgründung der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der Fraunhofer Gesellschaft bewegt sich zwischen regenerativer Energieerzeugung und chemischer Stoffumsetzung.

Dabei hat ESy-Labs elektrosynthetische Auftragssynthese und Prozessentwicklung sowie Beratungsleistungen im Portfolio. Die Köpfe hinter dem Start-up sind die beiden Gründer Siegfried R. Waldvogel und Tobias Gärtner, die von Volker Sieber beratend unterstützt werden. Hier erläutern die drei Experten das Geschäftsmodell.

CHEManager: Sie haben ESy-Labs vor knapp einem Jahr gegründet. Was hat Sie zu diesem Schritt motiviert?

Siegfried R. Waldvogel: Ich arbeite bereits seit fast 20 Jahren an der Elektrosynthese organischer Verbindungen. Der Schritt ein Unternehmen zu gründen ist dabei in den letzten Jahren gereift und hat sich nach Diskussionen mit Tobias Gärtner und Volker Sieber schnell konkretisiert. ESy-Labs sieht sich als Vorreiter in der Elektrifizierung der chemischen Industrie und bietet Kunden elektrosynthetische Verfahren zur Herstellung chemischer Produkte unter direkter Nutzung von elektrischer anstatt thermischer Energie für die Konversionen an. Auch ein Ersatz von teuren Edelmetallkatalysatoren durch den direkten Einsatz von Strom ist eine attraktive Anwendung.

Was macht ESy-Labs dabei genau?

Tobias Gärtner: ESy-Labs bewegt sich im Querschnittsbereich von regenerativer Energieerzeugung und chemischer Konversion und nutzt dabei die Technologie der Elektrosynthese bzw. -katalyse integrativ mit Biotech und Chemtech, um hochwertige chemische Verbindungen wie pharmazeutische Wirkstoffe und deren Vorläufer oder Metalle aus Reststoffen herzustellen.

Wie können Unternehmen aus der Chemie- oder anderen Branchen diese Technologie nutzen?

S. R. Waldvogel: Das Dienstleistungsportfolio von ESy-Labs erstreckt sich von der Beratung zur Integration der Elektrosynthese in bestehende Prozesse über die Etablierung neuer Synthesen und Prozesse bis zur Auftragssynthese und Auslizenzierung von Elektrosynthesen. Eine Versorgung von Lizenznehmern bzw. Anwendern mit Plug´n´play-Hardware, Wartungs- und Reparaturservice und Betriebsmitteln wie Elektrolyte und Elektroden kann zukünftig als Angebotserweiterung erschlossen werden. Diese Drittelung erhält ESy-Labs die projektbasierten Entwicklungs- und Auftragsyntheseerträge und somit die Weiterentwicklung und schafft eine solide Basis an Lizenzerträgen sowie potenziellen verbundenen Serviceeinnahmen.

Wie sind die Biotechnologie und die chemische Katalyse involviert?

Volker Sieber: Die Elektrobiochemie ist ein aufstrebendes Innovationsfeld, das aus der Diagnostik kommt und auch bereits einige Grundlagen auch zum Beispiel im Bereich der mikrobiellen Brennstoffzelle hat. Durch die Immobilisierung von Enzymen auf Elektroden bzw. den Übertrag von Elektronen über sogenannte Mediatoren auf Enzyme sind so neuartige selektive Synthesen in der industriellen Biotechnologie zugänglich. Auch die Verwendung von Mikroorganismen und Elektrosynthese in Tandemreaktionen konnte bereits gezeigt werden. Gleiches ist auch auf die chemische Katalyse übertragbar.

Wie steht ESy-Labs heute da und was werden die nächsten ­Schritte sein, um Ihr Start-up zu einem etablierten Unternehmen weiterzuentwickeln?

T. Gärtner: Wir konnten erst kürzlich im April erste Büros und Labors beziehen und die Mitarbeiterzahl auf vier erhöhen. Neben zwei bewilligten Anträgen auf Forschungszuwendungen wurden auch bereits Aufträge von Industriekunden akquiriert. Diese stehen aktuell in Bearbeitung. Ein Ziel des Jahres 2019 ist die Inbetriebnahme einer Pilotanlage zur integrierten biotechnologisch-chemisch-katalytischen Elektrosynthese am Standort des Müllheizkraftwerkes Schwandorf. Hier wird der am Standort produzierte Strom direkt zur Herstellung anorganischer Rohstoffe aus Verbrennungsrückständen verwendet. Um ESy-Labs zu etablieren, werden Entwicklungen im Kundenauftrag sowie Eigenentwicklungen gleichermaßen vorangetrieben. So wird die eigenständige Innovationskraft weiterhin gewährleistet, ohne die Basis für die unternehmerische Tätigkeit zu vernachlässigen. Durch die Kombination aus Know-how und Fokus auf zukünftige Problemfelder wollen wir ESy-Labs im Markt etablieren.

ZUR PERSON
Tobias Gärtner (CEO) war nach einem Forschungsaufenthalt in Japan und anschließender Promotion 2009 an der Universität Regensburg als Wissenschaftler am Fraunhofer IGB in Straubing tätig. Dort hatte er sowohl beim Aufbau des Straubinger Institutsteils BioCat als auch des Themenfelds chemische Energiespeicher zentrale Positionen inne und konnte seit 2012 u. a. Themen auf dem Gebiet der Elektrokatalyse weiterentwickeln. 

Siegfried R. Waldvogel (CTO) ist nach Stationen in La Jolla (Kalifornien) und den Universitäten Münster und Bonn seit 2010 als Professor an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz tätig. Er ist Leiter eines Forschungsteams und betreut Studenten, (Post-) Doktoranden und Gastwissenschaftler. In seinem Portfolio von rund 250 Publikationen befinden sich u. a. 42 Patentanmeldungen zur elektroorganischen Synthese.

Volker Sieber studierte an der Universität Bayreuth und der University of Delaware Chemie und war nach seiner Promotion als Forschungsstipendiat am California Institute of Technology. Ab 2001 arbeitete er 7 Jahre in der Chemieindustrie (Degussa, Süd-Chemie). Seit 2008 ist er Professor an der TU München, leitet den Lehrstuhl für Chemie Biogener Rohstoffe und baute eine Abteilung für Bio-, Chemo- und Elektrokatalyse auf, die er zu einem Institutsteil der Fraunhofer Gesellschaft entwickelte.

 

BUSINESS IDEA

Die Technologie Elektrosynthese

Im Zuge der Energiewende steht aufgrund des Ausbaus erneuerbarer Energiequellen zunehmend mehr Energie in Form von Elektrizität zur Verfügung. ESy-Labs kann diese Energie direkt für die chemische Synthese nutzen. Der integrierte Ansatz, die Elektrosynthese mit chemischer Katalyse und biotechnologischen Schritten zu kombinieren, hebt das Start-up von anderen Chemiefirmen ab.

Historie Elektrosynthese

Die Elektrosynthese hat in Deutschland bereits eine lange Geschichte. So sind die Chloralkali-Elektrolyse, die Aluminium- und generell die Metallherstellung, die Herstellung von Dinitrilen oder Lysmeral bekannte Prozesse. Auch die Galvanik hat eine lange Tradition. Leider wurde die Elektrosynthese seit der Einführung dieser Prozesse nicht weiterverfolgt und die Elektrochemie hat sich ausschließlich auf die Batterieent­wicklung fokussiert. Im Zuge der Energiewende ist jedoch das Interesse an elektrifizierten Prozessen gestiegen.

Drei-Säulen-Strategie 

ESy-Labs nutzt die Elektrosynthese bzw. -katalyse, um unter Anwendung von Strom als chemischem Rohstoff hochwertige chemische Produkte wie pharmazeutische Wirkstoffe und deren Vorläufer, Agrochemikalien, Elektronikchemikalien und andere Feinchemikalien sowie Metalle und Metallverbindungen aus Reststoffen herzustellen.

Die Vorteile auf einen Blick

  • Bedarfsorientierte Herstellung von giftigen und gefährlichen Chemikalien
  • Substitution von giftigen und teuren Oxidations- und Reduktionsmitteln
  • Vermeidung von Reagenzabfall
  • Anpassung des Energieeinsatzes für die jeweilige Reaktion
  • Optimale Stoffliche Nutzung von Elektrizität
  • Inhärent sichere Reaktionsführung möglich (kein Strom – keine Reaktion)


Neue Möglichkeiten

ESy-Labs stellt die Auftragselektrosynthese von Gramm bis zu wenigen Tonnen pro Jahr sowohl für anorganische als auch organische Produkte zur Verfügung und kann darüber hinaus kundenorientierte Beratungsleistung sowie Prozessentwicklung anbieten.

 

ELEVATOR PITCH

Aufgrund der Vorarbeiten der Gründer von ESy-Labs war die Idee zur Firmengründung schnell in die Tat umgesetzt. Nach ersten Gesprächen im Jahr 2017 wurde ESy-Labs im August 2018 in Regensburg gegründet. Durch die finanzielle Unterstützung der Schwandorfer Rohstoff- und Recyc-

ling-GmbH konnte der operative Betrieb innerhalb kürzester Zeit aufgenommen werden. 

ESy-Labs unterteilt das Geschäft in die drei Bereiche ESy-Organics, ESy-Inorganics und 

ESy-Factory. Neben den beiden chemisch ausgelegten Säulen konzentriert sich das Start-up mit der dritten Säule auf die technische Weiterentwicklung von Reaktoren und Elektroden, um die Technologie zu optimieren.

Meilensteine

2018

  • Gründung der ESy-Labs GmbH
  • Erfolgreicher Start der ersten Finanzierungsrunde
  • Aussteller Dechema-Praxisforum Electrolysis in Industry

2019

  • Bezug von Büro- und Laborflächen (April)
  • Einstellung von drei weiteren Mitarbeitern
  • Sieger beim Businessplan-Wettbewerb Nordbayern Phase 1
  • Erfolgreicher Abschluss der ersten Finanzierungsrunde
  • Bewilligung eines Innovationsgutscheins von Bayern Innovativ
  • Bewilligung des Projekts „MatKatEl“ im Rahmen des Einstiegmoduls des BMBF


Roadmap

2019

  • Installation einer Pilotanlage zur elektrosynthetischen Herstellung von anorganischen Produkten aus Reststoffen
  • Erfolgreiche Durchführung des Projekts „MatKatEl“
  • Akquise weiterer Forschungsprojekte zur technischen Weiterentwicklung
  • Break-even

2020

  • Einstellung weiterer Mitarbeiter
  • Kontinuierlicher Betrieb der Pilotanlage
  • Ausbau der elektroorganischen Auftragssynthese und Aufbau eines Katalog an elektrochemisch hergestellten Feinchemikalien (Biphenole, Arylierungsprodukte, Nitrile, etc.)
  • Messeauftritte

2021

  • Erweiterung der elektrochemischen Synthese in die Bereiche organische Fluorverbindungen, biogene Alkohole und Amine, u.v.m.

 

Über CHEManager Innovation Pitch

CHEManager Innovation Pitch ist nicht nur eine Präsentationsplattform für Start-ups in den monatlichen Printausgaben des CHEManager, sondern auch auf einer eigenen Online-Plattform. Besuchen Sie www.chemanager-innovationpitch.de und finden Sie weitere Start-ups aus der Chemiebranche und Informationen über unsere Sponsoren, die den CHEManager Innovation Pitch unterstützen.

Kontakt

ESy-Labs GmbH

Am BioPark 13
93053 Regensburg
Deutschland

+49 941/94686-700

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