Chemie & Life Sciences

Nachwachsende Rohstoffe

Alternative Kohlenstoffquellen aus der stofflichen Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen

23.02.2011 -

Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe findet zunehmendes Interesse. Sehr unterschiedliche alternative Routen werden angeboten. Davon haben einige bereits industrielle Skalierungen erreicht. Viele befinden sich aber erst im Stadium der Untersuchung. Wir sind davon überzeugt, dass ein nachhaltiger Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen eine umfassende quantitative Bewertung alternativer Routen verlangt. Erst diese Bewertung wird sicher stellen, dass die knappen Ressourcen angemessen allokiert werden.

Nachwachsende und fossile Rohstoffe
Die Grundlage fossiler Rohstoffe gerät ins Wanken. Ursache dafür ist eine wachsende Erdbevölkerung, die weltweite Konkurrenz um Kohlenstoffvorkommen nimmt stetig zu. Zudem verstärkt die Politik ihre Anstrengungen, um die globalen CO2-Emissionen einzuschränken. Die Faktoren Konkurrenz und politische Einflussnahme also erfordern neue Bemühungen um die Nutzung alternativer Kohlenstoffquellen.
Solche Alternativen können neben Kohle und Ölsand Kohlendioxid und nachwachsende Rohstoffe (Nawaro) sein. Sie haben den Vorteil, nicht zu einem weiteren Ansteigen des Kohlendioxidanteils in der Erdatmosphäre beizutragen. Die chemische Nutzung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre ist eine besonders elegante jedoch im Moment auch ferne Lösung.
Oleochemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen bilden jedoch inzwischen neben den klassischen petrochemischen Grundstoffen die Ausgangsbasis für viele Detergentien. Fermentativ gewonnenes Ethanol wird besonders für die energetische Nutzung eingesetzt. In Brasilen zum Beispiel, einem Land mit einer hoch entwickelten Ethanol-Infrastruktur, taucht Ethanol vermehrt in der stofflichen Nutzung auf, etwa für die Gewinnung grundlegender Olefine wie Ethylen, Propylen und verschiedener Butene.

Strategien
Die Frage nach geeigneten Strategien im Umgang mit Nawaro zur stofflichen Verwertung drängt sich zunehmend auf. Dabei handelt es sich um Drop-in-Lösungen in schon existierende Verbundsysteme: Im Zuge einer Rückwärtsintegration wird eine vorhandene Rohstoffquelle genutzt. Und im Zuge einer Vorwärtsintegration werden diese Rohstoffe in eine vorhandene Derivatisierung eingespeist.
Die wettbewerbsfähige Produktion von Olefinen hängt hauptsächlich von der Wirtschaftlichkeit der Erzeugung von Ethanol sowie von dessen Konversion zu Olefinen ab. Brasilien nun verfügt über eine Reihe begünstigender Faktoren: brasilianisches Zuckerrohr hat einen hohen Zuckergehalt, mehrere Ernten im Jahr erhöhen die Ausbeute.
Als Vorteile bei der Verarbeitung von Biomasse stellt sich die Nutzung von biotechnologischen Verfahren heraus, die schon seit Jahrhunderten angewendet werden. Neu entwickelte Mikroorganismen, Hefen oder Bakterien können diese Verfahren weiter verbessern.
Daher scheint im Up-stream eine Analyse der Rohstoffbereitstellung entlang der Wertschöpfungskette in der Chemieindustrie angebracht (Abb. 1).
Bei der Herstellung von Basischemikalien werden zwei Strategien unterschieden: das erfolgreich in der Petrochemie angewendete Muster, Basischemikalien über das Auskuppeln von Energiechemikalien bereitzustellen. Ein Verfahren, das mit der Gewinnung von Naphtha für die Olefin-Produktion vergleichbar ist. Und die Möglichkeit, Basisprodukte - on purpose - für die chemische Synthese bereitzustellen (Abb. 2).
Im Downstream stellt sich die grundlegende Frage, ob Basischemikalien in den vorhandenen petrochemischen Strang eingespeist werden oder ob neue Chemikalien auf der Grundlage dieser neuen Basischemikalien synthetisiert werden sollen.

Herausforderungen Up-Stream
Zunächst gilt, dass bei der Rohstoffaufbereitung die Randbedingungen - wie etwa die Konkurrenz der Anbauflächen mit der Nahrungsmittelproduktion oder aber die Kohlenstofffixierungskapazität etwa in Bezug auf die Rodung von Regenwäldern - berücksichtig werden müssen. Das gilt für die mengenmäßig viel bedeutenderen Energierohstoffe noch mehr als für die Rohstoffe zur stofflichen Verwertung.
Die Erträge pro Fläche müssen verbessert werden. Ebenso müssen die Pflanzenteile, die für die tierische oder menschliche Ernährung keine Bedeutung haben, müssen besonders intensiv genutzt werden. Dabei steht eine breite Palette von Einflussmöglichkeiten zur Verfügung: angefangen bei der gentechnischen Manipulation von Pflanzen über den Einsatz von Mikroorganismen oder Algen, die Biomasse verwerten oder auf die Produktion von Ölsäuren spezialisiert sind.
Eine wichtige Rolle spielt das Aufschließen der Lignocellulose. Diese ist für die menschliche Nahrung nicht zu gebrauchen. Jedoch lassen sich durch technische Verfahren aus den Komponenten Cellulose und Hemicellulose verschiedene Zucker wie Zellulose oder Xylose gewinnen. Aus dem Lignin wiederum werden Phenolderivate gewonnen. Lignin und das Tannin aus der Baumrinde bilden die einzigen Quellen für Aromaten unter den nachwachsenden Rohstoffen. Ein wesentliches Forschungsziel für die Zukunft ist, Stroh, Gras oder auch Unterholz als Rohstoffquellen nutzen zu können.
Auf dem Weg dorthin setzt das Chemieunternehmen Dupont in Kooperation mit Genentech genmodifizierte Mikroorganismen ein, um aus Lignocellulose Alkohol, vorzugsweise Ethanol, zu verstoffwechseln. Schon 2011 soll die erste Pilotanlage für diese Technologie angefahren werden. Andere Unternehmen setzen Enzyme zur Aufarbeitung von Lignocellulose ein. Die Aufarbeitung von Cellulose und Hemicellulose mit dieser Technologie macht gute Fortschritte. Es zeichnet sich ab, dass der Einsatz von Enzymen zur Gewinnung von Grundstoffen wie Glucose und Xylose eine gute Voraussetzung für unterschiedliche Derivatisierungen sein kann. Das so gewonnene Ethanol ist jedoch mehr zur energetischen als zur stofflichen Verwertung vorgesehen.
Die Strategie des Auskuppelns von Basischemikalien aus dem Pool der Energiechemikalien scheint prinzipiell den Vorteil zu bieten, dass in diesem Fall deutlich höhere Economies-of-Scale erreicht werden können als dies mit der gezielten Direktsynthese von Basischemikalien oder Plattformchemikalien geleistet werden kann (Abb. 3).
Eine effektive ökonomische Verwertung ist schwer, weil große Flächen benötigt werden, um ausreichende Mengen von land- oder forstwirtschaftlichen Reststoffen wie etwa Stroh oder Restholz zu sammeln. Der relativ geringen Material- und Energiedichte dieser Stoffe steht ein großer Aufwand für Lagerung und Transport gegenüber. In weiten Teilen der Welt fallen solche Stoffe nur saisonal an, was eine kontinuierliche Versorgung mit nachwachsenden Rohstoffen verhindert. Die globale Verwendung von Lignocellulose gilt deshalb unter Experten als extrem hohe Herausforderung. Eine Wirtschaft auf der Basis von Nawaro könnte auf Regionen, die große Ernten energiereicher Pflanzen verzeichnen, beschränkt bleiben (Abb. 4).
Was wird also der biogene Kraftstoff der Zukunft sein? EtOH hat einen relativ geringen energetischen Volumeninhalt. Die Herstellung von Butanol zu beherrschen, ist dagegen noch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
Neben der Strategie des Ausschleusens von Material aus dem Pool der Energiechemikalien öffnet sich der Weg zur dedizierten Herstellung von biogenen Plattformchemikalien. Die größte Herausforderung dieses Wegs ist und bleibt die Prozessentwicklung. Verlangt diese doch nach maßgeschneiderten Katalysatoren für relativ kleinskalige Produkte. Das sind Randbedingungen, die die F&E-Budgets herausfordern. 


Den 2. Teil des Beitrags lesen sie hier:
Nachhaltige Strategien für den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen in der stofflichen Verwertung (Teil 2)

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